Siegen-Wittgenstein. . Für 2018 ist der Haushalt des Kreises Siegen-Wittgenstein mehr als ausgeglichen. Im Entwurf für 2019 stehen derzeit 3,8 Millionen Euro Defizit.
„Das Leben der Menschen Stück für Stück ein bisschen besser machen.“ Mit diesem Motto leitet Landrat Andreas Müller seine Kommentierung des Kreishaushalts für 2019 ein, der in den nächsten Wochen von den Ausschüssen und am 14. Dezember vom Kreistag beraten wird. Vor das hehre Ziel hat die Politik allerdings den Streit um die Niederungen der Zahlen gesetzt.
Allgemeines
Rund 3,8 Millionen Euro Defizit lässt Kreiskämmerer Thomas Damm in seinem Haushaltsentwurf stehen, den er über die – mit Krediten finanzierte – Ausgleichsrücklage abdeckt. Für den Haushalt des laufenden Jahres war dieses Loch mit 6,9 Millionen deutlich größer. „Der Konjunkturhimmel trübt sich ein“, warnt Damm und begründet so, warum der Kreis stattdessen Mehreinnahmen von den Städten und Gemeinden einplant: insgesamt 6,2 Millionen Euro mehr, ohne dass der Hebesatz für die Kreisumlage von jetzt 38 Prozent erhöht werden müsste. Denn die Steuereinnahmen der Kommunen, auf deren Grundlage die Abgabe an den Kreis berechnet wird, sprudeln.
Würde der Kreis seinen gesamten Geldbedarf von den Kommunen decken lassen und nicht die immer wieder geforderte „Aufgabenkritik“ üben, „würden wir über ganz andere Höhen sprechen“, sagt Landrat Müller. Auch dann, wenn der Kreis nicht „freiwillig“ Schülertickets kaufen und stattdessen den Nahverkehr direkt subventionieren würde, fügt Kämmerer Damm hinzu, der eigentlich einen auf 38,9 Prozent erhöhten Hebesatz für die Kreisumlage für „auskömmlich“ hält.
Umstrittene Ratenzahlung
Die Städte und Gemeinde
n beschweren sich nach wie vor, dass sie die Raten für die Kreisumlage monatlich bezahlen und dafür Kredite aufnehmen müssen, weil ihre eigenen Steuereinnahmen nur alle Vierteljahr auf ihr Konto gebucht werden.
„Das können wir überhaupt nicht verstehen“, sagt Kreiskämmerer Damm: Nur einmal habe jede Stadt im Januar eine Rate vorfinanziert, bereits im Folgemonat sei das durch die Quartals-Steuereinnahme wieder ausgeglichen worden. Wäre der Kreis dabei geblieben, vierteljährlich größere Beträge abzurufen, wären ihm dafür von der Bank Strafzinsen berechnet worden.
Landrat und Kämmerer ärgern sich über den Vorwurf der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der Kreis rechne zu großzügig zu Lasten der Kommunen. Die Verbesserungen von 42,1 Millionen Euro in zehn Jahren entsprächen einer Abweichung von 1,1 Prozent.“ „Das nenne ich fast eine Punktlandung“, meint Müller. Dagegen hätten die Kommunen Prognosen ihrer eigenen Haushalte um 3,1 Prozent überboten — in positiver Richtung. Die aktuelle Entwicklung dürfte indes wieder Wasser auf den Mühlen der Kritiker aus den Rathäusern sein: 6,9 Millionen Defizit waren vor einem Jahr in den Haushalt für 2018 eingeplant und somit Grundlage für die Berechnung der Kreisumlage. In dem „Eckpunktepapier“, das im August aus dem Kreishaus versandt wurde, wurde die Prognose auf 3,7 Millionen Euro Defizit verbessert. Im Etatentwurf 2019 erscheint der Haushalt 2018 mit einem Überschuss von 72.000 Euro nun mehr als ausgeglichen.
Besonderes
- Sozialausgaben: „Der Kreishaushalt ist ein Sozialhaushalt“, sagt Landrat Andreas Müller. Sozialleistungen machten 70,1 Prozent des Haushalts aus, sie überstiegen die Summe der Einnahmen aus Kreisumlage und Schlüsselzuweisungen des Landes. Die jährlichen Steigerungsraten lägen bei elf Prozent, sagt Müller, „es ist völlig unmöglich, das irgendwo aufzufangen.“ Neben den Kitas – wir berichteten in unserer Samstagsausgabe – spielen die Hilfen zur Erziehung eine wachsende Rolle. Die Zahl der Fälle von Kindeswohlgefährdung ist von 304 im Jahr 2012 auf 706 im Jahr 2017 gestiegen. Kämmerer Thomas Damm: „Kinder leiden heute weniger unter häuslicher Gewalt als unter Verwahrlosung.“
- Personal: Auf dem Papier hat die Verwaltung 7,5 Stellen weniger. Wenn allerdings die 19,5 Stellen herausgerechnet werden, die nach der Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Bad Berleburg gestrichen werden, ergibt sich ein Zuwachs – und damit auch eine Erklärung für 3,6 Millionen Euro mehr Personalkosten, verursacht durch Tariferhöhungen und neue Stellen in Ausländer-, Jugend- und Umweltamt.
- Investitionen: 10 Millionen Euro für die Kreisstraßen, unter anderem für die K 11 zwischen Salchendorf und Rudersdorf und den zweiten Bauabschnitt der Brauersdorfer Straße (K 32) in Netphen, außerdem für neue Notarzt- und Rettungswagen (2,6 Millionen), für die Deponien (1,2 Millionen)und die Sanierung der kreiseigenen Schulgebäude, also Berufskollegs, Lindenschule und Kreissporthalle (2,7 Millionen).
Projekte
Landrat Andreas Müller benennt Zukunftsaufgaben. Neben Klimaschutz, Rettungsdienst und Pflege sind das aus seiner Sicht:
- Breitbandausbau: Siegen-Wittgenstein wird Ende Mai 2019 erster Kreis in Deutschland mit flächendeckend schnellem Internet von mindestens 30 Mbit. Bis 2021 werden dann die letzten Lücken – zwei Prozent des Kreisgebiets – mit Glasfaser bis ins Haus versorgt, Jetzt, so Landrat Müller, stehe das 5-G-Mobilfunknetz an: „Da darf es keine Lücken geben.“
- Digitalisierung: „Strategieentwicklung“ steht auf dem Arbeitsprogramm für 2019. Eine gemeinsame Plattform bilden die Regiestelle Digitalisierung und Arbeitswelten des Kreises, das Zentrum für die Digitalisierung der Wirtschaft und das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 der Uni.
- Teilhabe: Zwei Millionen Euro Bundesmittel will der Kreis einsetzen, um 100 Langzeitarbeitslose in eine langfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. Grundlage dafür wird das neue Teilhabechancengesetz. Gesucht werden jetzt Unternehmen, die die geförderten Jobs einrichten. Landrat Müller: „Hier werden wir richtig etwas bewegen können.“