Siegerland. . Wissenschaftler der Siegener Uni macht Bevölkerungsentwicklung landesweit vergleichbar. Für Hilchenbach und Wilnsdorf steht die Ampel auf Rot.

Frank Luschei ist der Mann für Zahlen. Mit seiner „Demografieampel“ bietet der Diplom-Psychologe, der Mitglied des Forschungskollegs der Uni Siegen (FoKos) ist, mit einer grafischen Darstellung einen Vergleich aller 396 Kommunen in NRW an: Wie entwickelt sich die Bevölkerung?

„Es ist wichtig, die entscheidenden Kennzahlen des demografischen Wandels der eigenen Gemeinde einzuordnen“, sagt Luschei, „dadurch lässt sich ein Bild von der Lage in der jeweiligen Kommune machen“. Wobei sowohl die Erklärungen als auch die Schlussfolgerungen sehr unterschiedlich sein können – wie schon bei der groß angelegten Befragung zu den Kriterien, nach denen Menschen eine Stadt für attraktiv halten. Oder eben nicht.

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Ob es nun möglich ist, den Zusammenhang zwischen Demografie und Attraktivität herzustellen? Luschei ist vorsichtig: Dafür hätten zu wenige Kommunen bei den Attraktivitätsprofilen mitgemacht. Sonst hätte die Stadt Olpe vielleicht nun eine Erklärung, warum sie trotz maximaler Arbeitsplatzdichte Einwohner verliert. Um Entwicklungen zu verstehen, helfe der Vergleich. Dann, so Luschei, fänden Betrachter auch schnell heraus, dass die vermeintliche Beobachtung einer Landflucht ein Trugschluss sei: Auch kleine Orte fern der Städte wachsen. — Und so sieht die Demografieampel für das Siegerland aus:

Rot

Wilnsdorf: Auf Rang 354 von 396 Kommunen, im letzten Fünftel aller Städte und Gemeinden mit dem ungünstigsten Wert. Dass der „natürliche Saldo“ (von Todesfällen und Geburten) im positiven Spitzenfeld liegt, hilft wenig. Es fehlt an Zuzügen — und vor allem an Frauen zwischen 15 und 49, die (noch) Kinder zur Welt bringen können.


Hilchenbach: Auf Rang 332 . Einzelwerte, wie bei Geburten und Todesfällen und Fortzügen, liegen im vierten Fünftel („orange“) zwischen Gelb und Rot, bei den Zuzügen und bei der Arbeitsplatzdichte reicht es sogar für ein Gelb. Ganz am Ende dagegen der Anteil der Kinder unter 10: Das sind nur 7.8 Prozent. Nur 18 andere Gemeinden sehen noch älter aus.

Orange

Neunkirchen mit Rang 310 im vierten Fünftel. Positiv wirken sich Zuzüge aus, mit Rang 36 bei den in der eigenen Kommune beschäftigten Arbeitnehmern ist Neunkirchen in der landesweiten Spitzengruppe. Aber: Zu viele Menschen ziehen fort, zu wenige Frauen werden noch Kinder gebären.

Netphen auf Rang 258 — fast schon gelb und in der Geburtenbilanz schon blassgrün. Fünf Variablen sind es, die die Platzierung auf der Demografieampel letztlich bestimmen: Zuzüge, Fortzüge, Geburten und damit zusammenhängend „Fruchtbarkeitsraten“ (Geburten je Frau im gebärfähigen Alter) und Frauen im Alter von 15 bis 49. An der Kommune sei es, „Randbedingungen zu schaffen“, sagt Frank Luschei. Wer Familien will, braucht Spielplätze und Kitas.

Drei Beispiele: Rot für Hilchenbach, Gelb für Burbach, Grün für Siegen
Drei Beispiele: Rot für Hilchenbach, Gelb für Burbach, Grün für Siegen © Manuela Nossutta / Grafik

Kreuztal, Rang 242. In der zweitgrößten Stadt des Kreises ist fast alles im grünen Bereich, die Geburten mit dem landesweiten Rang 65 sogar tiefgrün. Ins Kontor schlagen die Fortzüge. Mit 6,27 Prozent der Bevölkerung, die der Stadt in einem Jahr – ausgewertet wurde 2017 – den Rücken kehren, reiht sich die Stadt bei den Schlusslichtern ein.

Gelb

Burbach, Rang 224, ist die einzige Kommune im dritten Fünftel. Bis auf die hohe Zahl von Sterbefällen (1,3 Prozent, Rang 323 von 396), sind fast alle Farben grün. Nicht berücksichtigt hat Frank Luschei Zu- und Fortzüge. Burbach war, wie Bad Berleburg und Bad Laasphe, Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Deren Berücksichtigung hätte die Zahlen verzerrt.

Grün

Freudenberg, Rang 155, ist im zweiten Fünftel und blassgrün, schwächelt bei Geburten und Zuzügen. „Das hat sich etwas abgeschwächt“, sagt Frank Luschei, „in früheren Jahren war Freudenberg Musterkommune.“
S iegen, Rang 69, tiefgrün, ist in der Spitzengruppe. Die Fruchtbarkeitsrate ist zwar im Landesvergleich extrem niedrig, die Zahl der Fortzüge extrem hoch — dennoch bleiben alle Salden grün. Frank Luschei weist auf die weit überdurchschnittlichen Werte bei Zuzügen (7,0 Prozent) und Fortzügen (6,4 Prozent) hin — normal wären 5 Prozent. „Das ist eine unglaubliche Dynamik.“ Die aber auch „durchaus erklärbar“ sei: Studierende kommen — und gehen halt auch irgendwann wieder. Für das Gegenbeispiel muss Luschei nicht lange suchen: Erndtebrück verliert im selben Zeitraum zwar nur 4,5 Prozent seiner Einwohner („eigentlich schön“), gewinnt aber auch nur 3,9 Prozent dazu. Da tut sich nichts.