Siegen. . Ärzte und Wissenschaftler erläutern beim Bürgerforum „Medizin neu denken“, wie die Uni Siegen Mediziner der Zukunft ausbilden wird.
Wie die Medizin der Zukunft aussehen kann, machte Prof. Dr. Martin Grond beim Bürgerforum „Medizin neu denken“ im Ratssaal an einem Beispiel deutlich. „Einen Parkinson-Patienten kann ich medikamentös einstellen, wenn er in meiner Praxis ist. Doch ich sehe ihn nicht jeden Tag. Digitale Hilfe kann genau das ermöglichen“, sagte der Ärztliche Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreisklinikum in Siegen.
Der Rahmen
Eine solche digitale Unterstützung zu entwickeln ist eines der Ziele im Projekt „Medizin neu denken“ der Universitäten Siegen, Bonn und Rotterdam. Universität und Stadt Siegen hatten zum Bürgerforum mit dem Untertitel „neue Wege der medizinischen Versorgung und Ausbildung“ eingeladen. Projektverantwortliche, Ärzte und Politiker stellten rund 130 Zuhörern das Thema in vier Blöcken vor. Beate Schmies (WDR) führte durch den Abend.
Der Modellversuch
Ausbildung in Bonn und Siegen
Ein Schwerpunkt des Siegener Modells liegt auf der Ausbildung von angehenden Ärztinnen und Ärzten. Die Universitäten Bonn und Siegen bieten seit 2018/19 jährlich jeweils zum Wintersemester 25 Plätze an.
In den ersten drei Jahren sind die Studierenden an der Uni Bonn. Ab dem siebten Semester kommen sie nach Siegen, um an einer der vier Kliniken ihre klinische Phase und ihr praktisches Jahr zu absolvieren.
Prof. Dr. Christoph Strünck, Prodekan für Strategie und Forschung der LWF, stellte vor, wie der Modellversuch Medizinstudierende, Hausärzte, Kliniken und Patienten zusammenbringen soll. Im „Reallabor Südwestfalen“ soll das Modell zeigen, wie die medizinische Versorgung einer vom Bevölkerungsrückgang geprägten ländlichen Region gewährleistet werden kann. Ziel ist eine Medizin, die von digitaler Technologie unterstützt wird, in der Ärztinnen und Ärzte sowie medizinische Fachkräfte mit Empathie für den Patienten wirken – und in der sie aufgrund technischer Entlastung mehr Zeit für die Betreuung der Patienten gewinnen.
Die Ethik
Prof. Grond betonte, dass es nicht Sinn des Projekts sei, eine digitale Überwachung zu schaffen. „Stattdessen fragen wir im Modellprojekt: Funktioniert etwas technisch überhaupt? Ist es sicher, zum Beispiel aus datenschutzrechtlicher Perspektive? Wird es von Patienten akzeptiert? Wie sieht es aus ethischer Perspektive aus?“ Dr. Martin Mansfeld (Gesundheitsregion Siegerland) stimmte zu: „Es darf keine arztlose Praxis geben, das wäre katastrophal.“
Die Bandbreite
Neben dem Humanmedizin-Studium wird die Siegener Lebenswissenschaftliche Fakultät medizinnahe Studiengänge anbieten. Zum Wintersemester 2019/20 startet der Bachelorstudiengang „Digital Biomedical and Health Sciences“. Der Bachelorstudiengang vermittelt die Grundlagen, die für die Arbeit in einem zukünftigen Gesundheitssystem erforderlich sind – ausgerichtet auf modernste digitale Möglichkeiten.
Die Potenziale
„Wir bilden mit den medizinnahen Studiengängen der LWF Ingenieure aus, die wissen, wie Mediziner denken“, erklärte Prof. Dr. Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling und Studiendekan der Gesundheitswissenschaften an der LWF. „Durch den direkten Kontakt mit den Studierenden durch das gesamte Studium hinweg verstehen wir Mediziner außerdem besser, wie Ingenieure ticken.“