Ruckersfeld. . Damals waren es die Nachbarn, die das Grab aushoben, wenn jemanden in Ruckersfeld gestorben ist. Später übernahm diese Aufgabe der Ortsvorsteher.
Als seine Großeltern starben, ging Friedhelm Stötzel mit seiner Familie hinter den Särgen zum Friedhof. Dass eines Tages sein Platz vor dem Sarg, neben dem Pfarrer, sein würde, konnte er nicht ahnen. Damals waren es noch die Nachbarn, die das Grab aushoben, wenn der Tod jemanden aus dem Ruckersfelder Leben geholt hat. Später übernahm Ortsvorsteher Paul Stötzel die Aufgabe allein — und 1998, nach dessen plötzlichem Tod, wurde Friedhelm Stötzel Ortsvorsteher.
33 Gräber gibt es derzeit auf dem kleinen Friedhof, der 1832 angelegt wurde. Das älteste erinnert an sieben unbekannte sowjetische Soldaten, die hier ums Leben kamen. Unten die Doppel-, in der Mitte die Reihen-, oben rechts die drei Urnengräber und links der freie Platz für Wiesengräber: „Auch danach ist schon gefragt worden.“ Gut die Hälfte der Gräber hat Friedhelm Stötzel selbst ausgeschachtet, manchmal mehrere in einem Jahr, manchmal jahrelang gar keins. Ruckersfeld hat 91 Einwohner.
Der Trauerfall
„Ich werde angerufen, dann besuche ich die Familie.“ Zu besprechen ist, wann die Beerdigung sein soll und welche Grabform infrage kommt.
Grabbereitungsgebühren müssen die Ruckersfelder an die Stadt nicht bezahlen – als Entschädigung berechnet Friedhelm Stötzel den Mindestlohn. Früher wollte die Stadt, dass zumindest die halbe Gebühr berechnet wird. „Aber die Gebühren sind ja explodiert.“ In Ruckersfeld wie auch in Grund geht es den ehrenamtlichen Totengräbern nicht ums Geld: „Das ist ein Dienst am Nachbarn.“
Die Vorbereitung
Machtprobe um den Spitzahorn
Auch das gehört zum Friedhof auf dem Dorf: der Streit um einen Spitzahorn, der mit auf dem Friedhof wuchs. Im Dezember 2016 sprach sich die Bürgerversammlung dafür aus, den Baum zu fällen, wegen des Laubfalls und des Wurzelwerks. „Eine Ruckersfelder Angelegenheit“, dachte Ortsvorsteher Friedhelm Stötzel.
Die Baumkommission sagte zwei Mal Nein, der Streit eskalierte. Nach einer Kampfabstimmung im Stadtentwicklungsausschuss durfte Friedhelm Stötzel im letzten Sommer die Axt anlegen.
In einer Ecke des Friedhofs liegen Pfähle, Bohlen und Holzstangen, weiteres Werkzeug wird vom Nachbarfriedhof in Oechelhausen herbeigeholt. Die Fläche wird ausgemessen, die Grasnarbe abgenommen, das Erdreich ausgehoben und auf Bleche neben dem Grab geschaufelt – Markierungen an der Holzstange geben die Tiefe vor. Je tiefer das Grab sein muss, desto schwerer wird es, die Erde hinaufzubefördern. Je nach Grabart braucht Friedhelm Stötzel dann Helfer. „Ich gucke, wer gerade Spätschicht hat, und spreche die Leute an.“ Einen Arbeitstag braucht Stötzel, wenn er das allein macht. „Man denkt an den, der beigesetzt wird. Das ist keine mechanische Arbeit.“ Beim Doppelgrab kommt es drauf an: Der Mann wird auf der linken Seite beigesetzt. Und wenn schon eine Hälfte belegt ist, gilt es, Stützen einzuziehen: „Das Erdreich kann wegsacken.“
Links? Friedhelm Stötzel fragt zur Sicherheit bei Josef Buchen nach, dem Friedhofsverwalter im Rathaus. Ja, antwortet der, „wie im Leben“: Wenn das Paar vor den Traualtar tritt, sieht der Pfarrer als Gegenüber den Mann auf der linken, die Frau auf der rechten Seite. „Auf Wunsch geht das aber auch andersherum.“
Die Beerdigung
Manchmal beginnt der Trauerzug am Dorfplatz, wo die Autos geparkt werden. Der Brauch ist ein anderer: Der Verstorbene wird im Sarg zu seinem Wohnhaus zurückgebracht, wo der Pfarrer spricht und die Trauergemeinde sich sammelt. Meist sind es die Nachbarn, die den Sarg von dort auf den Friedhof tragen. „Danach gehe ich nach Hause, ziehe mich um und mache das Grab zu.“ In der Regel schafft Friedhelm Stötzel das in der Zeit, die der Beerdigungskaffee dauert. „Danach können die Leute dann noch einmal zum Grab gehen.“
Bei Paul Stötzel hat Friedhelm Stötzel schon mitgeholfen und gelernt, worauf zu achten ist. Jeder im Dorf soll das eigentlich können: Denn die ehrenamtlichen Totengräber bereiten niemals die Gräber der eigenen Angehörigen — auch das ist ungeschriebenes Gesetz. Eine Beerdigung ist nie Routine — man ist jedem, dem man diesen letzten Dienst erweist, verbunden. Gerade deshalb darf nichts schiefgehen: Ist das Grab groß genug? Hält das Erdreich? Wird der Sarg richtig herabgelassen? „Darüber machen sich die wenigsten Gedanken.“
Richtig? Die professionellen Bestatter setzen Blumen an eine bestimmte Stelle des Sargs, um Kopf- und Fußende zu unterscheiden.
Der Friedhof
Man trifft sich dort, zu Jahrestagen, zum Bepflanzen, im Sommer abends zum Gießen – wobei auch dabei die Nachbarschaftshilfe funktioniert. „Für die Gemeinschaft ist das wichtig“, sagt Friedhelm Stötzel, „auf dem Land achtet der eine mehr auf den anderen. Christiane Affholderbach, seine Lebenspartnerin, ist im Nachbarort Oechelhausen groß geworden. Ihre Eltern hätten gesagt, sie wünschten sich ein Wiesengrab, das nicht gepflegt werden müsse. „Im Grunde genommen hätten sie aber gern ein Grab mit Stein und Blumen gehabt.“ Und das haben sie dann auch bekommen. „Man sieht den Friedhof von der Straße“, sagt sie. Dann sagt sie ihren Eltern kurz „Hallo“. In Oechelhausen gibt es niemanden mehr wie Friedhelm Stötzel. Dort hebt seit Ende vorigen Jahres der städtische Bagger die Gräber aus.
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