Siegen. . Astrid Kajsa Nylander bereitet sich auf ihre Ausstellung im Haus Seel vor. Als Trägerin des Preises „Junge Kunst“ zeigt sie dort im Herbst Werke.
Zurück im Atelier in Hamburg wird Astrid Kajsa Nylander die Galerie Haus Seel im Modell nachbauen. Mit dessen Hilfe wird die 29-Jährige entscheiden, was sie im September in Siegen zeigen wird – und wie. Die Ausstellung ist Teil des Preises „Junge Kunst“, den die Stiftung der Sparkassse Siegen für Kunst und Kultur und der Kunstverein Siegen 2019 – nach der Premiere 2017 – zum zweiten Mal vergeben.
„Ich denke bildhauerisch über Malerei nach. In der Malerei kannst Du eine Welt aufbauen, aber es braucht nicht so viel Material, nicht so viel Platz.“ Astrid Kajsa Nylander kommt aus dem schwedischen Göteborg. Sie hat an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg Skulptur und Malerei studiert. Ihre Ölbilder sind meist großformatig, farbintensiv und werden oft erweitert, flankiert oder ergänzt durch Performances, Klangcollagen oder Musik. Nylander wirkt selbst mit oder bittet Musikerinnen und Musiker, ausgehend von ihren Werken Stücke zu komponieren, die sich über QR-Codes abrufen lassen. Die Bilder sind also manchmal Inspiration für weitere kreative Prozesse – auch und gerade anderer Künstlerinnen und Künstler – manchmal lediglich eine Art Bühnenbild. In jedem Fall sind die völlig eigenständigen zweidimensionalen Arbeiten aber auch Ausgangspunkt potenzieller oder tatsächlicher Expansion in den dreidimensionalen Raum.
„Seit 2014 habe ich etwas mit Knöpfen gemacht. Ich wusste erst selbst nicht, was mich daran interessiert.“ Mittlerweile weiß Astrid Kajsa Nylander es. „Der Knopf“, sagt sie, „ist ein Symbol der Verbindung.“ Er taucht in ihren Bildern als Element auf, doch sie fertigt auch kleinere, geformte Leinwände – Herzen, Sechsecke, Dreiecke – an, auf die sie einzelne Knöpfe malt, die sie dann in Bildergruppen oder auf Wänden positioniert. Der Knopf auf der Mauer weckt Assoziation an Stoff, stellt die Materialität des Raums in Frage. „Das hat auch etwas Humorvolles“, sagt die 29-Jährige. Sie habe, als sie auf Leinwand zu malen begann, auch angefangen über Textilien nachzudenken. Die Silhouetten der Figuren in ihren Bildern sind oft aus gemalten Fäden geformt, Hintergründe erinnern an Stoffmuster. Ihre Großmutter, erzählt sie, habe früher Handarbeiten gemacht: „Es sind Kindheitserinnerungen, die man irgendwann in seine Kunst aufnimmt.“
„Für junge Leute, die ganz am Anfang ihrer Karriere stehen, ist es heute schwierig, im Kunstmarkt Fuß zu fassen. Da ist es erforderlich, dass wir Schwellenarbeit leisten.“ Albrecht Thomas, Vorsitzender des Siegener Kunstvereins und Mitglied der „Junge Kunst“-Jury, sieht in dem Preis eine große Chance für die Gewinnerinnen und Gewinner. Die Sparkasse Siegen hat die Auszeichnung 2017 aus Anlass ihres 175-jährigen Bestehens eingerichtet, im Zwei-Jahres-Rhythmus soll sie verliehen werden. Die 3000 Euro Preisgeld plus 2000 Euro für die Produktion eines Katalogs sind natürlich erfreulich für die Empfänger; aber die Einzelausstellung im Haus Seel – und für Nylander ist es die erste Einzelausstellung überhaupt – hat im Idealfall den entscheidenderen Effekt, weil sie die Nachwuchskünstler in einem professionellem Rahmen sichtbar macht. In Siegen, erläutert Albrecht Thomas, gebe es damit einen dritten Kunstpreis, der die beiden bestehenden schlüssig ergänze: Der Rubenspreis geht an lange etablierte Künstler mit Bedeutung für die europäische Malerei; der Rubensförderpreis geht an junge Leute, die einen Anschub zwar noch gut gebrauchen können, die sich aber bereits auf dem Weg Richtung dauerhafter Erfolg befinden; und der Preis „Junge Kunst“ setzt noch früher an.
