Geisweid. . Vermüllt, vergessen, nichts los? Die Werbegemeinschaft Geisweid hat genug von Negativdarstellungen des Stadtteils und stellt die Stärken heraus.
Die Landkarte, die ein Grundschulkind von Geisweid gemalt hat, zeigt einen liebenswerten Wohnort. Im Mittelpunkt steht ein Haus, eingerahmt von Herzchen steht „Familie“ daneben. Ringsherum: Freunde, Schulen, das Freibad, Wälder, Parks und der Schwanenteich, auf dem süße Enten schwimmen. Der Monte Schlacko ist eingezeichnet und das Restaurant Bim Käs, mittendrin notiert sind Hinweise wie „Busverbindung gut“ und „Bekleidung, Lebensmittel, alles in Geisweid“.
Das Bild, das die Kinderzeichnung von Geisweid vermittelt, passt so gar nicht dazu, wie der Stadtteil oft in der Öffentlichkeit dargestellt wird – häufig von Menschen, die vor Ort wohnen, mit dem Umfeld aber offensichtlich hadern. Die Werbegemeinschaft Geisweid eröffnet mit der gemalten Landkarte am Donnerstagabend ihre Präsentation im Bürgerhaus Obere Kaiserstraße. In der Einladung zu der öffentlichen Veranstaltung kündigte der Vorstand an, er werde „den Stadtteil in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit präsentieren“. Er wird Wort halten und einer Reihe von Vorurteilen eine andere Einschätzung entgegenhalten: unter der Überschrift „Geisweid mal anders gesehen“.
Vorurteil 1
Geisweid hat ein Imageproblem.
Stimmt.
Genau das ist der Grund für das Bürgerforum, zu dem rund 80 Menschen erschienen sind. „Eine sehr, sehr wichtige Veranstaltung“, unterstreicht Bürgermeister Steffen Mues in seinem Grußwort. Fast die gesamte Siegener Verwaltungsspitze ist der Einladung der Werbegemeinschaft gefolgt. Das schlechte Image sei nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten zur begründen, sondern hänge mit der Darstellung in der Öffentlichkeit zusammen. „Es ist leicht, einen Stadtteil kaputtzureden – oder auch kaputtzuschreiben“, sagt Mues. Leserbriefe und Beiträge in den Sozialen Medien, von denen viele inhaltlich „schlicht falsch“ seien, setzten „eine Abwärtsspirale in Gang, die Geisweid nicht verdient hat“. Eine solche Außenwirkung, das betonte Moderator Heiner Köhne von der Werbegemeinschaft, habe direkte negative Folgen, weil sie potenzielle Investoren, Geschäftsleute und Neubürger verschrecke.
Vorurteil 2
Geisweid ist rundherum hässlich.
Stimmt so nicht.
Die Präsentation von Dieter Endres, 2. Vorsitzender der Werbegemeinschaft, zeigt Bilder aus den Parks, von schmucken alten Gebäuden, viel Grün und Kunst im öffentlichen Raum. Es sei natürlich ein Stahlstandort, räumt Bürgermeister Steffen Mues ein; Vieles sei abgerissen und umgestaltet worden. „Darum haben wir jetzt ein hochmodernes 70er-Jahre-Zentrum“, fügt er ironisch hinzu. Vieles sei aber auch erhalten geblieben – und vieles wurde in den vergangenen Jahren aufgewertet. Das führt zu ...
Vorurteil 3
Für Geisweid wird nichts getan.
Stimmt nicht.
Klare Worte für Vielfalt in der Fußgängerzone
Die Stadtverwaltung bemüht sich seit Längerem, den negativen Äußerungen über Geisweid entgegenzutreten. Das zeigt sich auch daran, dass außer Bürgermeister Steffen Mues Stadtbaurat Henrik Schumann, Stadtrat Arne Fries und Sozialdezernent André Schmidt zum Bürgerforum „Ja zu Geisweid“ erschienen sind.
