Siegen. . In einschlägigen Blogs und Portalen erscheint Text mit gefälschten Aussagen zum Thema Flüchtlinge – und Kontaktdaten von Verwaltungsmitarbeitern.
Mehrere rechtspopulistische Blogs und Portale haben einen Text veröffentlicht, der sich auf unseren Bericht zum Thema Kostenerstattung zur Betreuung von Flüchtlingen in Siegen vom 14. Januar bezieht und die teils diese Zeitung als Quelle nennen. Der Inhalt wurde verfälscht, Aussagen dazuerfunden, die nicht getätigt wurden.
So wird etwa behauptet, dass Flüchtlinge den dreifachen Hartz IV-Satz erhalten. Auf einigen Seiten wurden mit dem Text Kontaktdaten städtischer Mitarbeiter veröffentlicht, verbunden mit dem Aufruf, sich in der Sache an die Stadt zu wenden. Bei der Siegener Verwaltung gingen daraufhin Anrufe und E-Mails ein, in manchen wurden Mitarbeiter bedroht. Die Stadt hat die Polizei eingeschaltet.
Worum geht es?
Auf Grundlage des NRW-Flüchtlingsaufnahmegesetzes (Flüag) halten sich wie berichtet 443 Menschen in Siegen auf, für die die Stadt jeweils eine monatliche Pauschale von 886 Euro vom Land bekommt, um gesetzlich vorgegebene Leistungen zu erbringen – etwa für Unterbringung und Betreuung. Hier greift auch das Asylbewerberleistungsgesetz.
Im Jahr summiert sich die Pauschale auf 10.392 Euro pro Person – zu wenig, um die Ausgaben der Stadt zu decken. NRW-weit müssen Großstädte im Schnitt 15.900 Euro pro Person aufwenden (Siegen: 15.230 Euro). Die kommunalen Spitzenverbände fordern daher eine Erhöhung der Pauschale auf 12.900 Euro jährlich.
Wie greifen Blogs und Portale das Thema auf?
Unter der Überschrift „Siegen: Flüchtlinge erhalten dreifachen Hartz IV-Satz“ haben diverse einschlägige Blogs und Portale einen Text veröffentlicht, dessen Urheber sich nicht zu erkennen gibt. Darin wird behauptet, dass Siegen deswegen höhere Zuwendungen des Landes fordere, weil sonst eine „standesgemäße Versorgung“ von Flüchtlingen nicht mehr sichergestellt werden könne.
Für die Stadt komme es nicht in Frage, Leistungen zu reduzieren, „schließlich hätten Merkels Gäste das Recht, umfangreich alimentiert zu werden“, wird dort die Siegener Verwaltung zitiert. Diese Aussagen hat kein städtischer Mitarbeiter unserer Redaktion gegenüber getroffen, sie sind auch nicht in unserem Artikel zu finden. Zudem wird der Eindruck erweckt, dass für Flüchtlinge in Siegen monatlich 1269 Euro gezahlt würden, für Hartz-IV-Empfänger nur 424 Euro. Dass sich die zweite Summe auf Alleinstehende bezieht und dazu Leistungen wie Wohngeld kommen, spart der Text aus.
Was sind das für Seiten?
Neben mehreren Fake-News-Portalen, die islam- und ausländerfeindliche, erfundene Hass- und Hetz-Texte verbreiten und die meist nicht über ein Impressum oder die üblichen Wege zur Kontaktaufnahme verfügen, erschien der Text auch auf „www.journalistenwatch.com“, der diese Zeitung als Quelle einfügte.
Betreiber des islamkritischen Blogs, laut eigenen Angaben mit monatlich mehr als einer Million Lesern, ist der „Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit“. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet, habe das Finanzamt Jena den Verein als gemeinnützig anerkannt, weil er zur „Förderung der Volksbildung“ beitrage. Spenden an den Verein sind steuerlich absetzbar.
Auf der Seite heißt es: Die „veröffentlichten Artikel und Daten sind mit größter Sorgfwalt recherchiert. Nachrichten und Artikel beruhen teilweise auf Meldungen von Nachrichtenagenturen sowie der Kooperationspartner. Der Anbieter übernimmt ausdrücklich keine Gewähr – weder ausdrücklich noch stillschweigend – für Richtigkeit, Vollständigkeit, Verlässlichkeit und Aktualität sowie für die Brauchbarkeit der abgerufenen Beiträge für den Nutzer.“ Auf unseren Hinweis hin, dass die auf „journalistenwatch.com“ veröffentlichten Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen, wurde der Artikel von der Seite entfernt.
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