Die Jury
Wolfgang Suttner, Kulturreferent des Kreises Siegen-Wittgenstein a.D. und Sprecher des Deutschen Kunstrats in Berlin.
Prof. Dr. Ursula Blanchebarbe, Direktorin des Siegerlandmuseums.
Christian Freudenberger, Professor für Malerei und Druckgrafik, Universität Siegen.
Ulrich Kaßburg, Sparkassendirektor, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Siegen.
Albrecht Thomas, 1. Vorsitzender des Kunstvereins Siegen.
„Wie kommt man an Künstler heran, die würdig sind, als Preisträger gewählt zu werden?“ Albrecht Thomas wirft die Frage auf, kann aber auch schon zwei Antworten geben. 2017, im ersten Durchgang, fragte der Kunstverein bei Kunsthochschulen an. Die Leitungen empfahlen Kandidaten, letztlich ging die Auszeichnung an Julius Brauckmann aus Düsseldorf. Im Herbst 2017 zeigte er seine Arbeiten im Haus Seel. 2019 kommt er übrigens nach Siegen zurück, weil eines seiner Werke ab Ende März in der Ausstellung „Der Traum der Bibliothek“ im Museum für Gegenwartskunst zu sehen ist.
Für den zweiten Durchgang schlug der Kunstverein einen anderen Weg ein und fragte bei neun renommierten Kunstvereinen in Nordrhein-Westfalen und Hessen an, die, was vielversprechende Newcomer angeht, „die Nase im Wind haben“, wie Albrecht Thomas sagt. Aus 21 Bewerbungen wählte die Jury dann Astrid Kajsa Nylander aus. Wie die Anwärterinnen und Anwärter für 2021 ermittelt werden? „Schauen wir mal“, sagt Albrecht Thomas. Bisher jedenfalls habe alles „wunderbar geklappt“.
„Wir holen einfach Gutes nach Siegen und stellen es zur Diskussion.“ Für Wolfgang Suttner, ehemaliger Kreis-Kulturreferent, Sprecher des Deutschen Kunstrats und Jury-Vorsitzender, ist der Blick über die Region hinaus ein wichtiger Faktor regionaler Kunstförderung. Nylander repräsentiere einen Typus junger Künstlerinnen, der sich „mit der Kunst beschäftigt und mit der Rolle der Frauen in der Kunst“ und dabei „eine schöne, sehr vielschichtige Malerei“ schaffe. Mit den auf traditionelle Handarbeit – früher nun einmal vornehmlich Hausfrauenressort – zurückgreifenden Elementen sind Nylanders Arbeiten für eine Lesart offen, die die Auseinandersetzung mit alten Geschlechterrollen zum Thema macht. Die Breite von Nylanders Ausdrucksformen und die pop-artigen Momente der Gestaltung aber sind auf der Höhe der Zeit; vielleicht sogar einen Schritt weiter.
„Eine lebendige Kunstszene ist ein wichtiger Standortfaktor.“ Ulrich Kaßburg, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Siegen und Jurymitglied, betont, dass der Preis „Junge Kunst“ als dauerhafte Einrichtung konzipiert ist. Gerade solche nachhaltige Förderung sei unerlässlich, ergänzt Wolfgang Suttner: „Erst in der Nachhaltigkeit ist eine Kunstszene zu schaffen.“