Siegen. . Dr. Sabine Heinke vom Freundeskreis des Museums für Gegenwartskunst Siegen über moderne Positionen der Kunst – und deren Vermittlung.

Charlie Brown, Sheldon Cooper und das Museum für Gegenwartskunst haben etwas gemeinsam: Jeder hat einen Freundeskreis. Was der im Fall des MGK tut, ließ sich Florian Adam von Vorstandsmitglied Dr. Sabine Heinke erklären.

Warum braucht ein Museum Freunde?

Heinke: Es geht, wie immer, auch ums Geld. Aber vor allem ist es ganz wichtig, die Kunst – die modernen und zeitgenössischen Positionen – in die Bevölkerung zu tragen.

Ist die moderne Kunst nicht längst dort angekommen?

Wenn ich Führungen mache, merke ich, dass Werke wie zum Beispiel der Mann mit der Socke von Lucian Freud nicht so einfach zu vermitteln sind.

„Naked Man on Bed“? Der nackte Herr auf dem Bild ist nicht gerade ein Topmodel, um es diplomatisch zu formulieren. Und die anatomischen Details sind sehr naturalistisch dargestellt.

Freuds Aktbilder sind nicht im engeren Sinn schön. Und der etwas konservative Standpunkt ,Kunst soll schön sein’ ist leider immer noch recht stark vertreten.

Dafür gehen die sehr geometrischen und bunten Bilder von Bridget Riley doch ohne Weiteres als ,schön’ durch?

Da sind Sie aber optimistisch. Viele sagen auch: Es ist ein Tapetenmuster. Es ist nicht so einfach.

Och! Eröffnet das MGK nicht eine Menge Chancen, den Blickwinkel zu erweitern?

Zur Person

Dr. Sabine Heinke, 75, ist Kunsthistorikerin.

Sie wurde in Neuruppin geboren, studierte in Gießen und lebt heute in Wilnsdorf-Obersdorf. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Natürlich. Es sind oft auch sperrige, konzeptuelle Ausstellungen, die Dr. Eva Schmidt hier zeigt. Und sie schafft es sehr gut, die Leute dafür zu interessieren. Dieses Haus hier ist etwas Besonderes, Exotisches in einer Stadt dieser Größe. Hier wird großartige Kunst gezeigt. Das müssen wir ins Bewusstsein der Menschen bringen.

Was genau tut der Freundeskreis dafür?

Uns tragen die Mitgliedsbeiträge und die Beiträge der Partner. Dieses Geld geben wir aus: für Ausstellungen, Ankäufe, museumspädagogische Arbeit. Eine unserer Hauptaufgaben ist es entsprechend, neue Mitglieder zu werben. Wir haben uns das Ziel gesetzt, ein Prozent der Siegener Bevölkerung zu gewinnen.

Das wären etwa 1000 Menschen. Ein ambitioniertes Ziel.

Aktuell haben wir 328 Mitglieder und 24 Partnerschaften. Wir müssen ordentlich an der Akquise arbeiten.

Mehr als 300 Mitglieder sind doch eindeutig nicht schlecht?

Mein Eindruck ist, dass zum Beispiel das Apollo-Theater besser angenommen wird. Aber wir sind als Museum auch anders aufgestellt. Wir zeigen eine Kunst, die erobert werden will. Es ist oft intellektueller, konzeptioneller.

Ach ja? Ist diese Kunst nicht vor allem sehr sinnlich und sehr visuell?

Auf unterschiedliche Art. Die Spielobjekte von Takako Saito zum Beispiel: Die Ausstellung wurde gestürmt. Die Menschen haben das liebevoll angeguckt, jeder hatte ein Lächeln im Gesicht. Bei Niele Toroni oder Vajiko Chachkhiani ist das schon schwieriger.

Geht es da nicht eher um einen erweiterten Ästhetikbegriff? Man kann Dinge auf unterschiedliche Art schön finden.

„Man lernt etwas lieben“: Da ist in Bezug auf moderne Kunst viel dran. Bei einer Führung durch die Niele Toroni-Ausstellung zum Beispiel leitete ich einmal ein mit: ,Ich weiß, was Sie alle denken ...’

