Ferndorf. . Jasmin Mantilla Contreras ist Leiterin der Biologischen Station Siegen-Wittgensteins. Bei ihrer Arbeit geht es vor allem um den Schutz der Natur.
Die Bedeutung von Naturschutz ist unumstritten. Das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten kann die Menschheit in Echtzeit mitverfolgen. Dr. Jasmin Mantilla Contreras ist Leiterin der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein. Mit ihrem Team arbeitet sie daran, unsere Umwelt zu schützen und sie näher zu erforschen. Im Interview mit Viktor Dobek gibt sie Einblick in die vielseitige Arbeit der Einrichtung.
Sie sind seit knapp zehn Monaten Leiterin der Biologischen Station in Siegen-Wittgenstein. Haben Sie sich schon eingelebt?
Jasmin Mantilla Contreras: Ja, im Großen und Ganzen schon. Obwohl ich aus dem universitären Bereich komme, habe ich schon viel mit Naturschutz zu tun gehabt, aber den Naturraum von Siegen-Wittgenstein kannte ich bisher nicht und kenne jetzt auch noch nicht alles. Das merke ich an meinen Kollegen, die länger hier sind und die Naturschutzgebiete und das Vorkommen der Tier- und Pflanzenarten besser kennen. Da musste ich mich natürlich einarbeiten, aber ich habe zumindest in dem Jahr eine ganz gute Übersicht über den besonderen Naturraum im Kreis bekommen. Ich habe auch viele Landwirte kennengelernt, mit denen wir eng im Vertragsnaturschutz zusammenarbeiten.
Was ist die Biologische Station und welche Aufgaben hat sie?
Die Biologischen Stationen, wie wir sie in Nordrhein-Westfalen haben, sind ein typisches Konstrukt von NRW und gelten für viele andere Bundesländer als Vorbild, in denen es zwar auch ökologische- und biologische Stationen gibt, die aber sehr unterschiedlichen Aufgaben nachgehen und nicht direkt vergleichbar mit unseren Biologischen Stationen sind. Unsere Biologischen Stationen sind in der Regel für einen Kreis zuständig und übernehmen Aufgaben, die in fünf Säulen aufgeteilt sind: Schutzgebietsbetreuung, Artenschutz, Vertragsnaturschutz und wissenschaftliche und beratende Aufgaben sowie naturbezogene Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. Die Biologische Station Siegen-Wittgenstein fungiert dabei als Bindeglied zwischen dem amtlichen, dem ehrenamtlichen Naturschutz und der Landwirtschaft.
Was macht Ihnen am meisten Spaß?
Eigentlich alles, da die Arbeit insgesamt sehr vielfältig ist. Außerdem überschneiden sich viele Bereiche, wie etwa der Artenschutz und die Schutzgebietsbetreuung.
Wie sieht denn Ihr Arbeitsalltag aus? Bürojob oder in der Natur unterwegs?
Es kommt ein bisschen auf die Jahreszeit an. Im Winter überwiegt die Büroarbeit, obwohl es auch Aufgaben, wie Pflegemaßnahmen, gibt, die in dieser Zeit in der Natur durchgeführt werden. Sobald die Vegetationsperiode anfängt, sind wir sehr viel draußen: Wir fahren in die Naturschutzgebiete, wir kartieren beispielsweise Pflanzen oder monitoren das Vorkommen von Vögeln, Schmetterlingen, Amphibien und anderen Arten. Während der Vegetationsperiode prüfen wir außerdem, welche Flächen für den Vertragsnaturschutz geeignet sind.
Was bedeutet für Sie Naturschutz?
Der Naturschutz war schon immer wichtig und es wird immer wichtiger, dass Menschen erkennen, dass es ohne die Natur einfach nicht geht. Wir sind abhängig von ihr und deshalb wird der Schutz immer bedeutender, weil immer mehr Lebensräume und Arten verschwinden. Sicherlich fühlen sich die meisten Menschen nicht direkt betroffen, aber das Ökosystem ist ein System, wo jede Art eine Rolle spielt. Und wir sind von den Arten und Funktionen abhängig, beispielsweise von der Bestäubung durch Insekten. Früher oder später wird das auch jeder merken.
Was läuft in Siegen-Wittgenstein gut in Sachen Naturschutz und was könnte besser sein?
Ein Leben auf der biologischen Überholspur
Dr. Jasmin Mantilla Contreras hat an der Universität Göttingen Biologie auf Diplom studiert und dort auch im Bereich Pflanzenökologie promoviert.
