Dahlbruch. Für die Sicherung des Standorts verzichten die Mitarbeiter auf Geld und Freizeit. Keine betriebsbedingten Kündigungen. „Verjüngung“ statt Abbau
Über Stellenabbau möchte die IG Metall am liebsten gar nicht mehr sprechen. Unterm Strich, sagt Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Siegen, „werden wir die Beschäftigung eher halten können. Von den Horrorzahlen zu Jahresbeginn sind wir weit entfernt.“ 154 Beschäftigte, hieß es noch im Juni, würden bei der SMS group in Dahlbruch bis 2021 gehen müssen.
Etwa 75 Mitarbeiter sind zum 1. August ausgeschieden, in Rente oder Altersteilzeit, berichtet Betriebsratsvorsitzender Tobias Tigges. „Um betriebsbedingte Kündigungen sind wir herumgekommen“ — die sind nun auch bis Ende 2023 ausgeschlossen. Weil die Geschäftsleitung zugesagt hat, mindestens 60 Prozent jedes Ausbildungsjahrgangs unbefristet in ein Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen, spricht Tigges weniger von einem Abbau als einer „Verjüngung“ der Belegschaft, die unter dem Strich, nach einem kurzen Zwischentief, unverändert um die 2000 Köpfe stark bleiben wird.
Der Vertrag
Auch das ist ein Ergebnis des Zukunftstarifvertrags, den SMS-Geschäftsführung und IG Metall in den letzten Monaten ausgehandelt haben. „In schwierigen, aber stets kooperativen Verhandlungen haben wir am Ende gemeinsam eine zukunftsweisende Einigung erzielt“, sagt Burkhard Dahmen, Vorsitzender der Geschäftsführung. In Betriebsversammlungen an vier Standorten wurden die Ergebnisse am Montag bekannt gegeben, in Dahlbruch durch Arbeitsdirektor Torsten Heising: „Der vorübergehende Beitrag der Mitarbeiter ermöglicht uns, die Investitionen zur Beschäftigungssicherung an den Standorten umzusetzen.“
Das sind die Regelungen im einzelnen:
Entgelt: Die im Februar für den Flächentarif vereinbarte Entgelterhöhung von 4,3 Prozent wird weiterhin nicht umgesetzt. Ab Anfang 2020, wenn der nächste Tarifvertrag in Kraft tritt, gibt es zwei Prozent mehr. Ab Mitte 2022 soll die SMS-Belegschaft mit der NRW-Metallindustrie wieder gleichziehen.
Arbeitszeit: Die Belegschaft arbeitet 2019, 2020 und 2021 jede Woche 37 statt 35 Stunden ohne Lohnausgleich. Das habe die Arbeitgeberseite durchgesetzt, berichtet Andree Jorgella. Der Standort Dahlbruch sei, was die Auslastung angeht, „recht gut aufgestellt“, sagt Jorgella, so dass die erforderliche Mehrarbeit für die zusätzliche Kapazität auch da ist. Konsequenz werde sein, dass weniger Produktion ausgelagert werde. „Wir wollen die Prozesse hier wieder komplett in die Hand nehmen.“ Nur im Ausnahmefall soll es - gegen Entgeltkürzung – bei den 35 Stunden bleiben können.
Weihnachtsgeld: Statt tariflicher 55 Prozent gibt es, je nach Gewinnsituation, zwischen 0 und 100 — die früher freiwillige Regelung wird nun für fünf Jahre verpflichtend. Tobias Tigges: „Davon haben viele sehr gut gelebt.“
Investitionen: 150 Millionen Euro werden in den nächsten drei Jahren investiert, in Digitalisierung, Prozessverbesserung, Qualifizierung. „Die Mitarbeiter werden spürbare Veränderungen sehen“, sagt Tobias Tigges, „für jeden Standort werden klare Maßnahmen hinterlegt.“ Unterm Strich seien viele Forderungen der Belegschaft erfüllt, „der Zukunftstarifvertrag ist ausgewogen gestaltet.“
Ausbildung: Jedes Jahr werden 70 Azubis neu anfangen, davon 44 in Dahlbruch.
Keine Kürzungen für Auszubildende
Von den Regelungen des Zukunftstarifvertrags ausgenommen sind die Azubis; für sie gilt weiterhin der Flächentarifvertrag der NRW-Metallindustrie.
„Für SMS ist die betriebliche Ausbildung ein Schlüsselfaktor für qualifiziertes Fachpersonal“, stellt das Unternehmen fest.
Die Belegschaft
Auf Arbeitnehmerseite hat eine Tarifkommission der rund 60 gewerkschaftlichen Vertrauensleute die Verhandlungen begleitet, die Andree Jorgella, Tobias Tigges und Betriebsratsmitglied Stefan Klenzmann geführt haben. An den vier Standorten haben sich 82 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder an der Abstimmung beteiligt, davon haben 86 Prozent zugestimmt. In Dahlbruch stimmten 80 Prozent der mehr als 1000 in der IG Metall organisierten Gewerkschafter ab, 90 Prozent mit ja. Das war die Voraussetzung, dass der Tarifvertrag Mitte September in Kraft treten kann. Andree Jorgella: „Jetzt müssen wir den Turnaround schaffen.“