Siegen. . Zu Besuch in Siegen-Wittgenstein: Andreas Wörster und Masauso Phiri vom Verein Utho Ngathi sammeln Spenden um behinderten Menschen zu helfen.
Wie jedes Jahr im Herbst sind Andreas Wörster und Masauso Phiri vom Verein „Utho Ngathi Südliches Afrika“ zu Besuch im Kreis Siegen-Wittgenstein. Auch dieses Mal sammeln sie Geld für ihren Verein, der behinderte Menschen in Südafrika und Sambia unterstützt. Viktor Dobek sprach mit beiden über ihr Projekt.
Ihr Leitspruch lautet Road to Changes – Straße zur Veränderung. Wie hart war diese Straße, dieser Weg bisher?
Masauso Phiri: Schon am Anfang unseres Projekts konnten wir erkennen, dass es eine Notwenigkeit gibt für die Arbeit, die wir mit Utho Ngathi für behinderte Menschen leisten. Als wir dann begonnen haben, sind wir auf diesem Weg auf Dinge gestoßen, die uns eine Vorstellung davon gegeben haben, was wir eigentlich tun müssen. Natürlich kommen einem auf diesem Weg auch Schwierigkeiten entgegen. Die Herausforderung ist es, diese zu überwinden.
Wie ist Utho Ngathi überhaupt entstanden?
Masauso Phiri: Es ist schon vor langer Zeit gestartet. Utho Ngathi gibt es seit 2005, aber davor haben wir bereits mit behinderten Menschen und Straßenkindern gearbeitet. Mit diesen beiden Projekten war es für Menschen sehr schwierig zu verstehen, was wir genau tun. Mit Utho Ngathi, nur einem Hauptprojekt, lässt sich das klarer vermitteln.
Wieso ist das Leben mit Behinderung in vielen afrikanischen Ländern so problematisch?
Masauso Phiri: Es gibt so viele Situationen, wo Menschen mit Behinderung anders angesehen werden. Es herrscht viel Stigmatisierung – aus verschiedenen Gründen: Dem Glauben an Hexerei oder Spiritismus. Die Menschen sind manchmal auch einfach ignorant und sind der Ansicht, dass es für Menschen mit Behinderung einfach keinen Verwendungszweck gebe. Wir sehen das anders und wollen die Menschen für dieses Thema sensibilisieren. Denn jeder einzelne, der es versteht, macht einen Unterschied auf der Straße der Veränderung.
In welchen Ländern sind Sie tätig?
Andreas Wörster: Die einzigen Länder, in denen wir zurzeit sind, sind Sambia und Südafrika. Dort arbeiten wir in verschiedenen Regionen. Wir fahren aber auch in andere Ländern. Wir waren in Mosambik, Botswana, Simbabwe. Dort herrschen die gleichen Probleme. Zurzeit können wir aber nicht mehr leisten, denn wir haben nicht genug Mitarbeiter und natürlich nicht genug Geld. Aber in den beiden Ländern versuchen wir natürlich was zu tun. Man kann in den ländlichen Regionen davon ausgehen, dass 25 Prozent der Bevölkerung eine Behinderung haben.
Zur Person
A ndreas Wörster wurde 1965 in Siegen geboren. Er absolvierte eine Ausbildung als Physiotherapeut und ist seit 1990 in Afrika tätig.
Masauso Phiri stammt aus Lusaka in Sambia. Er arbeitet als Projekt Manager für Utho Ngathi und begleitet die Organisation seit dem Jahr 2000.
Wie werden behinderte Menschen von ihren Heimatländern in Afrika unterstützt ?
Andreas Wörster: Südafrika hat es geschafft, eine Behindertenrente einzuführen. Die liegt ungefähr bei 100 Euro im Monat. Doch mit 100 Euro hat man auch in Südafrika keine Chance. Derjenige mit der Behinderung ist dann oft auch plötzlich der „Bread Winner“ – der Einzige, der in der Familie Geld verdient. In Sambia gibt es so ein Geld nicht. Da kommt das Geld vielleicht von der Mutter, die am Fluss ein paar Tomaten pflanzt oder auf der Tabakplantage arbeitet.
90 Prozent der Kinder mit geistiger Behinderung sterben bevor sie das Alter von fünf Jahren erreichen, heißt es in ihrer Broschüre – wieso ist das so?
Masauso Phiri: Oft liegt es an der Gesundheitssituation. Kinder werden in ländlichen Regionen geboren, wo es keine Krankenhäuser oder anderweitige Gesundheitseinrichtungen gibt. Wenn ein Kind länger als fünf Jahre in diesen ländlichen Regionen lebt, kann es sich selbst als glücklich bezeichnen, weil die Familie es vielleicht umsorgt hat.
Wie nimmt man Kontakt mit den Familien behinderter Kinder auf?
Masauso Phiri: Normalerweise ist das einfach. Dennoch kann es manchmal auch ein wenig problematisch werden, weil manche Familien misstrauisch werden und sich fragen: „Wieso kommen diese Menschen hier hin? Wieso machen sie das?“ Viele Familien verstehen es nicht, weil sie denken, man wolle nur Geld mit ihnen machen. Deshalb ist das Sensibilisieren auch so wichtig.
Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Andreas Wörster: Wir machen zunächst eine umfangreiche Datenerhebung. Wir fahren in eine Dorfregion und haben eine Liste mit Fragen, die wir selbst erstellt haben. Diese Datenerhebungen sind wichtig, weil man erst danach eine Aufklärungskampagne starten kann und von der Dorfgemeinschaft erfährt, was dort wirklich gebraucht wird. Wir wollen nicht mit irgendeinem Projekt von außen kommen, sondern wir wollen hören, was die Leute wirklich benötigen.
Wie sehen ihre Projekte beispielsweise aus?
In einem Dorf brauchten Leute zum Beispiel Proteine – weil die Kinder da nichts zu Essen hatten. Deshalb haben wir ein Hühnerprojekt begonnen. Nach der Aufklärungskampagne kommt außerdem immer das Hausbesuchprogramm. Denn wenn wir wissen, wo die Menschen leben und wie wenig sie haben, müssen wir dort täglich hin. Hierfür bilden wir Leute aus, die die behinderten Kinder täglich besuchen und mit ihnen arbeiten – beispielsweise Physiotherapie mit ihnen machen. Wenn man die Leute dann aus dem Haus holt, ist es wichtig, eine langfristige Versorgung zu gewährleisten. Ganz entscheidend ist für uns, dass Menschen mit Behinderung in eine Arbeit integriert werden oder in die Schule gehen können. Doch bei einer Arbeitslosenquote von ungefähr 70 Prozent – wie in Sambia – ist es schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden. Deshalb bauen wir zum Beispiel ein Gewächshaus oder machen eben ein Hühnerprojekt, damit die Leute dort arbeiten können.
Was sind die Ziele von Utho Ngathi?
Masauso Phiri: Wir haben uns kein konkretes Ziel gesetzt. Wichtig ist, dass wir weiter unsere Spendeneinnahmen steigern. Denn dann fällt es uns einfacher zu wachsen. Und wenn unser Projekt groß genug ist, hoffen wir, dass eine Regierungsorganisation auf uns aufmerksam wird und sagt: Das ist also, was Utho Ngathi macht – lasst uns mit Utho Ngathi zusammenarbeiten oder lasst uns diese Möglichkeiten in anderen Regionen schaffen.“ Utho Ngathi sollen nicht nur Andreas und Masauso sein, sondern jeder sollte sich auf verschiedene Art und Weise engagieren.