Toroni setzt einfarbige Pinselabdrücke im immer gleichen Abstand auf Untergründe ...

Ich sagte: ,Wir werden das diskutieren’. Und anschließend sind, glaube ich, alle zufrieden nach Hause gegangen. Sie fühlten sich ernstgenommen.

Es gibt das Vorurteil, Kunstkenner würden weniger kunstaffine Leute von oben herab betrachten.

Das ist auch oft so.

Zum Konzept des MGK gehört es doch aber, genau das nicht zu tun?

Man muss den Widerstand der Menschen ernstnehmen – und eben nicht von oben herab Wissen vermitteln. Ich mag diesen Ausdruck eigentlich nicht, aber hier passt er: Man muss versuchen, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Dann kommt man viel näher ran. Im MGK geben sich alle Mühe, das zu vermitteln.

Wie bringen Sie das außerhalb des Museums an den Mann und die Frau?

Ich kann nur überall, wo ich bin, sagen: ,Kommt mal vorbei, geht durch die Ausstellung, schaut es Euch an.’ Zunächst einmal geht es darum, dass die Leute überhaupt kommen. Jeder, der dann auch noch Mitglied im Freundeskreis wird, ist kein Beifang – sondern ein Hauptgewinn.

42 Euro Mitgliedsbeitrag pro Jahr: Mancher könnte argumentieren, dass es drängendere Verwendungsmöglichkeiten für dieses Geld gäbe, als ein modernes Museum.

Weil es einen nicht ernährt – außer geistig? Es geht hier auch um die Andersartigkeit der Kunst, um die Freiheit des Denkens, die immer auch die Freiheit des anderen ist. Das kann man hier im Museum exemplarisch sehen. Die Beschäftigung mit dieser modernen Kunst macht uns auch zu offeneren, toleranteren Menschen.


>>>>INFO

Offizieller Vereinszweck des Freundeskreises des Museums für Gegenwartskunst Siegen, gegründet am 10. Mai 2000, ist nach eigenen Angaben die „Förderung von Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur“. Dies bezieht sich vor allem auf die „bildenden Künste und ihre Vermittlung an die Allgemeinheit“. Aus Beiträgen und Spendengeldern stehen dafür jährlich rund 50.000 Euro zur Verfügung. Konkrete Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:

Ankäufe: Der Verein erwarb für das MGK 2018 zwei Fotogruppen von Andrea Robbins und Max Becher, beteiligte sich außerdem am Ankauf von zwei Fotografien von Candida Höfer und 2017 an der Anschaffung von vier Fotogruppen von Bernd und Hilla Becher.

Vermittlung: Der Freundeskreis unterstützt die museumspädagogische Arbeit, vor allem das eigens für das Museum erstellte Arbeitsheft für Kinder, „Rubi“. Die Museumsmomente, die Führungen für demenzkranke Menschen und ihre Begleitpersonen, sind ebenfalls ein Angebot des Vereins.

Exkursionen: Die Freundeskreisreisen richten sich an Kunst- und Kulturinteressierte und führen zu ausgewählten Zielen im In- und Ausland. 2018 ging es zum Beispiel nach Malta. Die Hauptstadt Valletta war, zusammen mit Leeuwarden in den Niederlanden, Kulturhauptstadt Europas.

„Mäzehne“ und Junge Kunstfreunde

Zwei besondere Gruppen sind die „Jungen Kunstfreunde“ (für Leute bis etwa 35 Jahre) und „Die Mäzehne“. Letztere sind ein Zusammenschluss von jeweils zehn Personen, die über fünf Jahre insgesamt 30.000 Euro ansparen. Davon wird dann der Ankauf eines Werks – oder mehrerer – des aktuellen Rubensförderpreisträgers finanziert. Im Herbst 2019 erhält Lena Henke den Preis. Wer bei den nächsten Mäzehnen dabei sein möchte, kann sich beim Freundeskreis melden.

Für die Mitgliedschaft im Freundeskreis gibt es verschiedene Modelle. Los geht es bei 42 Euro (ermäßigt 21 Euro) pro Jahr. Mitglieder haben im MGK freien Eintritt. Mehr Info auf mgk-siegen.deder Homepage des Museums und telefonisch unter 0271/405-77 13

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