Siegen. . Das traditionsreiche Fachgeschäft in der Alten Poststraße in Siegen schließt am 16. Februar. Einer der Gründe ist der rückläufige Umsatz.

„Der Schirm ist zu einem notwendigen Übel geworden“, sagt Thomas Freund. Er ist Inhaber von Schirm-Freund in der Oberstadt. 117 Jahre gibt es das Geschäft, aber „einen 118. Geburtstag werden wir nicht mehr feiern“, sagt Freund, den die rückläufige Anzahl an „Schirmfreunden“ dazu zwingt, seinen Laden Mitte Februar für immer zu schließen.

„Mein Urgroßvater hat das Geschäft 1902 gegründet. Im Jahre 2000 habe ich den Laden dann von meiner Mutter übernommen“, erzählt Thomas Freund, der zuvor bereits zwölf Jahre im Geschäft mitarbeitete. Seine abgeschlossenen Ausbildungen zum Schreiner und Einzelhandelskaufmann sind nützlich. Freund leitet nicht nur den Laden, sondern repariert auch Schirme in der geschäftseigenen Werkstatt. An seiner Seite: seine Frau Stephanie. Sie verbringt die meiste Zeit im Laden. Thomas Freund kommt nach Feierabend hinzu; denn hauptberuflich verkauft er Fenster und Türen für ein Unternehmen: „Ich lebe seit 30 Jahren in einer Sechs-Tage-Woche.“

Entscheidung vor Weihnachten

Seit Herbst vergangenen Jahres reifte die Überlegung in den Köpfen des Ehepaars, die Türen des Ladens für immer zu schließen. Den Anstoß gab der enorm trockene Sommer, in dem der Umsatz einbrach. „Danach haben wir ans Weihnachtsgeschäft gedacht, und uns ist klar geworden, dass kein Mensch mehr Schirme braucht“, so Thomas Freund. Die endgültige Entscheidung fiel noch vor Weihnachten: „Da haben wir angefangen, der Stammkundschaft erste Signale zu geben. Schließlich wollten wir die langjährige und treue Kundschaft nicht verärgern“, so Freund. Den Schließungsprozess will er nicht in die Länge ziehen: „Wir bestellen jetzt keine Ware mehr nach, und der letzte Arbeitstag ist am 16. Februar.“

Die Auflösung des Geschäfts fällt Stephanie Freund schwerer als ihrem Mann.: „Sie hat die meiste Arbeitszeit hier verbracht. Für mich ist es ein Stressfaktor gewesen, da ich nach meiner regulären Arbeitszeit noch die Aufgaben im Laden erledigen musste“, so Freund. Überraschenderweise überwiege für ihn der positive Aspekt: „Ich freue mich darauf, die Sonne zu genießen und nicht mit langem Gesicht im Laden stehen zu müssen.“

Trend zum Billigprodukt

Für Stephanie und Thomas Freund sind einige Faktoren daran Schuld, dass das traditionsreiche Schirmfachgeschäft schließen muss: „Das Internet ist ein Problem. Es ist einfach bequemer“, so Thomas Freund. „Die Leute stellen den Preis über die Beratung. Sie sparen lieber zehn Prozent und verzichten auf die Erklärung, wie man einen Schirm richtig handhabt“, fügt er hinzu. Die Verschiebung der Kundenströme sei ein weiterer Grund, so Stephanie Freund: Nachfrage und Umsatz hätten in der Oberstadt „mit der Eröffnung der City-Galerie abgenommen.“

Ein Schirm ist nur so gut wie sein Innenleben

Ausschlaggebend für die Qualität eines Regenschirmes ist das Gestell. Dies ist bei günstigen Produkten aus Aluminium oder dünnem Fiberglas. Die teureren Versionen haben ein Gestell aus Stahl oder Leichtmetalltitanlegierungen und sind stabiler.

Um die Lebensdauer eines Schirmes zu verlängern, sollte er niemals nass und zugeklappt im Auto gelassen werden. Es reicht den Schirm zum Trocknen ganz aufzuspannen. Heizungsnähe gilt es zu vermeiden.

Hinzu komme der Hang zum Billigprodukt, ergänzt Thomas Freund. Der Trend, zu preiswerten Alternativen zu greifen. habe sich erst in den vergangenen zehn Jahren entwickelt. „Die Generation, die die Sinnhaftigkeit eines Schirms zu schätzen wusste, stirbt aus“, bedauert Thomas Freund. Früher gehörte der Regenschirm noch zur Kleidung und musste zum Outfit passen. Heutzutage interessiere das die Jüngeren gar nicht mehr, sagt der Inhaber. Dieser Wandel wird auch am Umsatz des Ladens erkennbar. „Der hat sich in den letzten Jahren halbiert“, sagt Freund. 2018 seien nur noch 700 Schirme verkauft worden. „Vor einiger Zeit waren es mehr als 1000 pro Jahr.“

Der teuerste Regenschirm bei „Schirm-Freund“ kostet 179 Euro. „Das ist absolute und kostenintensive Handarbeit, mit doppelter Stoffbespannung“, sagt Thomas Freund. Für ihn koste ein guter Schirm mindestens 40 Euro. „Alles darunter ist nur bedingt zu empfehlen.“ Ein qualitativ hochwertiges Exemplar könne bei guter Pflege zehn Jahre oder länger halten. „Wir haben auch schon Schirme aus Zeiten der Deutschen Mark zur Reparatur vorbeigebracht bekommen“, sagt Thomas Freund.

Nur noch elf Tage haben Schirmfreunde Zeit, im Geschäft in der Alten Poststraße vorbeizuschauen. „Die Stammkunden kaufen aktuell auf Vorrat ein“, erzählt Thomas Freund, der nach eigenen Angaben selbst nie mehr einen Schirm kaufen muss: „Ich habe genug, und zur Not baue ich mir einfach selber einen.“