Vormwald. . Im Erdgeschoss seines Fachwerkhauses stellt der ehemalige Bürgermeister Hilchenbachs Gins und Absinthe, Geiste und Liköre her.
Mehr als 6000 Flaschen hat Hans-Peter Hasenstab inzwischen mit dem Vierhasen-Etikett versehen und von Hand beschriftet. Im Verkaufs- und Probierraum, den er im Erdgeschoss seines Fachwerkhauses an der Dorfstraße eingerichtet hat, steht der aktuelle Vorrat seiner Gins und Absinthe, Geiste und Liköre. An der Wand Urkunden von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz: für den Waldhimbeergeist 2016 und 2018, für den Cassisgeist 2017. Und dafür, dass die Vierhasen-Brennerei zu den „Top Ten der besten Brennereien der Regionen Koblenz und Trier“ gehört.
Der Anfang vom Ausstieg
Oder: Wie Hans-Peter Hasenstab einen neuen Weg einschlägt
Man erinnert sich. März 2015, ein halbes Jahr vor der Bürgermeisterwahl. Im Rathaus stellt Hans-Peter Hasenstab ein Schnapsglas auf den Tisch. Verrät, dass er Urlaub und Wochenenden in den letzten Monaten für Ausbildungen in Offenburg und Weihenstephan genutzt hat und jetzt Edelbrand-Sommelier und staatlich geprüfte Fachkraft für Brennereiwesen ist. Bürgermeister? Nicht mehr für eine dritte Amtszeit, sagt er und überrascht damit sogar noch ein paar Menschen aus dem inneren Kreis der Kommunalpolitik, die nicht mitbekommen hatten, dass da etwas im Busch war. Hochprozentiges mit Geschmack. Wobei: Der Gin hat 40, Hasenstab hatte 77 Prozent, bei seiner Wiederwahl 2009.
Die Trennung
Oder: Wie der Bürgermeister einen Schlussstrich zieht
„Es ist schon ganz nett, da mit dabei zu sein.“ Nein, nichts Politisches und nichts Städtisches. Hasenstab deutet auf das Standardwerk „Deutscher Gin“, in dem seine „Nr.1“ besprochen wird. Und auf „99 x Craft Spirits“, in dem der Vierhasen-Frühlingskräutergeist zu den „besten Spirituosen, die man probiert haben muss“, gezählt wird. Der 58-Jährige hat den Strich gezogen: nicht nur, dass er sich aus der Hilchenbacher Politik heraushält, sogar mit Meinungsäußerungen. Selbst bei der Bürgerstiftung, an deren Spitze er sich noch im Amt hatte wählen lassen, um sein Bekenntnis zum Kulturellen Marktplatz zu untermauern, schweigt er, sobald es brisant werden könnte – das übernimmt dann der Stellvertreter. Was die Leute über ihn sagen sollen? „Der Bürgermeister war in Ordnung. Aber was er danach gemacht hat, war noch besser.“
Die Verwandlung
Oder: Wie viel Phantasie edle Geiste vertragen
In die 99er Auswahl der Spitzenschnäpse aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien ist er mit Frühlingskräutern gekommen: Petersilie, Schnittlauch, Pimpinelle, Dill, Borretsch, Sauerampfer, Kerbel, Kresse. Ja, das ist ein Geist der Grünen Soße, den der Hesse und Wahl-Hilchenbacher in der Vormwälder Exklave der „Rheinischen und saarländischen Klein- und Obstbrenner“ kreiert hat. „Es bewegt sich etwas“, sagt Hans-Peter Hasenstab, „das macht am meisten Spaß.“ Nach Jahrzehnten in der Bürokratie, die nichts unreguliert lässt, klinkt sich der Verwaltungsbeamte aus und lässt der Phantasie freien Lauf.
Besucher sind willkommen
Produkte der Vierhasen-Brennerei gibt es direkt beim Erzeuger in der Dorfstraße 8 in Vormwald, außerdem in der Metzgerei Schmitt in Hilchenbach.
