Siegen. . AfD-Politiker mit dem ersten umstrittenen Vortrag im Meinungsfreiheits-Seminar von Prof. Dieter Schönecker. Rektor Burckhart bezieht Stellung.

Das Fazit kommt von Prof. Dr. iur. Gerd Morgenthaler vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht. Es gebe sicher noch einiges zu tun in Sachen Dialog und Meinungsfreiheit, an der Uni und auch darüber hinaus, aber wichtig sei vor allem gewesen, den Vortrag in dieser Form durchzuziehen.

Zwei Stunden hat der AfD-Bundestagsabgeordnete und Philosoph Dr. Marc Jongen am Donnerstagnachmittag, 20. Dezember, an der Uni Siegen vorgetragen und einige Fragen beantwortet. Vor der Tür des Artur-Woll-Hauses stehen derweil einige Demonstranten im Nieselregen und skandieren unter anderem „Nazis raus“. Vorher haben sie schon Schilder hochgehalten, sich gegen Diskriminierung ausgesprochen und mit Seifenblasen ihr Bekenntnis zur Vielfalt in die Luft gepustet. Zeitweise wird das Seminar im ersten Stock auch von lauter Musik beschallt. „Sie hätten ja wenigstens Beethoven einspielen können“, findet der Redner und erzielt damit einen der wenigen Lacher unter den sehr zahlreichen kritischen Zuhörern.

Rektor bezieht Stellung

Bevor der AfD-Abgeordnete das Wort bekommen, muss der Rektor noch ans Mikro. Angesichts der großen Diskussionen um diesen Auftritt und den Thilo Sarrazins, der im Januar spricht, sei eine Stellungnahme notwendig, findet Univ.-Prof. Dr. Holger Burckhart. Für ihn stehe die Meinungsfreiheit des Artikel 5 Grundgesetz sehr hoch. Ein Freund-Feind-Bild hingegen laufe den Grundgedanken einer Universität zuwider. Er habe alles getan, um diese Veranstaltung zu ermöglichen. Seien in der Vergangenheit diverse Tabus aufgebrochen worden, würden heute neue aufgebaut, das dürfe aber nicht sein. Er habe selbst in seiner Familie die Probleme beim Dialog erlebt, „ein Großvater war Widerständler, der andere linientreuer Nazi; da müsse es in einem Seminar zum Thema Meinungsfreiheit doch Möglichkeiten geben, die Meinungen anderer zu hören.

Jongen: Parteistrategie gar nicht zu vermeiden

Den Vorwurf des Plenums, er habe seine philosophischen Thesen parteipolitisch gespickt, will der Referent nur bedingt gelten lassen. Er wäre nicht glaubhaft, würde er nicht auch die Haltung seiner Partei strategisch nutzen. Vor allem aber gehe es ihm um den Dialog, das Zuhören, sagt Jongen – und wird dabei immer wieder polemisch.

Meinungsfreiheit in Gefahr?

Genau darauf pocht anschließend auch der Referent, der über die Abgrenzung von der „Free Speech zur Hate-Speech“ spricht und universell über die seiner Ansicht nach sehr akute Bedrohung der Meinungsfreiheit in Deutschland philosophiert. Ausgerechnet mit den Mitteln der Aufklärung werde heute versucht, missliebige Ansichten und unbequeme Wahrheiten zu zensieren, deren Vertretern den Mund zu schließen. Auf den ersten Blick sinnvolle Gesetze bedürften des genaueren Hinsehens. Wer entscheide denn über die Inhalte von Facebook-Postings und über eine Hassrede? Manchmal sei der vermeintliche Hass nichts anderes als gerechter Zorn, findet Jongen. Und gerade die Psycho-Politik sei sehr wichtig. Die „Coolen“, die ohne Gefühle auskommen wollten, seien in Wirklichkeit Vertreter einer lethargischen Gesellschaft, die ihrer Führung ausgeliefert und psychisch ausgebrannt seien.

Zwischendurch gibt es immer wieder polemische Anspielungen, auf die angebliche „Grenzöffnung“ durch Angela Merkel, und auf deren Betitelung als „Führerin der freien Welt“ durch eine US-Zeitung. Die freie Welt brauche keine Führerin, sagt Jongen.