Burbach. . Helmut Redlich ist der Burbacher Nachtwächter Bartholomäus. 2019 führt er Besucher durch die Dunkelheit an die historischen Plätze im Ortskern.
Wenn die Dunkelheit anbricht, dann wird in Burbach ein altes Brauchtum zum Leben erweckt: Der Nachtwächter Bartholomäus dreht seine Runden. Heute jedoch nur noch einmal im Monat. Helmut Redlich führt in seinem schwarzen Umhang Besucher an historische Plätze im Ortskern. Im Gespräch mit Viktor Dobek erzählt er, wie er zu Bartholomäus wurde, wie die Arbeit des Nachtwächters aussah und wie die Führungen bei den Besuchern ankommen.
Herr Redlich oder Bartholomäus – welcher Name ist Ihnen lieber?
Helmut Redlich: Als Figur des Nachtwächters ist mir Bartholomäus natürlich lieber. Als wir 2010 mit den Nachtwächterführungen angefangen haben, hatten wir noch keinen Namen. Da hieß er einfach nur: Burbacher Nachtwächter. Wir wollten das aber ändern, deshalb haben wir eine Internetabstimmung mit zwölf Namen gestartet. Die hatten wir in kirchlichen Registern nachgeschaut, wir wollten schließlich keinen Nachtwächter Hans, also keinen neuen Namen. Die Leute haben sich dann für Bartholomäus entschieden.
Und den verkörpern sie jetzt – wie ist es dazu überhaupt gekommen?
2010 war der NRW-Tag hier in Siegen und da haben wir uns als Heimatverein Alte Vogtei überlegt, mit was wir auf der Heimatbühne auftreten können. Zum Nachtwächter sind wir durch alte Berufe gekommen. Es gab den Ausscheller, den Hirten und eben den Nachtwächter. Mit denen sind wir dann auf der Bühne aufgetreten. Im Nachhinein wollten wir aber auch einen Nutzen für unsere Gemeinde haben. Uns ist dann aufgefallen, dass in den alten Burbacher Plänen der Nachtwächterweg eingezeichnet ist und den könnten wir ja mal begehen. Und so kam es zur Nachtwächterführung. Obwohl wir zu Beginn nicht mit vielen Touren rechneten, sind wir jetzt schon seit 2010 regelmäßig in der dunklen Jahreszeit unterwegs.
Welche Aufgaben hatte der Nachtwächter in der Vergangenheit in Burbach?
Die Hauptaufgabe des Nachtwächters war für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. 1758 gab es einen großen Brand, da ist fast ganz Burbach abgebrannt – über 100 Gebäude. Der Vogt, der seinen Amtssitz in der Alten Vogtei hatte, wollte die Gefahr eines weiteren Zwischenfalls schmälern und hat den Posten des Nachtwächters eingeführt. Und der hat nachweislich bis 1930 hier seinen Dienst getan. Tagsüber war er als Totengräber für das gesamte Kirchenspiel tätig.
Ich habe gehört, er konnte auch gut singen?
Genau, in seinem Vertrag war festgehalten, dass er singen muss. In der Umgebung gab es damals viele Gasthäuser und er hatte quasi überall die Möglichkeit, etwas zu trinken. Doch seine Aufgabe bestand darin, für Recht und Ordnung zu sorgen. Um kund zu tun, dass er nüchtern und auf der Wacht war, musste er zu jeder vollen Stunde einen Vers des Nachtwächterlieds singen. Der Vier-Uhr-Vers ging zum Beispiel so: „Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, unsere Glock’ hat vier geschlagen.“ Es gab viele unterschiedliche Texte.
Wie sieht eine Nachtwache heutzutage aus?
