Patrick Schulte vom regionalen Online-Marktplatz Lozuka über die Digitalisierung des Einzelhandels und die Chancen für Siegerländer Geschäfte.

Pessimisten betrachten den stationären Einzelhandel angesichts der Onlinekonkurrenz als angezählt. Das Team des regionalen Marktplatzes Lozuka ist zuversichtlicher. Bei einem zweitägigen Symposium zur Digitalisierung des Einzelhandels werfen sie seit gestern einen Blick nach vorn. Florian Adam fragte nach bei Lozuka-Geschäftsführer Patrick Schulte.

„Digitalisierung des Einzelhandels“ klingt so allumfassend. Lässt sich – von physischer Ware natürlich abgesehen – überhaupt alles digitalisieren?

Schulte: Auf gar keinen Fall. Die Menschen mit ihrem Fachwissen zum Beispiel nicht. Es gibt schätzungweise 100 verschiedene Einzelhandelsthemen in Siegen. Ich erlebe da so viele tolle, versierte, motivierte Menschen. Die beraten, empfehlen beispielsweise in der Käserei oder in der Weinhandlung auch einmal, etwas Neues zu probieren – weil sie den Geschmack ihrer Kunden kennen. Diese persönliche, emotionale Komponente können Sie nicht digitalisieren.

Trotzdem boomt der Onlinehandel.

Viele Leute sagen auch: Es ist schön, dass ich am Sonntag auf dem Sofa sitzen und gucken kann – und zwei Tage später kommt dann meine Bestellung. Im Onlinehandel gibt es weniger Hürden, vor allem keine Öffnungszeiten. Die meisten Einkäufe dort werden gemacht, wenn die Geschäfte geschlossen sind. Das findet der Kunde gut.

Bieten bisher zu wenige stationäre Einzelhändler ihren Waren auch online an?

Der Einzelhandel hat Nachholbedarf. Manche Einzelhändler sind da sehr gut, andere nicht. Sie müssen erst einmal wissen, was sie überhaupt machen können. Aber wie soll ein Kaufmann Rechts- und Social-Media-Experte, Fotograf, Texter werden, um einen eigenen E-Shop zu betreiben? Und wie schafft er es, dass dieser dann auch gefunden wird?

Mit Lozuka haben Sie einen regionalen digitalen Marktplatz geschaffen, dem Einzelhändler sich anschließen können.

Zur Person

Patrick Schulte ist einer der beiden Geschäftsführer von Lozuka – neben Thimo Eckel.

Das lokale Webkaufhaus ging Anfang September 2016 online, damals allerdings noch unter dem Namen Lokaso.

Patrick Schulte ist außerdem Geschäftsführer der Billiton Internet Service GmbH mit Sitz in Siegen.

Wir nutzen die Synergieeffekte. Gerade kleinere Läden haben außerdem manchmal nicht einmal die räumlichen Kapazitäten, um Pakete für den Versand zu packen. Wir übernehmen Logistik, wickeln die Bezahlung ab, kümmern uns darum, dass das Angebot online erscheint. Bei uns machen 30 Shops mit. Wir haben uns vorgenommen, in diesem Jahr noch 20 weitere Einzelhändler dazuzugewinnen.

Dafür bezahlen die Shops Ihnen eine Gebühr?

Ja. Für die Kunden ist die Lieferung dafür kostenlos. Und sie müssen nicht bei mehreren Shops bestellen, sondern können mit einem einzigen Einkaufsvorgang online alles erledigen. Es gibt auch nur einen Liefer- und einen Bezahlvorgang.

Früher oder später wird Amazon genau das auch anbieten.

Ja. Aber wir machen das lokal, das ist der Unterschied. Wir halten das Umsatzvolumen hier. Die Einzelhändler zahlen hier Steuern, haben Angestellte und unterhalten Ladenlokale. Wir möchten auch Bewusstsein dafür schaffen, dass es eben nicht egal ist, wo wir einkaufen.

Werden Online-Shops die klassischen Läden irgendwann verdrängen? Manche Leute befürchten das.

Der stationäre Einzelhandel hat eine absolute Daseinsberechtigung. Der Kunde wünscht sich genau dieses Angebot, genießt aber auch die Online-Möglichkeiten. Toll ist es, wenn er beides kombinieren kann.

Online-Shopping allein reicht also auf Dauer nicht?

Nein. Amazon etwa ist einfach nur praktisch. Aber emotionale Bindungen dazu hat wohl kaum jemand. Das ist beim Einzelhandel vor Ort anders. Ich weiß zum Beispiel von einer Dame, 82 Jahre alt, die nun dank des Online-Angebots wieder bei der Fleischerei Bingener einkaufen kann, die sie seit vielen Jahren persönlich kennt. Sie wissen als Kunde genau, bei wem sie kaufen. Das ist eine ganz andere Thematik als bei Amazon. Und unsere Fahrer nehmen sich an der Tür bei der Lieferung auch ein wenig Zeit. So können wir das Gefühl des Kaufs beim Einzelhändler mitgeben.

Um eine Bindung zu einem Geschäft zu haben, sollte ich es persönlich erst einmal kennen ...

Es gibt digitale Marktplätze, die geben die Adressen der beteiligten Geschäfte nicht an. Wir schon. Wir promoten auch Aktionen der Läden. Wir wollen Offline- und Online-Einkäufe fördern. Die Einzelhändler bekommen durch die Online-Präsenz mehr Aufmerksamkeit, Leute bestellen nicht nur, sie kommen auch mal in die Geschäfte. Das finden wir gut. Was uns wichtig ist: Es bleibt in der Region. Wir sind wirklich als regionaler Marktplatz angetreten, übertragen dieses Konzept aber auch auf andere Standorte. Es gibt Lozuka auch in Arnsberg – natürlich mit Einzelhändlern von dort.

Sie veranstalten gerade ein zweitägiges Symposium zur Digitalisierung des Einzelhandels. Das ist ziemlich viel Zeit.

Zurecht. Man merkt, dass das Thema oft sehr theoretisch besprochen wird: Man müsste, man hätte, man könnte, man sollte. Wir zeigen hier in der Praxis, wie es geht. Und wir haben hier erstmals in Deutschland eine Region, die tatsächlich mit einem solchen Marktplatz einen gewissen Umsatz bewegt.

Wird es in Zukunft noch Geschäfte geben, die komplett ohne Online-Angebot auskommen?

Klar. Der Mensch gewinnt: Ein gutes Angebot mit jemandem, der dahintersteht – das wird immer gehen. Es gibt aber eben auch Kunden, die sehr online-affin sind. Und auch die sollte man abholen.

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