An der Universität Hildesheim hatte sie danach eine Juniorprofessur in Ökologie und Umweltbildung. Für ihre Forschung war sie auch schon in Madagaskar.
Die Forstwirtschaft könnte für mich besser laufen. Das ist aber nicht nur im Kreis so, sondern im gesamten Bundesgebiet. Waldumbau sollte eine größere Rolle spielen, das heißt, es sollte mehr Mischwald etabliert werden. Also weniger Nadel- und mehr Laubhölzer und insbesondere keine Reinbestände. Es wäre schön, wenn wir noch mehr Landwirte in den Vertragsnaturschutz bekommen würden, obwohl das in Siegen-Wittgenstein schon sehr gut läuft. Wir haben derzeit 294 Landwirte im Vertragsnaturschutz auf einer Fläche von 1879 Hektar. Mit 122 Naturschutzgebieten, 30 Flora-Fauna-Habitat Gebieten und einem Vogelschutzgebiet besitzt der Kreis bereits viele Schutzgebietkulissen – das heißt aber nicht, dass man diese nicht noch ausweiten könnte. Wir haben hier zudem viele Arten, die in anderen Regionen von NRW verschwunden sind.
Was für Arten sind das, an denen wir uns erfreuen können?
In Siegen-Wittgenstein finden wir noch artenreiche Wiesen und Weiden mit Pflanzen wie der Trollblume oder Arnika. Wir haben einige Schmetterlingsarten, wie den blauschillernden Feuerfalter, den es in den meisten Gebieten in NRW nicht mehr gibt. Auch das Braunkehlchen und der Wiesenpieper sind in anderen Gebieten bereits verschwunden – für diese Arten haben wir hier noch Rückzugsgebiete, aber auch eine besondere Verantwortung.
An der Grenze zum Süd-Siegerland gab es zuletzt Anzeichen für einen Wolf – was denken Sie darüber, gerade in Hinblick auf die Viehzüchter?
Das ist ein schwieriges Thema. Ich habe früher in Niedersachsen gearbeitet, wo sich der Wolf schon mehr ausgebreitet hat und die Problematik größer ist als hier. Als Biologin und Naturschützerin muss ich sagen, dass der Wolf zum Ökosystem dazugehört. Er war hier schon immer heimisch und hat auch eine Funktion. Der Wolf ist ein wichtiger Teil im Räuber-Beute-System, an der Spitze der Nahrungskette kontrolliert er das ganze Ökosystem über seine Beute und trägt damit zur Regulation von Populationen bei, aber auch zur Förderung von Vegetation wie etwas Naturverjüngung. Da wir in den meisten Teilen Deutschlands keine großen Raubtiere mehr haben, wie den Wolf oder den Bären, haben wir im Prinzip auch keine vollständig funktionierenden Ökosysteme, wenn man es streng sieht. Wir brauchen die Jagd, um Schwarz- oder Rotwild einzudämmen. Deshalb ist der Wolf sehr wichtig, auch wenn viele Menschen immer nur das Negative im Auge haben. Ich verstehe natürlich die Landwirte und sehe auch für Siegen-Wittgenstein eine Problematik, denn wir haben hier sehr viele Landwirte, die nebenberuflich arbeiten und sich Ausfälle durch den Wolf nicht leisten können. Ich denke es ist wichtig, über den Wolf zu informieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Hessen macht das bereits sehr vorbildlich. Ich glaube es ist sehr gefährlich abzuwarten, bis der Wolf da ist und erst dann zu handeln. Es ist nicht so, dass Nutztiere zwangsläufig die präferierte Beute sind, sie sind es nur, wenn sie leicht zugänglich sind. Daher ist es besonders wichtig präventive Maßnahmen, wie etwa einen wolfssicheren Zaun, zu fördern, bevor etwas passiert.
Welche Ziele haben Sie und die Biologische Station für die Zukunft?
Unsere Ziele sind es den Naturschutz in der Region noch weiter zu verbessern, also zum Beispiel mehr Naturschutzgebiete zu etablieren und dort auch mehr Pflegemaßnahmen umzusetzen. Wir möchten auch die Situation der vom Aussterben bedrohten Arten verbessern und ihnen ermöglichen, sich wieder ausbreiten zu können.
Da gilt es doch bestimmt auch einige Hürden zu meistern ...
Die gibt es immer im Naturschutz, weil man hier so viele Interessensgruppen hat, die natürlich alle ihre Interessen verfolgen. Von daher muss man sich mit allen irgendwie einig werden. Was helfen würde wären mehr finanzielle Mittel, denn dann hätte man mehr Spielraum in den Bereichen Natur- und Umweltschutz.
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