Manche Kritikpunkte stoßen dem Bürgermeister besonders unangenehm auf. Er erhalte Briefe mit dem Tenor „wie schrecklich türkische Geschäfte in der Fußgängerzone sind“. Klare Worte des Stadtchefs: „Ich kann Ihnen sagen: In Siegen, gerade in der Oberstadt, würden wir uns darüber freuen.“
Ein Brief mit der Überschrift „Siegen hui, Geisweid pfui“ kursierte vor einiger Zeit im Quartier. Auch in der öffentlichen Diskussion melden sich immer wieder Stimmen, die sagen, die öffentliche Hand investiere in Geisweid nicht. Fakt ist, dass im Zuge des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau West“ der Bereich um die Alte Schule zum Bürgerpark „Kloawender Garten“ umgestaltet wurde, ebenso Teile der Hüttenstraße, deren Einmündung zur Sohlbacher Straße und das Rathausumfeld. Als nächstes steht der Dr.-Dudziak-Park auf dem Plan. Da sei es allerdings aufgrund der Auftragslage in der Baubranche zur Verzögerungen gekommen, erklärte Mues. Die Angebote, die nach der ersten Ausschreibung eingingen, lagen etwa 100 Prozent über der Kalkulation. Nach Neuausschreibung liege nun eine akzeptable Offerte vor, sodass die Vergabe zeitnah erfolgen könne.
Vorurteil 4
In Geisweid gibt es keine Geschäfte.
Stimmt nicht.
Dieter Endres zählt Läden aus einer Vielzahl von Branchen auf: Lebensmittel, Metzger, Bäcker, Kleidung, Schreibwaren, sogar eine Parfümerie – „und qualitativ ist der Handel, dank der vielen inhabergeführten Geschäfte, auf gutem Niveau.“ Mit Lidl gäbe es auch einen Discounter. Bau und Eröffnung des Rewemarkts im Zentrum verzögerten sich zwar deutlich, aber der werde sicherlich „ein Frequenzbringer“. Hinzu kämen diverse Dienstleister und vor allem einige Ärzte. Angesichts all dessen kann sich Endres im Hinblick auf eine regelmäßig aus dem Stadtteil geäußerte Kritik eine ironische Anmerkung nicht verkneifen: „Und da schießen einigen Leuten die Tränen in die Augen, weil kein Aldi da ist?“
Vorurteil 5
Geisweid ist vermüllt.
Stimmt mitunter.
Bei den städtischen Flächen gebe es solche Probleme in der Regel nicht, sagt der Bürgermeister – und wenn, dann lasse sich mit einem Anruf bei der Stadt schnell Abhilfe schaffen. Auf privaten Grundstücken allerdings – zu denen auch die Fußgängerzone gehöre – habe die Stadt keine Handhabe, sofern nicht eine Gefahrenlage abzuwenden sei. In solchen Fällen bliebe nur der Weg, bei den Eigentümern um Verständnis zu werben.
Vorurteil 6
Geisweid ist nichts Besonderes.
Stimmt nicht.
Alleinstellungsmerkmale kann Dieter Endres reichlich aufzählen: den Monte Schlacko, die Bowlingarena, den Flohmarkt unter der HTS, das große Bürgerfest („wir sind der einzige Stadtteil, der es hinkriegt, einen verkaufsoffenen Sonntag auf die Beine zu stellen“), das kleinste Beatlesmuseum der Welt, wesentlich mehr kostenlose Parkplätze als andere Stadtteilzentren – und die Kloawender Fürschte („Männer, die mit Melonen durch die Gegend laufen und nach London fliegen – wer hat sowas?“).
„Das ist schon beeindruckend, wenn man das alles so hintereinander sieht“, kommentiert Moderator Heiner Köhne. Vieles, was Geisweid biete, gerate im Alltag zu schnell aus dem Blick. Die Diskussion verläuft ruhig. „Nehmen Sie uns wirklich beim Wort: Bei Problemen im Stadtteil können Sie die Stadt oder die Werbegemeinschaft ansprechen“, sagt Köhne zum Abschluss des Bürgerforums. Im Foyer des Bürgerhauses sind auf Stellwänden die Fotos aus der Präsentation ausgestellt. Das Bild, das sie von Geisweid entwerfen, scheint von der Kinderzeichnung gar nicht so weit entfernt.