Siegen. . Stadtrat Arne Fries gegen Kameras im öffentlichen Raum und für Prävention: „Siegen kein Kriminalitätsschwerpunkt.“ Gleichwohl gebe es Straftaten.

Eine Videoüberwachung des öffentlichen Raums wird in der Diskussion um die Sicherheit in der Stadt immer wieder gefordert. Ihr sind zum einen enge Grenzen gesteckt – und zum anderen seien Kameras wenig sinnvoll, so Beigeordneter Arne Fries, im Rathaus unter anderem zuständig für Sicherheit und Ordnung.

Wie ist die rechtliche Situation?

Zuallererst: Die Stadt ist nicht zuständig. Laut NRW-Polizeigesetz kann nur die Polizei „optisch-technische Mittel zur Datenerhebung “ einsetzen – in rechtlich sehr engen Grenzen. Es muss sich um einen Kriminalitätsschwerpunkt handeln, erklärt Fries, ein Ort also, an dem wiederholt Straftaten begangen werden. Dieser Ort muss so beschaffen sein, dass er das Begehen von Straftaten begünstigt und es müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass weitere Straftaten begangen werden.

Geschäfte oder Institutionen können ihre Räumlichkeiten überwachen, so wie das jeder Hauseigentümer mit seinem Grundstück tun kann. Aber der öffentliche Raum darf nicht erfasst werden, das Recht auf Datenschutz überwiegt. Es sei denn, es liegt tatsächlich ein Kriminalitätsschwerpunkt vor. Und dann auch nur ein Jahr lang, dann muss neu geprüft werden, ob die Voraussetzungen noch gegeben sind.

Gibt es in Siegen einen Kriminalitätsschwerpunkt?

Nein. „Es werden leider Straftaten begangen“, sagt Arne Fries, auch Gewaltdelikte – aber nicht an einem Ort konzentriert, sondern über einen größeren Bereich verstreut und auch nicht gehäuft. Das hat die Kreispolizeibehörde insbesondere für die Siegener Unterstadt untersucht – unter den genannten Kriterien kann dort von einem Kriminalitätsschwerpunkt keine Rede sein.

„Nochmal: Ja, es gibt leider Straftaten“, sagt Fries, der sich dagegen wehrt, das Thema angeblich nicht ernst zu nehmen. Aber es sei eben nicht eine einzige Stelle identifizierbar, an der regelmäßig Straftaten begangen werden. „Wenn es diese Orte gäbe, würde ich Kameras nicht nur für zweckmäßig halten, sondern sie mir auch wünschen.“ Aber es gibt sie eben nicht, die Analyse der Polizei sei da eindeutig. „Siegen ist Großstadt, Siegen ist auch eine schöne Stadt. Viele Menschen werden angezogen; die, die Gutes und leider auch die, die Schlechtes im Sinn haben.“ Für eng begrenzte Orte sind die Hürden schon hoch – für die gesamte Unterstadt sind sie es noch mehr. Zudem ist es schwer, dann eine Grenze zu ziehen: Müssten dann nicht auch Wohngebiete überwacht werden?

Die Sicherheits-Debatte

Die Diskussion um die angeblich gestiegene Kriminalität in Siegen kann Fries nicht nachvollziehen: „Im Vergleich zu den 90er Jahren ist es geradezu ruhig“, erinnert er an die damals präsenten Banden. Das Thema soll aber auch nicht verharmlost werden.

„Wenn Jugendliche am Siegufer nach 22 Uhr noch Musik hören, mit einer Kiste Bier einen lauen Herbstabend genießen, ist das doch erstmal nichts Schlechtes“, sagt Fries. Natürlich müsse darauf geachtet werden, dass die Anwohner keiner Lärmbelästigung ausgesetzt sind.

Grundsätzlich könne absolute Sicherheit nicht garantiert werden, „ich kann nicht negieren, dass es Gewalt auf der Welt gibt.“ Wer nachts durch eine Großstadt gehe, sollte zumindest vorsichtig sein. Auch wenn er sich wünsche, dass das nicht nötig wäre.


Sind Kameras überhaupt sinnvoll?

Zumindest verhindern sie keine Straftaten. Die Straftat kann aufgezeichnet werden und dient den Behörden bei der Ermittlung der Täter. In den vergangenen Monaten gab es drei schwerere Gewaltdelikte im Siegener Zentrum – und alle drei hat die Polizei auch ohne Videoüberwachung aufgeklärt. „Auch ein Grund, keine Kameras anzubringen“, sagt Arne Fries. Die Kamera greift nicht ein, sie verhindert keine Verbrechen, sie beugt ihnen nicht einmal vor: „In Städten, die eine partielle oder flächendeckende Videoüberwachung haben, ist die Zahl der Straftaten nicht gesunken“, sagt Fries. Paradoxerweise, das zeigten Untersuchungen, lassen sich Täter nicht von Kameras abschrecken. „London hat eine flächendeckende Überwachung“, sagt Fries. Präventiv gebracht habe es nichts.

Was wäre sinnvoller?

Mit ihrem Sicherheitskonzept setzten Stadt und Polizei auf Präsenz der Staatsgewalt, auf Kontrolle der Personalien, Platzverweise, Ansprachen. „Als Behörden Gesicht zeigen ist viel mehr wert als jede einzelne Videokamera“, sagt Fries. Und es habe ihm noch keiner vorrechnen können, dass eine Videoüberwachung günstiger sei, als Personaleinsatz. Die Verwaltung hat bereits die Ausleuchtung bestimmter Bereiche angepasst und die Luxzahl auf der Bahnhofstraße und am Kunstweg verdoppelt, „um mehr Licht in der Stadt zu haben“, Angsträume zu entschärfen, so Fries.

Was ist mit Kameras, die nicht aufzeichnen?

Technisch sind Systeme möglich, die Livebilder übertragen, die von Menschen rund um die Uhr überwacht werden müssten – und die den gleichen rechtlichen Beschränkungen unterliegen.

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