Siegen. . Schweigend ziehen etwa 100 Demonstranten durch die Siegener Innenstadt, um auf die Opfer des modernen Menschenhandels aufmerksam zu machen.

Leonie Schäfer (25) und Ida Marie Henrichs (24) wählten an diesem sonnigen Samstagvormittag eine unkonventionelle Methode, um gegen die moderne Sklaverei zu demonstrieren. Nicht etwa mit großen Reden und Schlachtrufen zogen die beiden Studentinnen zusammen mit rund 100 weiteren Unterstützern durch die Siegener Unter- und Oberstadt. Vielmehr reihten sich die in schwarz gekleideten Demonstranten hintereinander auf und marschierten schweigend als menschliche Schlange vom Apollo-Theater zum Unteren Schloss.

Der Gedanke verbreitet sich

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„Dieser Schweigemarsch war ein Zeichen dafür, dass die Opfer von Menschenhandel oft nicht gehört werden, darüber wollten wir die Öffentlichkeit so umfassend wie möglich informieren“, erklärt Schäfer die ungewöhnliche Ausdrucksform. Insgesamt eineinhalb Stunden läuft die Gruppe durch Siegen, während Helfer zwischendurch den Passanten Flyer in die Hand drücken.

An besonderen Plätzen wie dem Bahnhof oder dem Wochenmarkt an der Marienkirche harrt die menschliche Schlange um Schäfer einige Minuten aus, das Zeichen gegen Menschen- und Organhandel sowie weitere Formen der Ausbeutung soll sich „im besten Fall“, wie es Henrichs ausdrückt, „so weit wie möglich verbreiten“.

Zeitgleich in 15 deutschen Städten

Dieser Gedanke funktioniert, Passanten und spontane Begleiter des Marsches machen Videos und Bilder mit dem Smartphone, die auf Sozialen Netzwerken geteilt werden sollen – „macht das unter dem Hashtag ‘walkforfreedom‘, dann verbreitet sich unsere Botschaft noch weiter“, fordert Henrichs fortwährend auf.

Denn zeitgleich findet der Marsch, dessen Grundidee von der Organisation ‚A21‘ stammt, weltweit in 450 und deutschlandweit in 15 Städten statt. Die Adressaten dieses Zeichens sind klar, doch wer sind die Unterstützer? Die Cheforganisatorinnen Schäfer und Henrichs machten in ihrem Leben bereits Praktika im Bereich der Frauenhilfe bzw. der Prostituiertenhilfe.

Menschenhandel in Siegen

© Mark Simon Wolf

Als dann vor rund einem halben Jahr der Chef sowie weitere Mitarbeiter eines international operierenden Ring des Menschenhandels in Siegen verhaftet wurden, wollten die beiden Aktivistinnen ein Zeichen setzen: „Uns ist wichtig, dass die Menschen wahrnehmen, dass kriminelle Machenschaften wie Menschenhandel oder Zwangsprostitution auch vor Ort in Siegen geschehen“, erklärt Schäfer.

Auch die drei Freundinnen Janika Will (26), Debora Klaas (22) und Priscilla Ehrhardt (23) laufen an diesem Tag den Schweigemarsch: „Vor diesem Thema werden viel zu oft die Augen verschlossen“, moniert die jüngste des Trios, Debora Klaas lobt das Konzept: „Normalerweise ist Lautstärke das probate Mittel für Aufmerksamkeit, aber hier bietet sich das Schweigen an, da es symbolisiert, dass die Öffentlichkeit die meisten Opfer gar nicht wahrnimmt.“

Ein Drittel Männer

Insgesamt dominieren im Teilnehmerfeld der Demonstration die Frauen, doch rund ein Drittel der Demonstranten sind männlich. Andreas Graf aus Wilnsdorf (42) ist einer von ihnen, der „für die Gerechtigkeit aufstehen möchte“. „Die meisten Menschen hier sind überzeugte Christen, die an Gerechtigkeit und Freiheit für alle Menschen glauben, insofern ist dieser Marsch eine gute Gelegenheit“, führt der Geschäftsführer eines Unternehmens in Haiger weiter aus.

Als sich der schwarze Pulk um 13 Uhr auf dem Vorplatz des Unteren Schlosses versammelt hat, ist Leonie Schäfer überwältigt: „Das war der absolute Wahnsinn“, ruft die 25-Jährige in die jubelnde Menge. Das eineinhalbstündige Schweigen war an diesem Samstagvormittag pures Gold.