Kreuztal. . Sozialarbeiter gehen auf die Straße. „Just Xtal“ begleitet auf dem Weg zurück zu Schule, Ausbildung und Beruf. Projekt wird von der EU gefördert.
Kann sein, dass sie sich einfach nur zum Musikhören treffen. Unten in der Rathaus-Tiefgarage, wo das WLAN der Stadtbibliothek noch hinreicht. Auf den Sitzstufen im Schulzentrum. An der Bushaltestelle in der Stadtmitte. „Wir stellen uns einfach dabei“, sagt Oliver Gaumann, „und dann bringt man sich immer wieder ins Gespräch.“ Einmal. Zweimal. Es wird nicht lange dauern, um zu klären, dass von den jungen Leuten einige gestrandet sind: Probleme mit der Schule, der Arbeit, der Familie. Mit Oliver Gaumann und seiner Kollegin Petra Dickmann haben sie bis Ende 2020 Ansprechpartner in Kreuztal. „Just Xtal“ heißt das Projekt, die Abkürzung steht für „Jugend und Straße“.
Das Konzept
„Man muss es nur einfach tun“, sagt Uwe Montanus, Leiter des Amtes für Kinder, Jugend, Familie und Stadtteilmanagement – in Jugendarbeit, die aus den Treffs raus auf die Straße geht, hat die Stadt längst Erfahrungen gesammelt, in der Erlersiedlung zum Beispiel oder mit dem roten Sofa, das überall dorthin gestellt wird, wo Miteinanderreden angesagt ist. Die beiden Sozialarbeiter des katholischen Jugendwerks Förderband sind vor allem, wie Förderband-Geschäftsführer Dietmar Vitt es beschreibt, für die „Problembeladenen“ da: „Junge Menschen, die Hilfe brauchen.“
Die Angebote setzen beim Förderband selbst an, die beim Bewerbungstraining beginnen und bei der Jugendwerkstatt längst noch nicht enden, und reichen bis zur Vermittlung an weitere Beratungsstellen, wenn zum Beispiel Unterstützung bei Sucht- oder psychischen Problemen erforderlich wird. „Den schnellen Erfolg“, sagt Dietmar Vitt, werden die Sozialarbeiter nicht erzielen. Müssen sie auch gar nicht. „Wir können den langen Weg mitgehen.“
„Wir hoffen, dass es einschlägt“, sagt Stadträtin Edelgard Blümel über das mit Landes- und EU-Mitteln geförderte Projekt: 120.000 Euro stehen für den Projektzeitraum vom 1. Dezember 2018 bis 31. Dezember 2020 zur Verfügung, die Stadt Kreuztal selbst steuert 24.000 Euro Eigenanteil bei. Ihren Schreibtisch haben Petra Dickmann und Oliver Gaumann, die sich eine 75-Prozent-Stelle teilen, in der Interims-JBS an der Siegener Straße, voraussichtlich ab Herbst in der runderneuerten Jugendbegegnungsstätte in der Roonstraße. Von dort knüpfen sie Kontakte zu Jobcenter, Schulen und Stadtteilbüro, dort empfangen sie auch schon ihre ersten Klienten.
Die Kümmerer
Die „Kümmerer“ für die 14- bis 27-Jährigen, sagt Stadträtin Blümel, „sind für uns ein ganz wichtiges Projekt“. „Nicht nur in Duisburg und Berlin gibt es Problemgruppen“, sagt Dietmar Vitt, „sondern auch in Städten wie Kreuztal.“ Wobei die Probleme, trotz stetigem Wirtschaftsaufschwung, zunehmen: Jugendliche, die morgens vor 10 auf der Straße sind und abends um 11 immer noch, die den Anschluss an Schule und Beruf verloren haben.
Projekte aus dem Innenstadt-Konzept
Kreuztal-Mitte mit der Erlersiedlung ist der Bezirk mit dem stärksten Einwohnerwachstum und der größten Einwohnerdichte. Er ist der „jüngste“ Stadtteil und der Stadtteil mit dem größten Migrantenanteil. Im Integrierten Entwicklungskonzept (IEHK) wird für die Erlersiedlung das Problem der „Armutszuwanderung“ genannt.
Die aufsuchende Jugendarbeit und mobile Beratung durch die Kümmerer ist eines der Projekte aus dem IEHK Kreuztal-Mitte, über das auch der Sport- und Bildungscampus und die Erweiterung der Stadthalle zum Bürgerforum gefördert werden.
Bereits seit 1.Oktober ist die Grundschule an Dreslers Park Familienstützpunkt. Träger ist die katholische Erwachsenen- und Familienbildung Olpe, Beraterin ist Margret Dick.
Zwei Mal in der Woche, dienstags und donnerstags nachmittags, klappern die Streetworker die Treffpunkte der jungen Leute ab, in der warmen Jahreszeit nach den Osterferien auch noch an einem dritten Tag. Vielleicht bieten sie eigene Aktionen an, ein Fußallturnier oder ein Konzert zum Beispiel, „wir haben da recht viele Ideen.“ Oder sie kommen halt einfach dazu. Der neue Bildungs- und Sportcampus, sagt Uwe Montanus „wird bestimmt auch ein Anziehungspunkt.“ Und soll es auch sein, betont Petra Dickmann: „Es ist nicht unsere Aufgabe, Jugendliche aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben.“ Trotzdem darf nebenbei gern etwas mehr passieren. Etwa so eine Geschichte mit den drei Mädchen aus Syrien und Afghanistan, die Petra Dickmann bei „Just Girls“ begleitet hat. „Die waren mit der Schule fertig und wussten nicht, was sie machen sollten“, erzählt sie, „jetzt sind sie alle drei in der Ausbildung.“