Kaan-Marienborn. . Mit seiner Firma Outline Development setzt der Siegener Spieleentwickler Tobias Müller bekannte Brettspiele für die digitale Nutzung um.
„Noch Mal!“ hält, was es verspricht. Das Spiel macht quasi süchtig, ist beliebt bei Kritikern und Kunden und basiert auf dem einfachen Kombinationsprinzip von Farb- und Zahlenwürfeln, mit deren Hilfe farbige Kästchen gefüllt werden müssen. Klingt kompliziert, hat man aber nach drei Spielzügen verstanden. „Noch Mal!“ gibt es nicht nur analog als Brettspiel zu kaufen, sondern auch als App: Die hat der Siegener Spieleentwickler Tobias Müller mit seiner Firma Outline Development programmiert.
Der Entwickler
Tobias Müller hat sich immer schon für Brettspiele interessiert. In seinen Geschäftsräumen an der Kaan-Marienborner Hauptstraße türmen sich die bunten Pappschachteln nur so, „das Spiel des Jahres ist ein Pflichtkauf“, sagt er. Regelmäßig trifft er sich mit Freunden zum Spielen. In den meisten Fällen geht Müller auf die Verlage zu und bietet ihnen an, in Lizenz deren Brettspiele fürs Smartphone umzusetzen. Stimmen die zu, braucht er zwei bis drei Monate, bis die App fertig ist, je nach Support. „Wenn man einmal den Fuß in der Tür hat, weil ein Spiel erfolgreich umgesetzt wurde, ist es natürlich leichter, an neue Lizenzen heranzukommen“, sagt Müller. Für die Branchenriesen Ravensburger und Schmidt Spiele hat er bereits Apps entwickelt. Müller ist „Einzelkämpfer“, seine Frau und seine Mutter unterstützen ihn bei der Büroarbeit – und natürlich sind es Familie und Freunde, die quasi als „Spieletester“ nach neuen Ideen für Outline Development suchen. Sein erster komplett selbst entwickelter Titel: Ein CD ROM-Adventskalender für Aldi, jedes Türchen ein Spiel. In 14 Tagen wurden 300.000 Einheiten verkauft, der Discounter machte Millionenumsatz.
Der Markt
Die Brettspielbranche wächst seit Jahren. Die großen Verlage zögerten lange mit der Digitalisierung ihrer Produkte, so Müller. Eines der ersten Spiele, das er umgesetzt hat, war „Café International“, zuerst für PC, dann Mac, später iOS und Android. In Deutschland verkaufte sich das gut – Probleme gab es auf dem internationalen Markt: Die Spielcharaktere sind teils stark überzeichnet, so Müller, in manchen Ländern kam das nicht gut an. „Ich habe auch mal ein Spiel mit Indianern gemacht“, erzählt er, die Frauen hießen „Squaw“. Auch das kam in den USA nicht gut an: Dort ist der Begriff negativ besetzt. Müller programmiert die Spiele auf Deutsch und Englisch; weitere Sprachen hängen davon ab, wo ein Titel beliebt ist.
Outline Development: Einer der ältesten Spieleentwickler in Deutschland
Outline Development gibt es schon seit 23 Jahren. „Es gibt in Deutschland nur eine Handvoll, die länger dabei sind als ich“, sagt Tobias Müller, der sich das Programmieren selbst beigebracht und einen Ausbilderschein für Mediengestaltung hat. Angefangen hat er mit Messe- und Industriepräsentationen: Unternehmen probierten mit den ersten Touchscreens herum, wollten ihre Messestände aufmotzen und suchten jemanden, der das für sie entwickeln konnte.
Zu den Spielen kam Müller über Umwege: Walter Steinberg verkaufte damals über den Geschenkartikelladen von Udo Richter am Kölner Tor seine Plüschtiere und wünschte sich, dass die Tiere in einem Spiel auftreten. Tobias Müller dachte: Wenn er „ernsthafte“ Dinge programmieren kann, dann kann er auch ein Spiel entwickeln. Darüber kamen auch Firmen auf die Idee, dass die Leute länger an ihrem Messestand bleiben, wenn sie sich spielerisch beschäftigen können.
Die Spieleboxen von früher, zumindest Familienspiele, werden kaum noch gekauft, Smartphone-Spiele, zunächst eine Nische für Outline Development, bot Gelegenheit zur Profilierung. Einerseits bietet die Distribution über die weltweiten Appstores gute Möglichkeiten, weil jeder eine gute Idee international anbieten kann – aber das geht häufig in der Masse unter. Müller kooperiert dazu mit den Spieleverlagen, für die er mit Lizenz arbeitet, entsprechend erhöht sich die Aufmerksamkeit für seine Produkte. Wenn im Spiel des Jahres ein Flyer beiliegt, der auf eines seiner Spiele verweist, hat das Vorteile.
Die Spiele
„Es soll dem Original möglichst nahekommen“, sagt Müller. Verlage und Autoren beteiligen sich oft am Entwicklungsprozess, stellen etwa die nötigen Grafiken zur Verfügung und achten darauf, dass das Spiel seinen Charakter behält. Größte Herausforderung: Ein Spiel alleine spielbar machen. Bei den erfolgreichen „Roll and Rides“, Kompaktspielen, die meist aus Würfeln, Karten und Zettelblocks bestehen, gibt es häufig Solitärvarianten, sagt Müller: Allein aufgrund des Spielprinzips sind sie gut allein spielbar. So etwas wie das Urgestein dieses Genres ist „Qwixx“ – nach wie vor ein Lieblingsspiel Tobias Müllers –, das er auch als App programmiert hat. Glück ist oft wichtiger als Taktik und Strategie eines Gegners, das erleichtert die Programmierung.
Eine weitere Herausforderung: Das Spiel muss gut auf allen möglichen Bildschirmformaten gut aussehen. 4:3, 16:9, manche Tablets haben 10:9, es muss in Hoch- und Querformat funktionieren.
Die Spieler
Viele Kunden kommen über die App zum Spiel, sagt Müller. Als App sind die Spiele keine Konkurrenz fürs „Brett“, im Gegenteil: Kunden kaufen die digitale Version, um zu testen und wenn es gefällt, wird auch analog gekauft. Aber es funktioniert auch andersherum: Mag ein Kunde ein Spiel sehr, hat aber nicht immer Mitspieler zur Hand, ist die App mit Einzelspieler-Modus eine Alternative für zwischendurch. Für Fans dienen die Digitalvarianten durchaus auch als „Trainingslager“: Sie spielen auf dem Handy, um Taktik und Erfahrung zu verbessern, was ihnen dann in der nächsten Spielerunde mit Familie oder Freunden zugute kommt. Bei „Noch Mal!“, das analog durchaus bis zu 30 Minuten dauern kann, ist eine digitale Runde meist in ein paar Minuten durch. „Man spielt anders“, sagt Müller und hat selbst die Erfahrung gemacht: Durch die digitale Variante ist er besser im analogen Spiel geworden
Nächste Herausforderung: Das Spiel des Jahres 2018, „Azul“. „Ein tolles Spiel“, sagt Tobias Müller. „Das könnte was für mich sein.“