Siegen-Wittgenstein. . Der Kreis Siegen-Wittgenstein liegt beim Schuldenatlas im deutschen Mittelfeld, Siegen und Kreuztal über dem Bundesdurchschnitt.

9,44 Prozent der über 18-jährigen Siegen-Wittgensteiner sind überschuldet – der Anteil der erwachsenen Einwohner, die ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, steigt seit 2013 stetig. Damit liegt der Kreis unter dem Deutschland-Schnitt von inzwischen 10,04 Prozent und im Vergleich der 401 Kreise und kreisfreien Städte auf Rang 201 und damit genau in der Mitte zwischen der bayerischen Bischofsstadt Eichstätt (3,85 Prozent) und dem armen Bremerhaven (21,22 Prozent).

Was heißt eigentlich: „Überschuldet“?

„Überschuldet bedeutet, dass für diese Menschen zutrifft, dass sie mehr Gesamtausgaben leisten müssen, als sie Einnahmen haben und über einen längeren Zeitraum keine Verbesserung in Sicht ist“, erklärt Christine Hain-Stühn, Geschäftsführerin bei Creditreform Siegen Für den Schuldneratlas 2018 hat die Unternehmensgruppe, die sich als Informationsdienst der Wirtschaft versteht, Personen mit „Negativmerkmalen“ erfasst: Dazu zählen Vermerke in amtlichen Schuldnerverzeichnissen (zum Beispiel: Insolvenzen), Inkassofälle, „nachhaltige Zahlungsstörungen“ (also mindestens zwei vergebliche Mahnungen von verschiedenen Gläubigern).

Ein Überblick.
Ein Überblick. © Manuela Nossutta / Grafik

Wie entwickelt sich die Verschuldungssituation im Kreisgebiet?

In sieben Städten und Gemeinden nahm die Anzahl der überschuldeten Haushalte zu, in vier Kommunen sank die Quote. Siegen, Netphen, Hilchenbach, Burbach und alle drei Wittgensteiner Kommunen haben 2018 mehr überschuldete Personen zu vermelden als im Jahr zuvor. In Kreuztal, Wilnsdorf, Freudenberg und Neunkirchen hat der Anteil der überschuldeten Menschen leicht abgenommen. Insgesamt liegen alle Siegener Postleitzahlregionen über dem deutschen Durchschnittswert von 10,04 Prozent, vor allem hier in den Postleitzahlgebieten 57072 (Mitte, 12,85 Prozent) und 57078 (Geisweid, 12,13 Prozent). Auch Kreuztal liegt mit 10,67 (2017 10,75) Prozent noch deutlich über dem Durchschnitt. Mit 6,68 Prozent ist Wilnsdorf die Kommune mit den wenigsten überschuldeten Privatpersonen. Auch Erndtebrück mit 7,03 und Freudenberg mit 7,34 Prozent stehen sehr gut da. Es folgen Neunkirchen (7,5), Netphen (7,67), Bad Laasphe (7,76), Bad Berleburg (8,09), Burbach (8,33) sowie Hilchenbach (8,68).

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Wie sieht es in den Nachbarkreisen aus?

Besser als Siegen-Wittgenstein schneidet der Kreis Olpe (Rang 148, 8,64 Prozent) ab, schlechter der Lahn-Dill-Kreis (Rang 202, 9,45 Prozent), der Hochsauerlandkreis (Rang 241, 10,13 Prozent), der Oberbergische Kreis (Rang 249, 10,23 Prozent) der Westerwaldkreis (Rang 294, 10,91 Prozent) und der Kreis Altenkirchen (Rang 317, 11,56 Prozent).

Was sind die Ursachen für Überschuldung?

Im Schuldneratlas werden Entwicklungen beschrieben:

Ökonomische Auslöser von Überschuldung, zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder gescheiterte Selbstständigkeit, verlieren an Bedeutung. Verstärkt eine Rolle spielen dagegen Krankheit, auch ausgelöst durch Überforderung am Arbeitsplatz, Sucht, Unfälle und — vor allem bei Jüngeren – „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ und „unangemessenes Konsumverhalten“.

Männer sind häufiger überschuldet als Frauen, was die Analysten darauf zurückführen, dass Männer risikobereiter sind, als „Haushaltsvorstand“ bestimmen und Hauptverdiener sind, während Frauen am „Schuldenstress“ mehr leiden und daher vorsichtiger mit Geld umgehen.

Der Anteil junger Überschuldeter geht zurück, Altersüberschuldung wird ein neues Problem. Viele 60- bis 69-Jährige sind auch im Rentenalter noch erwerbstätig; die Zahl „geringfügig beschäftigter“ Rentner mit Nebenjob ist bundesweit seit 2003 um 560 Prozent gestiegen. Dass die Rente nicht mehr ausreicht, um den Lebensstandard zu halten, sei auch eine Folge der Rentenreformen in den letzten 20 Jahren.


Als Überschuldungs- und Armutsrisiko benannt werden die steigenden Wohnkosten. Überschuldete Personen müssen im Schnitt 38 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden, sogar 46 Prozent, wenn nur das eigene Einkommen berücksichtigt wird — im Schnitt der Gesamtbevölkerung beträgt der Wohnkostenanteil nur 27 Prozent.

Wer sammelt diese Daten?

Creditreform wurde 1873 von Kaufleuten gegründet, um sich vor Lieferungen absichern zu können, dass sie eine Begleichung der Rechnung erwarten können. Heute versteht sich die Unternehmensgruppe auch als Marketingservice.

Wozu sind die Daten gut?

Aus den Daten können Handelsunternehmen ableiten, wo die Eröffnung einer Filiale für sie interessant wird. Online-Händler bekommen eine Entscheidungsgrundlage, ob sie Kunden Lieferung nur gegen Vorkasse anbieten. Der Schuldneratlas, sagt Christine Hain-Stühn, sei eigentlich ein „Nebenprodukt“ — das allerdings auch für Politik und Verwaltung wichtig geworden ist: „Der Schuldneratlas zeigt ziemlich genau, wo es hakt.“