Hilchenbach. . Carlos Núñez und seine Band verwandeln die evangelische Kirche mit irisch-keltischer Musik in eine Disco. Eine Rezension:

Barcelona, Denver, Vancouver, Durham/Neuseeland. In London sind sie mit Julio Iglesias aufgetreten. Die Tournee-Stationen von Carlos Núñez und seinen Musikern sind eine Reise um die Welt. Und nun Hilchenbach. Insgesamt ist der Künstler mit galizischen Wurzeln zum sechsten Mal hier, und immer als Gast des Gebrüder-Busch- Kreises.

Der Meister steht nicht sofort auf der im Altarraum installierten Bühne. Er kommt von hinten durch den Mittelgang, auf seiner Flöte leichte, schwebende Melodien spielend. Melodien, die ihren Charakter verändern, als er von den hellen Tönen einer kleinen Flöte zu den weicheren der Alt-Flöte wechselt. Zunächst von einem Gitarristen und seinem Bruder an den Trommeln begleitet, zeigt Carlos Núñez, was ihn zum weltweit besten Flötisten macht: Seine unfassbare Virtuosität, die die Zuhörer nicht nur beeindruckt, sondern vom ersten Ton an restlos begeistert, sie zum Toben bringt. „Wäre es möglich, mit traditioneller Musik ein Popstar zu werden, so wäre es Carlos Núñez“, schrieb die Los Angeles Times treffend. Zur Band gehört auch eine charmante Akkordeon-Spielerin, die das Publikum mit einer englisch-baskischen Sprachkombination begrüßt und einen baskischen Tanz spielt.

Dann packt Núñez seinen Dudelsack („My monster“) aus, ein Instrument, das auch in vielen nordspanischen Regionen zu Hause ist, und begrüßt den vierten im Bunde der Band: Den Fiddler, Typ Brad Pitt; ein Kanadier, der immer wieder witzig-charmant auf seine deutschen Wurzeln hinweist. Dudelsack und Violine: Diese Kombination bringt eine neue Note in das Konzert.

Krieg der Instrumente

Was dieser Teufelsgeiger dann im Höchsttempo zaubert, lässt im Publikum keine Hand und keinen Fuß ruhig bleiben. Da will Núñez natürlich nicht zurückstehen und es entwickelt sich ein improvisierter „Krieg der Instrumente“ nach dem Motto: „Wer kann schneller“?

Doch es gibt auch ruhige, meditative Momente. Dazu gehört der berühmte „Bolero“ von Maurice Ravel mit dem Dudelsack als Soloinstrument. Wohl selten wurde Musikfreunden im Siegerland die Gnade zuteil, einen solchen Klangzauber genießen zu dürfen. Oder keltische Musik aus früheren Jahrhunderten. Einige Lieder aus dem 12. Jahrhundert präsentieren sie gesanglich.

Ganz am Ende bei einem Party-Song aus Texas brechen alle Dämme: Die Stimmung explodiert förmlich, das Kirchengemäuer vibriert. Hilchenbach hat keine Disco? An diesem Abend hat es eine. Der Fiddler macht es mit seiner Step-Einlage vor, der Schlagzeuger trommelt auf einem Samsonite-Koffer. Niemand sitzt mehr, die Band holt Tanzbegeisterte auf die Bühne.

Vielleicht noch eine Anmerkung am Rande: Dass sich der Publikumsandrang in der Hilchenbacher Kirche sehr in Grenzen hielt, lag sicher nicht an der Fußball-Übertragung. Eher wohl an der Preisgestaltung: 42 Euro lässt manchen überlegen, doch lieber zu Hause zu bleiben.

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