Kreuztal. . Das Ziel: Schwachstellen erkennen und ausbessern. Hauptproblem sind Steigungen und Hindernisse. Kreuztal möglichst barrierefrei gestalten.
Starke Steigungen, enge Wege ohne Absenkungen oder auch Querungen ohne akustische Signale und Hindernisse: Menschen mit körperlichen Einschränkungen haben es mitunter nicht leicht in der Kreuztaler Innenstadt. Wo die Schwachstellen liegen und wie sie sich beheben lassen, darüber haben sich die Experten Lisa Morgenschweis (Planungsbüro protze + theiling) sowie Uwe Höger und Tim König (beide AKP) Gedanken gemacht. Sie erarbeiten im Auftrag der Stadt einen Barriereatlas, der Stärken und Schwächen der Barrierefreiheit aufzeigt. Erste Ergebnisse haben sie nun der Öffentlichkeit in der Weißen Villa vorgestellt.
Das weitere Vorgehen der Stadt
Die Planungsbüros stellen das Konzept in Absprache mit der Verwaltung fertig. Die Vorschläge der Öffentlichkeit werden mit eingearbeitet. „Vieles war uns vorher nicht bewusst – wie zum Beispiel zu steile Behindertenparkplätze“, sagt Eberhard Vogel. Künftig wolle die Stadt versuchen, solche Probleme von vornherein bei den Planungen zu beachten und auszuschließen.
Die Anregungen aus dem Bericht möchte die Verwaltung diskutieren und die Ergebnisse Ende November dem Fachausschuss vorstellen, der dann abstimmt. „Dann können wir in die Umsetzung gehen“, sagt Eberhard Vogel. Kleine Maßnahmen – wie das Verlegen eines Parkplatzes – seien auch ohne politischen Beschluss umsetzbar.
In die Planungen zum Umbau der Stadthalle sollen die Anregungen ebenfalls einbezogen werden. „Kreuzungen umzubauen bedeutet einen großen Planungsaufwand“, so Vogel.
Es gebe immer auch städtebauliche Anforderungen zu beachten. „Da müssen wir mit Fingerspitzengefühl herangehen“, so Vogel. So könne eine 20 Meter lange Rampe die Optik eines historischen Gebäudes, das unter Denkmalschutz steht, entstellen. „Das muss man diskutieren.“
Erhebung
Seit Ende Mai führen die Experten in Kreuztals Innenstadt im Bereich zwischen dem Bahnhof und der Fritz-Erler-Siedlung eine Bestandsaufnahme durch. Im Juni fand ein Rundgang statt, an dem sich Betroffene beteiligt haben. Sie machten unter anderem auf zu enge und steile Wege in Dreslers Park, gefährliche Kreuzungen an der Marburger Straße/Hagener Straße und auf blockierte Leitsysteme (siehe Bild) aufmerksam. Zudem haben bereits vier Gesprächsrunden mit der Verwaltung stattgefunden.
„Einen Barriereatlas, wie Kreuztal ihn bald hat, haben vielleicht 20 bis 40 Städte in Deutschland“, sagt Uwe Höger. Dabei gehe es um vier Gestaltungsprinzipien: Zonierung, Nivellierung, Linierung und Kontrastierung. Was das heißt? Durchgängige und gut erkennbare Wege und Leitsysteme, keine Hindernisse und deutliche Warnungen vor Gefahren.
Öffentlicher Raum
Für gehbehinderte Menschen seien vor allem Steigungen und enge sowie schwer berollbare Wege mit fehlenden Absenkungen an Bordsteinen das Problem. „Die Steigungen betragen hier meist mehr als 6 Prozent“, so Höger. Das sei mit reiner Muskelkraft im Rollstuhl nicht zu bewältigen. Sehbehinderte oder blinde Menschen haben hingegen Schwierigkeiten mit fehlenden, unterbrochenen Leitlinien. Auch Hindernisse wie Laternen oder Querungen ohne akustische Hilfe oder fehlende Kontraste am Boden können zu fatalen Unfällen führen.
Als Gefahrenstellen hat das Team die Kreuzungen Marburger/Hagener Straße sowie den Bereich von Fußgängerzone und Hagener Straße ausfindig gemacht. Der Bahnübergang an der Moltkestraße sei zudem nur jeweils auf einer Seite mit einer Schranke gesichert: Auch das ist gefährlich. Die Querneigung im Bereich der Marburger Straße/Moltkestraße sei ebenfalls typisch für die Stadt. Hier könnten Rollstühle oder Rollatoren sich selbstständig machen.
Lösungsvorschläge: Das Team schlägt vor, breitere Gehwege zu bauen, auf denen sich zwei Rollstuhlfahrer nebeneinander begegnen können. 2,5 Meter breit müsste ein Weg im Idealfall sein. Querneigungen an Einfahrten könnten sich durch eine bestimmte Bauart mindern lassen, und Behindertenparkplätze könnten an zu schmalen oder steilen Orten entfernt werden. Stattdessen können neue Plätze an geeigneten Punkten entstehen, wo genug Platz zum Ein- und Aussteigen bleibt (3,5 Meter Breite). Ampeln können mit akustischen Signalen nachgerüstet werden.
Öffentliche Gebäude
Rathaus, Grundschule an Dreslers Park, Gesamt- und Realschule sowie Gymnasium, Stadthalle und Otto-Flick-Halle haben die Experten sich exemplarisch angesehen. „Die sind größtenteils gut nutzbar“, sagt Morgenschweis – abgesehen vom Gymnasium, der Grundschule und der Otto-Flick-Halle. Die Probleme in den öffentlichen Gebäuden: Bühnen und Tribünen sind nicht erreichbar für Menschen mit Behinderungen und auch einige Türen ließen sich nur sehr schwer öffnen. Alle Gebäude (außer dem Rathaus) seien schwer auffindbar. Den Aufzügen fehle es an akustischen Signalen und Blindenschrift. Glastüren und Treppen sind meist nicht ausreichend durch Kontraste zu erkennen. WCs seien meist zu eng.
Lösungsvorschläge: Für den Eingang der Otto-Flick-Halle und Bühnen in anderen Gebäuden schlagen die Experten Rampen oder Hebelifte vor. WCs könnten oftmals durch kleine bauliche Maßnahmen so verändert werden, dass genug Platz für Rollstuhlfahrer entstehe. Wichtig sei dabei, dass Notrufsysteme installiert werden.
Gute Seiten
Gut sei, dass beispielsweise in der Gesamtschule auf den Fluren bereits mit Kontrasten gearbeitet werde. Für das Bürgerforum sei ein Leitsystem entwickelt worden und es gibt Induktionsanlagen an Bahnhof, Rathaus und in der Stadthalle.