Großenbach/Erndtebrück. . „Schönheit des Schiefers“ 2018/2019: Die Gemeinschaft zur Förderung regionaler Baukultur zeichnet Projekte aus. Sieger kommen aus Wittgenstein.
Gerade heraus gesagt, hat Michael Stojan vieles lieber in Schiefer. Die Gemeinschaft zur Förderung regionaler Baukultur, deren Vorsitzender der ehemalige Siegener Stadtbaurat ist, hat die Preisträger ihres dritten Wettbewerbs „Schönheit des Schiefers“ geehrt. Und dabei sind Projekte in Wittgenstein ganz oben auf dem Siegertreppchen.
Ein wichtiges Kriterium: Die in Zusammenarbeit mit den Heimatbünden ausgezeichneten Projekte illustrieren in vielen Fällen die Machbarkeit „einer absolut modernen Architektur, die aber historische Architektursprache aufgreift“, wie Michael Stojan betont.
Der Verein
Die Gemeinschaft entstand vor rund 20 Jahren als ein Hobby, sagt Stojan. Seit zehn Jahren hat sie Vereinsstatus und bietet Heimatvereinen, privaten Bauherren und Kommunen bundesweit Beratungen an. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass lokale Architektur-Spezifika zunehmend verloren gehen und bei Neubauten und Sanierungen deutschlandweit – und darüber hinaus – eine oft vom Zeitgeist geprägte Beliebigkeit Einzug hält, durch die sich regionale Charakteristik auflöst.Viele Bürgerinnen und Bürger hätten aber inzwischen gemerkt, „dass das, was in ihren Dörfern und Ortsteilen passiert, nicht so ist, wie sie es sich für ihre Enkel wünschen“, sagte Stojan bei der Preisverleihung im Siegener Ratssaal.
Das Gewicht gewachsener regionaler Baukultur für die Identifikation mit dem Heimatort und die lokale Identität werde mittlerweile als bedeutsames Thema erkannt, wie der Verein schon in der Einladung zur Siegerehrung schreibt. Vor allem die Gründung eines nordrhein-westfälischen Heimatministeriums und die Davos-Erklärung der europäischen Kultusminister im Frühjahr 2018 würde die Hoffnung wecken, dass die Anstrengungen des Vereins „nicht mehr als rückwärtsgewandte Gefühlsduselei konservativer Traditionalisten belächelt wird“.
Für das Thema sensibilisieren
Es handelt sich um ideelle Auszeichnungen, die nicht mit Preisgeldern dotiert sind. Die Gemeinschaft zur Förderung regionaler Baukultur und die Heimatbünde möchten vor allem auch in der heimischen Bürgerschaft für das Thema sensibiliseren.
„Investoren-Bauträgermaßnahmen, wie sie heute überall reingeknallt werden, können intakte Ortsbilder für Jahrzehnte stören“, sagt Michael Stojan. „Wir möchten mit unseren Wettbewerben daran erinnern, dass es Alternativen gibt.“
Außer Michael Stojan saßen in der Jury: Birgit Haberhauer-Kuschel vom Kreisheimatbund Olpe, Dieter Tröps vom Heimatbund Siegerland-Wittgenstein und Georg Guntermann, Geschäftsführer der Schiefergrube Magog in Bad Fredeburg.
Das Konzept
Schon beim Aufruf für den Wettbewerb im August 2018 betonten die Initiatoren ausdrücklich, dass es eben nicht um Historisierung, Heimatkitsch oder sentimentales Früher-war-alles-besser-Geheule geht. Zugrunde liegt eher die recht nüchterne Erkenntnis, dass ein harmonisches und in sich stimmiges Wohnumfeld mit eigenem, gewachsenen Charakter in aller Regel attraktiver auf Menschen wirkt als ein Stil-Misch-Masch, dem nicht anzusehen ist, ob er in Hamburg, Siegen oder einem Vorort von Nürnberg zusammengewürfelt wurde.