Geöffnet ist die Brennerei dienstags und donnerstags von 17.15 bis 19.15 Uhr sowie mittwochs und samstags von 11.15 bis 13.15 Uhr.
Besichtigungen und Verkostungen nach Absprache kostenfrei möglich: 02733/81 43 18, www.vierhasen.de
Ziemlich am Anfang war die Sache mit dem Korb. Dem Aromakorb, den er zum Schluss des Brennprozesses zwischenschaltet und durch den er den Dampf aus der Brennblase leitet, bevor der zu Destillat kondensiert. Das macht sonst keiner, und das baut auch sonst keiner — um die Konstruktion bei dem Anlagenbauer im Schwarzwald durchzusetzen, hatte es noch einmal der Beharrlichkeit bedurft, die Kommunalbeamten gemeinhin zugeschrieben wird. „Irgendwann waren wir dann so weit.“
Das mit dem Korb sei „genial“, sagt Hasenstab in aller Unbescheidenheit; schließlich hat er nichts anderes als einen französischen Anisateur aus dem 19. Jahrhundert nachbauen lassen. Anders Bilgram brennt in Dänemark Gin aus Rosenblättern — mit dem Aromakorb, den er sich bei einem Besuch in Vormwald abgeguckt hat, spart er die Hälfte an (ver)blühendem Material.
Entscheidend ist, was in den Korb reinkommt. Nicht nur grüne Soße. Westindisches Lemongras. Ananas. Banane. Mango. „Wir haben in der Szene richtig gute Lieferanten.“ Wo es geht, bedient sich Hasenstab in der Region. Vogelbeeren von der Eberesche erntet er in Vormwald oder Fellinghausen, jede einzelne Beere holt er von der Rispe. Löwenzahn ist auch gut, „die Blüte ohne den Kelch“. Oder die Aroniabeere, „die habe ich in Dreis-Tiefenbach entdeckt“. Grundalkohol und die mazerierten (laienhaft: eingelegten) Früchte kommen in die Blase, eine weitere Charge in den Korb. Zucker braucht er dann nicht mehr, Wacholder für den Gin natürlich auf jeden Fall. „Jeder Brennvorgang ist anders.“ Was in einer Verwaltung, übertragen auf einen aktenkundigen Vorgang, nun aber keinesfalls passieren dürfte.
„Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt“, freut sich Hans-Peter Hasenstab, der sich bemüht, andere mit zu begeistern. Nicht nur die Besucher der kleinen Brennerei oder der Verkostungs-Erzählabende, die er mit der Hilchenbacher Buchhändlerin Eva-Maria Graß („Bücher buy Eva“) plant. Sondern auch die Kollegen der Lebensmittelbranche. Markus Podzimek, der Konditor des Siegener Naschwerks, hat Pralinen mit Gin, Himbeer- und Cassisgeisten geimpft. Die „Röstwelt“ in Mudersbach hat er für Experimente mit Vanille, Haselnuss und Kaffee gewonnen. Und den Kreuztaler Metzger Bingener für eine Gin-Salami. „Die schmeckt prima.“
Das Fazit
Oder: Warum sich das Ganze lohnt
Wächst das Unternehmen? „Es soll so bleiben, wie es ist“, sagt Hasenstab, für den der Ein-Mann-Betrieb ebenso Liebhaberei wie Vollzeitjob geworden ist, zumal von den Jungen unter den vier „Hasen“ nur noch einer als potenzieller Mithelfer im Haus ist. Und der habe „trotz Taschengeldaufbesserung, schnell die Lust verloren“, bedauert der Vater. „Ich bin hier glücklich und zufrieden“, sagt Hans-Peter Hasenstab. Nicht ohne doch noch den in die Sprühdose transferierten Grüne-Soße-Gin und den Geist aus Pfifferlingen vorzustellen. „Schon etwas abgefahren“ sei das. Sagt er.