Die ursprünglichen Aufgaben hat er natürlich nicht mehr. Um die Tradition aufrechtzuerhalten, bietet Bartholomäus ausschließlich Führungen an. Damit möchten wir auch den Tourismus ankurbeln. Wir bieten zwei verschiedene an: Eine private Tour, die über mich oder Werner Kreutz, den zweiten Burbacher Nachtwächter, gebucht werden kann. Und eine offene, für die man sich beim Tourimusbüro in Burbach anmelden kann – davon gibt es sechs. Immer jeden zweiten Samstag im Monat von Oktober bis März. Zu den Stationen zählen Plätze wie das Haus Herbig, die Alte Vogtei Burbach, die Gambach, die Schnurrbartsecke, der Saynsche Hof, die Kirche und der Römer. Zu Beginn der Tour werden Fackeln verteilt. Besonders bei Schneefall ist das ein eindrucksvolles Bild. Der ursprüngliche Weg des Nachtwächters war 2,5 Kilometer lang. Den können wir aber nicht mehr komplett begehen, weil dort an manchen Stellen Zäune oder Mauern stehen. Teilweise ist der Weg auch zugewachsen. Aber wir versuchen uns trotzdem am Originalweg zu orientieren. Ein Rundgang dauert knapp 75 Minuten.
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Was macht Ihnen als Bartholomäus am meisten Spaß ?
Es ist toll die Geschichte aufzuzeigen – wie es früher einmal war und wie die Menschen gelebt haben. Gerade Kindern beispielsweise zu verdeutlichen, dass es früher keine Elektrizität gab, sondern nur Kerzenlicht, und dass Dächer mit Stroh gedeckt wurden. Auch die wechselnden Gruppen machen Spaß: Geschäftsleute, der Sparkassen-Vorstand, Sportvereine. Aus Brasilien war auch schon eine Gruppe dabei. Unterschiedliche Teilnehmer geben einem immer wieder neue Impulse für die Arbeit.
Wie kommt Bartholomäus denn bei den Teilnehmern an?
Mit so einer positiven Resonanz haben wir gar nicht gerechnet. Wir sind jetzt im neunten Jahr und hatten bis jetzt knapp 3000 Gäste. Ich hoffe, das bleibt auch noch lange so. Wir versuchen natürlich auch immer durch neue Ideen, wie zum Beispiel einen Mini-Beamer, mit dem wir in der Dunkelheit Bilder an die Wände projizieren, die Führungen noch spannender zu machen.Viele Leute aus Burbach, die mitlaufen, sagen dann auch nach der Tour: Mensch hier war ich ja noch gar nicht. Das Angebot wird positiv angenommen, bis jetzt hat noch keiner gesagt, dass das alles Mist ist.
Die positiven Rückmeldungen bekommen sie doch auch wegen Ihres Gesangs ...
Ich bin zwar kein großer Sänger, aber ich gebe mein Bestes. Dabei handelt es sich auch eher um Sprechgesang. Es ist ganz wichtig, dass das Nachtwächterlied vorgetragen wird, dass macht die Sache auch authentisch.
Apropos Authentizität – die Kleidung gehört ja auch zum Nachtwächter.
Ja, die gehört definitiv dazu. Die haben wir aus dem Internet. Da gibt es einen Historienversand. Bei dem Umhang haben wir uns an Stichen und Bildern aus der alten Zeit orientiert. So muss er ausgesehen haben. Der Filz hält jedem Wetter stand. Auch wenn es in Strömen regnet, trage ich bei den Führungen keine Regenjacke. Der Umhang ist dicht und auch der Dreispitz-Hut, die Standardkopfbedeckung der damaligen Leute. Zum Erscheinungsbild gehören auch noch ein Signalhorn und die Hellebarde. Das ist eine Hieb-und Stichwaffe und wir mussten sie sogar registrieren. Die gehörte in der damaligen Zeit zur Standardausrüstung des Fußvolks. In den Kriegen konnte ein Soldat damit einen Reiter vom Pferd ziehen, und durch die hohe Hebewirkung war sie sogar panzerbrechend.
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