Siegerland. . Pro Jahr löst die Siegener Firma H&R Traum 400 bis 500 Haushalte auf. Ungefähr die Hälfte der Einsätze ist auf Todesfälle zurückzuführen.
„Viele Hinterbliebene möchten den Haushalt eines Verstorbenen von einer Firma aufgelöst bekommen. Für sie wird nämlich auch eine Lebensgeschichte aufgelöst“, sagt Ralf Traum, Geschäftsführer der Firma H&R Traum. Er und seine Frau Hadir haben sich auf Haushaltauflösungen spezialisiert. „Pro Jahr lösen wir zwischen 400 und 500 Haushalte auf“, sagt der Geschäftsführer.
Zwei Lkw sind vor einem Einfamilienhaus im südlichen Siegerland vorgefahren. Es muss entrümpelt werden, denn der Eigentümer ist verstorben. Hadir und Ralf Traum sind auch vor Ort. „Bis drei Uhr müssen unsere Mitarbeiter hier fertig sein. Falls nicht ist das auch kein Problem“, sagt Ralf Traum, dem der häufige Kundenwunsch, den Haushalt mit Anstand aufzulösen, sehr wichtig ist: „Bei uns fliegt nichts aus dem Fenster oder in den Container. Wir verladen den Hausrat in unsere Lkw“, denn auch die Weiterverwertung der Gegenstände ist dem Ehepaar sehr wichtig: „Wir übernehmen die Sachen, die wir aus den Häusern holen. Dabei versuchen wir, so wenig wie möglich wegzuwerfen, und das, was wir kommerziell nicht nutzen können, kommt der humanitären Hilfe zugute“, sagt Ralf Traum.
Schalter im Kopf
Einmal die Woche werde deshalb ein 40-Tonner nach Rumänien geschickt. Doch auch in Siegen und Umgebung unterstützt das Paar arme oder geflüchtete Menschen: „Wir arbeiten mit der Stadt Siegen und dem Jobcenter zusammen. Hilfsbedürftige bekommen dort Berechtigungsscheine, mit denen sie aus unserem Lager beispielsweise vier Stühle oder eine ganze Küche mitnehmen können.“ Dies entspreche auch dem Wunsch der Hinterbliebenen, sagt Hadir Traum: „Viele wünschen sich, dass die Sachen weiter verwendet werden, weil sie eine emotionale Bindung zu ihnen haben.“
Ein Großteil der Gegenstände im Lager der Firma Traum stammt von Verstorbenen: „Die Hälfte unserer Einsätze sind Haushaltauflösungen aufgrund von Todesfällen“, erklärt die Geschäftsführerin. Viele Angehörige überlassen das Ausräumen der Firma H&R Traum, „weil da einfach zu viele Erinnerungen drinstecken“, sagt Ralf Traum und fügt hinzu: „Wenn wir fertig sind, sind keine Erinnerungen mehr da, außer vielleicht die Adresse.“
Emotionen nicht immer der Grund
Nicht nur das Emotionale sei ein Grund dafür, dass viele Hinterbliebene Unternehmen engagieren, um den Haushalt eines verstorbenen Angehörigen aufzulösen. Für Ralf und Hadir Traum spielen auch zwei weitere Faktoren eine Rolle.
„Die familiären Strukturen von vor 50 Jahren gibt es heute nicht mehr“, sagt Ralf Traum. Seine Frau Hadir stimmt ihm zu: Ein Dreifamilienhaushalt mit Großeltern, Eltern und Kindern sei heute sehr selten geworden. Hinzukomme, dass Jüngere häufig in andere Städte ziehen, manche sogar ins Ausland. Stirbt dann ein Familienmitglied, „sind die meisten überfordert mit der Auflösung, weil die Entfernungen einfach so groß sind.“ Die Eheleute Traum bekommen regelmäßig auch aus dem Ausland Aufträge: „Die Leute rufen aus den Niederlanden, Portugal und sogar Australien an und fragen unsere Hilfe an“, sagt Ralf Traum.