Es gehe bei Bauprojekten um „Respekt“ vor der Umgebung, sagt Michael Stojan, um „behutsamen Umgang mit dem Bestand“: „Internationale Baukultur hat in intakten Ortskernen nicht ganz so viel verloren.“ Wobei es nicht um Vorbehalte gegen diese internationale Baukultur gehe, sondern um den Ort. Ein geschwungener Glas- und Stahlpalast passt zwar in ein modernes Bankenviertel, aber nicht unbedingt mitten in den Alten Flecken in Freudenberg.
Das Material
Lokale Baukultur ist vor allem durch die Materialien geprägt, die in früheren Zeiten vor Ort verfügbar waren. In Südwestfalen waren das vor allem Holz, Kalk und eben Schiefer. „Die Identität der Region hängt von diesem Material ab“, erläutert der Stadtbaurat a.D., und sei in dieser Art „ein internationales Alleinstellungsmerkmal“.
Noch in den 1950er Jahren sei Schiefer ein völlig gängiges Baumaterial gewesen, doch „das endete schlagartig Anfang der 60er Jahre, als die Moderne auch im ländlichen Raum Einzug hielt.“ Heute gelte es, zu erhalten, „was die 60er, 70er und 80er Jahre übrig gelassen haben“ – vor allem der Trend zu „farbenfrohen Lösungen“ und der „Dämmwahn“ hätten viele Gebäude ihrer angestammten Optik beraubt.
Der Wettbewerb
In vier Kategorien wurden im dritten Durchgang des Wettbewerbs – nach 2013 und 2015 – Preise vergeben: Einerseits an private, andererseits an öffentliche Bauherren, jeweils in den Rubriken „Sanierung“ und „Neubau“. Die Organisatoren wollten gerade bei den Neubauten ausdrücklich keine Projekte, die alte Bauweisen stur kopieren und dabei zeitgemäße Anforderungen an heutige Wohnimmobilien ignorieren.
Stattdessen ging es um „zeitgenössische Architektur, die aber ins Umfeld passt“, unterstreicht Stojan; um „Elemente, die Verbindungen herstellen zu dem, was da ist“. Solche Entwürfe erfordern„ein bisschen mehr Nachdenken“ – aber das lohne sich: Und genau das „wollen wir zeigen“.
Alte Schule, Feuerwache und ein Glockenturm
Ein Sonderpreis in der Kategorie „Sanierung privat“ geht an den Heimatverein Ruckersfeld für das Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“. „In einem Kraftakt“ und in aufwendiger Arbeit sei es gelungen, so Michael Stojan, „dieses ziemlich marode Gebäude wieder zum Schmuckstück zu machen“.
Eine Anerkennung in der Kategorie „Neubau öffentlich“ erhält die Stadt Siegen für die Erweiterung der Feuerwache Feuersbach. Der Anbau mit Schieferdach in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kapellenschule fügt sich nahtlos ins Ortsbild ein.
Ebenfalls eine Anerkennung – in der Kategorie „Neubau privat“ – gibt es für den Arbeitskreis Dorferneuerung und Dorfgeschichte in Langenholdinghausen für den Glockenturm der Kapellenschule am Altenberg: „Ein Musterbeispiel“ für die Neuumsetzung regionaler Baukultur, so Stojan.
Die Preisträger
In der Kategorie Sanierung privat gibt es zwei erste Preise: für das Backhaus Bad Laasphe-Großenbach, errichtet 1885 und von Landwirt Dieter Wagener in den vergangenen Jahren liebevoll saniert. Ausgezeichnet ist auch ein Zwei-Familienhaus in der Großenbacher Straße, ebenfalls in dem Bad Laaspher Stadtteil Großenbach, errichtet 1972, saniert 2016.
Außerdem gibt es in dieser Kategorie zwei Anerkennungen: Für Brünjes Haus in Bad Laasphe in der Königstraße und für die Dacherneuerung am Wasserschloss Adolfsburg in Oberhundem.
Sanierung öffentlich
Der 1. Preis geht an die Stadt Schmallenberg für die Dachsanierung der Grundschule in Oberkirchen im Jahr 2016.
Neubau privat
Den ersten Preis sprach die Jury den Eder-Arkaden in der Marburger Straße in Erndtebrück zu.
Eine Anerkennung gab es für ein Wohnhaus in der Straße Schlossberg in Meschede-Eversberg.