Hilchenbach. . Vor 76 Jahren beginnt für die letzten Juden der Stadt die Fahrt in den Tod. Gedenken künftig an jedem 28. Februar.

Zu dem Kranz, den der Bürgermeister im Namen der Stadt niederlegt, werden weiße Rosen gelegt. An dem Gedenkstein unterhalb der Kirche, der vor fast sechs Jahren zur Erinnerung an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus gesetzt wurde, versammeln sich Hilchenbacher Bürgerinnen und Bürger — ganz junge, denn Linken-Fraktionschef Sven Wengenroth hat seine beiden Ältesten mitgebracht, Jannick (13) und Jon (11). Und ganz alte: CDU-Ehrenvorsitzender Wolfgang Ruth, der die Gedenkfeier angeregt hat, ist 81. Wäre er damals schon in Hilchenbach gewesen, hätte er den fünf Jahre älteren Lothar vielleicht gekannt. Um ihn und um seine Mutter geht es.

 Den Kiesel haben Schüler der Carl-Kraemer-Realschule beschriftet.
Den Kiesel haben Schüler der Carl-Kraemer-Realschule beschriftet. © Steffen Schwab

Bürgermeister Holger Menzel erinnert an diesen 28. Februar vor 76 Jahren: Lothar war 10, seine Mutter Gerti 42, als sie das Haus am Mühlenweg verließen, mit einem Koffer, einem Trinkbecher, einem Essnapf, Bettzeug und etwas zum Anziehen, so, wie es die Hilchenbacher Ortspolizeibehörde angeordnet hatte. Sie waren die letzten Juden in der Stadt. In Dortmund, bei der Gestapo, könnten sie Willi Holländer, Gertis Mann, und Arno, Lothars großen Bruder, wiedergesehen haben, die tags zuvor , zwei Tage nach Arnos 15. Geburtstag, aus Hilchenbach abreisen mussten. Am 3. März kam ihr Zug in Auschwitz an, wo sie ermordet wurden.

Gedenken an jedem 28. Februar

„Wichtig ist die Erinnerung“, sagt Bürgermeister Menzel, „und die Lehre, die wir daraus für die Zukunft ziehen.“ Ausgrenzung, Erniedrigung und Verfolgung von Minderheiten „darf es nie wieder geben“, sagt Menzel. Stellvertretend für alle ermordeten Hilchenbacher Juden will die Stadt künftig an jedem 28. Februar an Lothar und seine Mutter erinnern, an Arno und seinen Vater Willi Holländer, den Kaufmann, dem die Nazis das Geschäft nahmen und der am Ende nur noch Bäume fällen durfte, auf Hohenroth und dem Lahnhof. Stellvertretender Bürgermeister Klaus Stötzel legt den Kiesel auf den Gedenkstein, den Realschüler mit den Lebensdaten von Lothar Holländer beschriftet haben. Er wäre heute 86, sein Bruder Arno 91.