Siegen. Die Geschichte von Bonnie und Clyde wird zum Musical. Im Siegener Apollo-Theater präsentiert Musical!Kultur Daaden die opulenten Inszenierung.

„Klein“ ist ein Adjektiv, das für die Verantwortlichen von Musical!Kultur Daaden ein Fremdwort ist. Was sie anfassen, ist groß, riesengroß. Alleine, was die Bühnenbesetzung ihrer aktuellen Inszenierung angeht. Man zählt über 20 Schauspieler, ebenso viele Tänzerinnen und Tänzer, einen Chor und eine Band. Etwa 70 Akteure und, nicht zu vergessen, all die Tontechniker und Beleuchter hinter der Bühne.

Phänomen der Popkultur

Bonnie Parker und Clyde Barrow waren ein Gangsterpaar, das zwischen 1932 und 1934 im Mittleren Westen der USA kleine Banken, Lebensmittelgeschäfte und abgelegene Tankstellen ausraubte und dabei 14 Morde beging.

Die romantische Verklärung ihres Lebens verdanken sie vornehmlich ihrem Tod im Kugelhagel der Polizei.

Einem großen Publikum bekannt wurden sie vor allem durch den Hollywood-Film „Bonnie and Clyde“ mit Warren Beatty und Faye Dunaway. Die Toten Hosen haben dem Pärchen einen Song gewidmet.

Musical!Kultur Daaden führt „Bonnie & Clyde“ im Apollo-Theater bis zum 22. Oktober insgesamt 13 Mal auf. Termine: www.apollosiegen.de

Mehr als vier Tonnen Stahl wurden allein für das Kulissengerüst mit Höhenelementen verbaut, das ein Bühnenspektakel auf zwei Ebenen ermöglicht. Nicht nur einmal geraten die Zuschauer im fast vollen Apollo-Theater am Tag nach der Premiere ins Staunen ob all der Effekte, die sie im Laufe von drei Stunden Spieldauer bewundern können.

Zunächst, bevor es überhaupt losgeht und im Schnelldurchlauf der Aufbau des ebenso imponierenden wie detailverliebten Bühnenbilds gezeigt wird. Dann folgen die wichtigsten Stationen des Mörderpärchens – so wie der Librettist des Musicals sie sieht.

Mischung aus Vamp und Unschuld

Bonnies zehnter Geburtstag fällt ausgerechnet mit der Beerdigungsfeier für ihren Vater zusammen. Dessen Tod scheint sie ziemlich kalt zu lassen. Sie legt sich in Pose wie ein Kinderstar: Sie möchte Sängerin und Filmstar werden. Clyde ist damals schon 12. Sein Vorbild ist Al Capone. Mit einem Gewehr kann er auch schon umgehen – und muss bald dafür zwei Jahre ins Gefängnis.

Er bricht aus und trifft Bonnie, deren Motorrad nicht anspringt. Sein technisches Talent macht sie bis zu ihrem gemeinsamen Tod zum Paar. Einem sehr ungleichen. Denn Bonnie (Katharina Kempf), eine Mischung aus leicht verruchtem Vamp und Unschuld mit Augenaufschlag, unterliegt allzu willfährig dem ungestümen, aufbrausenden Clyde (Erik Aepfelbach).

Bonnie und Clyde begeistern die Besucher im Siegener Apollo-Theater. Foto: Wolfgang Leipold Amerikas Bibelgürtel

Natürlich läuft nicht alles glatt zwischen den beiden. Bonnie ist noch mit einem gewissen Roy verheiratet und die Frau seines ebenfalls kriminellen Bruders will Clyde auf den Pfad der Tugend zurückbringen. Doch weder ihre frommen Sprüche noch ihre Gebete helfen.

Überhaupt kommt immer wieder Religion ins Spiel. Das Ganze ereignet sich schließlich in Amerikas „Bibelgürtel“ mit seiner bigotten evangelikalen Ausrichtung des Glaubens. Sehr beeindruckend, wie einmal ein Frauenchor mit engelsgleichen Klängen aus der Tiefe der Bühne nach oben schwebt und der Prediger, Typ schmieriger Evangelist, dazu „Der Herr steht dir zur Seite“ singt.

Paar, an das die Welt sich erinnert

Um dann das fromme Lied in einen Rock’n‘Roll zu verwandeln und mit zwei Frauen abzuziehen. Die wunderbare Tanzgruppe sorgt dafür, dass diese Szene etwas an den Film „Sister Act“ erinnert.

Die formidable Band, nicht im Orchestergraben des Theaters versteckt, sondern im ersten Stock des Bühnenbilds agierend, begleitet die 24 Songs und ihre Interpreten. So gut ausgesteuert, dass ein perfekter Big Band Sound entsteht. Musicalsänger sind in erster Linie Schauspieler, die Texte singend transportieren.

Ein spektakulärer Tod

Das machen alle richtig gut. Dass dabei nicht immer alle Töne getroffen werden, was soll’s. Da stehen ambitionierte, begeisterte Amateure auf der Bühne, die in ihrer Freizeit ein Musical erarbeitet haben, das auch wegen all der authentischen Kostüme auf jeder anderen Großstadtbühne begeistern würde.

So wie am Samstagabend in Siegens Apollo-Theater, nachdem der große Showdown mit dem Blitzlichtfeuer unzähliger Gewehre zu Ende ist. Mit ihrem spektakulären Tod haben Bonnie und Clyde zumindest eins auf jeden Fall erreicht: Ein Paar zu sein, an das sich die Welt bis heute erinnert. So wie an Al Capone.