Fortgeschrittenes Alter
Die Unterstützung von „Entrümpelungsunternehmen“ werde auch aufgrund des demografischen Wandels benötigt, erklärt Geschäftsführer Ralf Traum: „Menschen werden immer älter. Oft ist das Alter der Hinterbliebenen so fortgeschritten, dass sie schwere Sachen wie Schränke oder Sessel nicht heben können.“
Rund 70 Prozent der Fälle sind auf einen natürlichen Tod zurückzuführen. Doch es gibt auch die anderen 30. „Der Tod hat eine große Bandbreite“, sagt Ralf Traum. Er macht den Job schon seit 20 Jahren und hat dementsprechend schon einiges gesehen und erlebt. „Hinter jedem Tod steht ein Schicksal“, so der Geschäftsführer. Suizid und Mord seien auch dabei. „Wir haben mal eine Wohnung aufgelöst, in der ein Mann zuerst seine Frau und dann sich erschossen hat.“ Ralf Traum versucht, diese Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen: „Wenn man sich bei solchen Sachen emotional einbringt, hinterlässt das sicher Spuren. Deshalb lege ich bei Arbeitsbeginn einen Schalter im Kopf um.“ Die Emotionen ließen sich jedoch nicht ganz vermeiden: „Auch mich berührt das ein oder andere Schicksal.“
Seine Frau Hadir Traum macht den Job seit neun Jahren, ihr fällt es schwerer: „Bei manchen Geschichten habe ich Tränen in den Augen.“ Sie erinnert sich an einen Fall: „Ein Mann lag zweineinhalb Monate tot in seiner Wohnung. Er hatte keine Familie, die sich Sorgen um ihn gemacht hat.“ Auch um diese Wohnung kümmerte sich die Firma. „Die Leichen sind zwar nicht mehr vor Ort, aber um die Rückstände müssen wir uns kümmern.“ Gegenstände, die mit Blut oder Körperflüssigkeiten in Berührung gekommen sind, werden in Folie eingepackt und entsorgt. So etwas sei aber die Ausnahme.
Für viele Seelentröster
Nichtsdestotrotz gehe die Firma immer nach dem gleichen Prozedere vor, so Traum: „Wir werden angerufen, fahren hin, gucken uns die Sachlage vor Ort an.“ Die Hinterbliebenen werden dann dazu aufgefordert, Wertgegenstände und wichtige Sachen im Vorfeld zu sichern. Jedoch kommt es auch ab und zu vor, dass die Mitarbeiter der Firma Traum auf etwas Wertvolles stoßen: „Es gibt nichts, was wir nicht finden. Und wenn, dann händigen wir es unserem Kunden aus. Wie beispielsweise ein Sparbuch mit 335.000 Euro.“ Auch kuriose Dinge wurden schon gefunden: „Einer meiner Mitarbeiter hat mich angerufen, er hätte eine Bombe gefunden.“ Tatsächlich handelte es sich um eine großkalibrige Panzergranate.
Wenn die Firma H&R Traum einen Haushalt auflöst, mache sie es richtig, sagt der Geschäftsführer: „Wir übergeben die Immobilie besenrein. Sogar Schrauben und Nägel sind dann verschwunden.“ Und nicht nur die: Auch die Erinnerungen seien dann weg. Das heißt aber nicht, dass der Auftrag für das Ehepaar Traum abgeschlossen ist: „Für viele sind wir auch Seelentröster“, erzählt der Geschäftsführer. Seine Frau stimmt zu: „Wir führen viele Gespräche und kriegen auch das Emotionale mit.“ Zwar sei es dabei wichtig, einen gewissen Abstand zu wahren, jedoch müsse auch das Menschliche stimmen. Schließlich sei der Tod unberechenbar und für viele eine Überraschung, mit der es umzugehen gilt.
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