Siegen/Wilnsdorf. 54-Jährige hat einen lebensbedrohlichen Riss am Herzen und geht zum Hausarzt. Das löst eine Notfallkette aus. Eine Not-OP rettet ihr Leben.

„Wäre ich auf wen anders getroffen, dann hätte das anders ausgehen können“, sagt Birgit R. aus Wilgersdorf heute. Dann wäre sie jetzt tot. Herzversagen. Eine Geschichte über eine plötzliche Krankheit, angstgetriebene Entscheidungen, die nur allzu menschlich sind, und ein gut funktionierendes Ärztenetzwerk.

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Als Birgit R. im Januar aus dem Schlaf hochschreckt, ist ihr nicht klar, dass sie ein lebensbedrohliches Problem mit dem Herzen hat. Wie auch? Birgit R. ist sportlich, gesund und fit. Doch ein Sehnenfaden an ihrer Mitralklappe ist gerissen. Ihr Herz schafft es nicht, das Blut zu den Organen zu pumpen. Es fließt immer wieder zurück ins Herz. Sie kann nur schwer atmen. Doch anstatt ihren Mann zu wecken und ins Krankenhaus zu fahren, schweigt Birgit R. und legt sich wieder hin.

Erster Weg führt zum Hausarzt

Ihr Sohn bringt sie am nächsten Morgen zum Hausarzt Dr. Günter Loibl in Wilnsdorf. Heute sagt sie: „Ich hatte das Gefühl, etwas stimmt nicht.“ Doch ins Krankenhaus möchte sie nicht. Das wäre doch übertrieben. Oder? So schlimm wird es schon nicht sein. Dr. Loibl hört sie ab. Das Herz klingt nicht gut. Er will den Notarzt rufen; ab ins Krankenhaus. „Ich hatte Panik. Ich konnte mir nicht vorstellen, was das bedeuten soll“, sagt die 54-Jährige. Birgit R. verneint, will zum Facharzt. Hauptsache ambulant. Kurzer Abstecher nach Hause, Tasche packen. „Ich wollte nur nach Hause“, sagt sie.

So funktioniert eine gesunde Mitralklappe

Das menschliche Herz hat insgesamt vier Klappen. Die Mitralklappe befindet sich auf der linken Seite des Herzens zwischen linker Herzkammer und linkem Vorhof.

Die Mitralklappe besteht aus einem vorderen und einem hinteren Segel, die über Sehnenfäden und Papillarmuskeln geöffnet werden. Einer dieser Sehnenfäden ist bei Birgit R. gerissen.

Die Klappe funktioniert wie ein Ventil und öffnet sich in der Füllungsphase der linken Herzkammer. Dadurch wird der Einstrom von Blut aus dem Vorhof ermöglicht. Wenn die Klappe schließt, pumpt die linke Herzkammer Blut in alle Organe des Körpers. Bei Birgit R. funktionierte das nicht – ihr Blut lief immer zurück, das Herz drohte zu überlasten.

Birgit R. landet bei Dr. Ulrich Overhoff in Siegen. Er ist spezialisiert auf Kardiologie. Untersuchung. Ultraschall. „Sie war vital akut gefährdet“, sagt Dr. Overhoff. Die Situation ist wirklich ernst und eigentlich wäre ein Notarztwagen die richtige Wahl, doch der Fachmann spürt die Unsicherheit seiner Patientin. „Wir mussten alles vorsichtig, aber klar und zügig in die Wege leiten“, sagt er. Wäre die 54-Jährige in Panik verfallen, hätte das die Situation verschlimmert. Im schlimmsten Fall, sagt Birgit R. heute, wäre sie einfach unter Schock nach Hause gefahren. Überfordert. „Es ging von null auf Eskalation“, erinnert sie sich. Dr. Overhoff alarmiert seine Kollegen im St. Marien-Krankenhaus. Er entscheidet, dass es vertretbar ist, die Patientin von ihrem Ehemann ins Krankenhaus fahren zu lassen. Das gibt Sicherheit.

Notfallkette läuft im Hintergrund

Derweil sind Chefarzt Prof. Dr. Michael Buerke und seine Kollegen bereit. EKG, Herzuntersuchung. Eine sogenannte Schluckuntersuchung unter Sedierung erfolgt. „Das ist ein Ultraschall über die Speiseröhre“, erklärt Dr. Overhoff. So kommen 3D-Bilder vom Herzen zustande. Der Befund: „Eine hochgradige Undichtigkeit der Mitralklappe“, sagt Prof. Buerke. Lebensbedrohlich. Und die Untersuchung hat die ohnehin schon starke Luftnot verschlimmert, weiß Buerke. „Da ging es um die Wurst.“ Die Patientin muss jetzt beatmet werden. „Ich weiß nichts mehr von der Untersuchung“, sagt Birgit R. und ergänzt: „Ich habe nur gedacht: Hoffentlich siehst du deinen Mann wieder.“

Das Ärzteteam im Krankenhaus merkt schnell, dass hier Spezialisten gefragt sind. Im Hintergrund alarmieren sie eine Spezialklinik in Bad Nauheim. In wenigen Minuten steht ein Intensivtransporter bereit. „Auch ein Hubschrauber wäre denkbar gewesen“, sagt Dr. Overhoff. In Bad Nauheim geht alles sehr schnell. Eine Not-OP rettet das Leben der Wilgersdorferin. Sie erholt sich schnell, macht eine Reha.

Zweiter Geburtstag im Januar

Und wie geht es ihr heute? „Ein bisschen weniger geht auch“, sagt Birgit R., die gerne viel Rad fährt. Ihre Angst vorm Krankenhaus hat sie verloren, den Puls immer im Blick. „Ich empfinde eine große Dankbarkeit. Ich weiß, wenn Not am Mann ist, wird schnell gehandelt.“ Irgendwie trotz allem eine positive Erfahrung. Und im Januar will Birgit R. ordentlich feiern – nämlich ihren zweiten Geburtstag.

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