Siegen-Wittgenstein. Betreuungsbehörde Siegen-Wittgenstein klärt auf: Auch damit Angehörige nach dem Tod eines Verwandten weniger Stress haben, ist Vorsorge wichtig.

Endlich volljährig, endlich alle Freiheiten. Doch was viele Menschen dabei vergessen: Mit der Volljährigkeit kommt die Verantwortung für das eigene Leben. „Ab 18 Jahre hat man die Freiheit, alles selbst entscheiden zu können – aber auch zu müssen“, sagt Frank Klöckner. Er ist Leiter der Betreuungsbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein und berät Menschen in puncto Vorsorge, Vollmachten und Verfügungen.

Die Notwenigkeit

Vor allem jüngere Menschen machen sich keine Gedanken darum, weiß der Experte. „Das ist kein leichtes Thema. Man muss über das Ende des Lebens reden.“ Doch ein Unfall oder eine plötzliche Krankheit können das Leben schnell ändern und Betroffene im schlimmsten Fall handlungsunfähig machen.

Damit Angehörige dann die Entscheidungslast genommen wird, sollte jeder bereits in gesunden Tagen vorsorgen und für sich selbst entscheiden, rät der Experte.

Wenn ich mich nicht kümmere: Was passiert dann?

„Niemand wird allein gelassen“, sagt Frank Klöckner. Aber: Wer sich nicht selbst im Vorfeld kümmert und es beispielsweise aufgrund einer Krankheit im Ernstfall nicht mehr kann, für den wird ein Betreuungserfahren eröffnet. Das ist bürokratisch und läuft über ein Gericht. Viele Menschen versuchen, diesen Schritt zu vermeiden. Das Gericht kann einen rechtlichen Betreuer anordnen. Dieser kann ein Angehöriger, ein Ehrenamtler oder – wenn niemand anderes kann oder möchte – ein Berufsbetreuer sein.

„Viele haben Angst, dass ein Fremder kommt“, sagt Klöckner. 3500 Menschen haben im Kreisgebiet einen Betreuer; 80 rechtliche Betreuer gibt es – meist kümmern sich Angehörige. „Man muss davor keine Angst haben.“ Wenn Angehörige weit weg leben oder das Familienverhältnis zerrüttet ist, dann „kommt eben ein Fremder“. Betreuer seien meist Sozialpädagogen, Juristen oder stammen aus dem kaufmännischen Bereich. Einen offiziellen Beruf gebe es nicht, um Betreuer aus den eigenen Familien nicht auszuschließen. Die Betreuer recherchieren und versuchen stets im Sinne des Betroffenen zu entscheiden, sagt Klöckner. Sie werden vom Gericht kontrolliert.

Die Dokumente

Frank Klöckner gibt einen Überblick über die Optionen: Die Vorsorgevollmacht: Damit bestimmt eine Person ihre rechtliche Vertretung – für den Fall, dass sie selbst nicht mehr geschäftsfähig ist. Ein Beispiel: Liegt der Ehemann im Krankenhaus und Rechnungen flattern ins Haus, die an ihn adressiert sind, macht sich die Ehefrau strafbar, wenn sie die Briefe öffnet. Mit einer Vollmacht bekommt die Frau die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen für ihren Mann zu treffen. Gesundheit, Pflege, Aufenthaltsbestimmung, Behördenangelegenheiten, Vermögenssorge und Postverkehr gehören dazu. Früher gab es Generalvollmachten, heute muss der Text mit den Wünschen des Betroffenen sehr genau formuliert sein und regelmäßig an die aktuelle Gesetzgebung angepasst werden. Beide Personen unterschreiben das Papier dann.

Die Betreuungsverfügung: In der Betreuungsverfügung wird festgelegt, wer für die Betreuung zuständig sein soll, wenn eine Betreuung nötig wird. Oft, so Klöckner, würden Menschen vermerken, wer nicht zuständig sein soll. „Bei Geld hört die Romantik auf. Das ist gruselig, aber in jeder Familie so.“

Die Patientenverfügung: Bei dieser Verfügung geht es um ethische Fragen. „Hier lege ich fest, wie ich behandelt werden möchte, wenn ich krank bin“, erklärt Klöckner. Meist würden Menschen dabei angeben, dass sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünschen. Doch eine solche Verfügung sei viel weitreichender und sehr komplex. Ein Beispiel: Wünscht jemand keine lebenserhaltenden Maßnahmen, scheidet er gleichzeitig als Organspender aus. „Viele Vordrucke dazu sind schlimm. Die Menschen wissen gar nicht, was das bedeutet.“ Deshalb empfiehlt der Experte, die Wünsche mit dem Hausarzt zu besprechen. Textbausteine vom Bundesjustizministerium könnten dann dabei helfen, eine persönliche Verfügung zu erstellen. Wichtig dabei: Datum, Name, Unterschrift und der Begriff „Patientenverfügung“ müssen auf dem Dokument stehen. Das Papier umfasst den Willen des Betroffenen und dient Betreuern oder Bevollmächtigten als Leitlinie. „Man überträgt die Last auf das Papier und kann so Zweifel ausbürsten“, sagt Klöckner mit Blick auf die Angehörigen.

Die Betreuungsanregung: Auch für Dritte gibt es die Möglichkeit, eine Betreuung für eine Person zu veranlassen. Bemerkt man beispielsweise, dass der alleinstehende Nachbar merkbar abgebaut hat und Hilfe benötigt, kann man eine sogenannte Betreuungsanregung ausfüllen. Dieses Dokument wird an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet. Das Betreuungsgericht prüft dann, ob die betroffene Person der Hilfe eines gesetzlichen Vertreters bedarf und bestellt gegebenenfalls einen Betreuer. „Natürlich sollte vorher das Gespräch mit dem Betroffenen gesucht werden. Es geht dabei nicht darum, dass der Nachbar seine Hecke nicht geschnitten hat“, mahnt Frank Klöckner. Eine Betreuungsanregung kann vom Antragssteller nicht zurückgezogen werden und kann für den Betroffenen einen entscheidenden Einschnitt ins Leben bedeuten.

Das Testament: Dazu rät Frank Klöckner, einen Anwalt oder Notar zu kontaktieren, um sich rechtlich abzusichern. Diese können auch in Erbfragen beraten und die passenden Dokumente aufsetzen.

Die Konsequenz

Beratungen bei der Betreuungsbehörde dauern im Schnitt eine Stunde, da das Thema sehr persönlich und umfassend ist. „Das ist nicht so leicht rückgängig zu machen“, sagt Frank Klöckner. Wer eine Vollmacht ausfüllt, sollte eine Person des Vertrauens auswählen. „Es sollte eine Person sein, der man anvertraut, dass sie alle Dinge für einen regelt. Das ist eine große Verantwortung.“ Klöckner weist darauf hin, dass bei einer Vorsorgevollmacht die bevollmächtigte Person haftet. „Auch mit dem Privatvermögen.“ Wichtig sei, dass sich die Betroffenen vorab gut miteinander unterhalten. Vordrucke sollen den Umgang mit dem Thema vereinfachen. Sind die Dokumente von beiden Parteien – Vollmachtgeber und bevollmächtiger Person – unterschrieben, sind sie ab sofort gültig. Klöckner und seine Kollegen können diese Dokumente zusätzlich beglaubigen.

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