Siegen. Kirchenmusikdirektor Ulrich Stötzel ist seit 1980 Organist und Kantor der Martinikirche Siegen.

Die Treppenstufen vom Kölner Tor hinauf zur Martinikirche entführen in eine andere Welt. Aus dem Verkehr und der hektischen Geschäftigkeit einer pulsierenden Stadt in die Ruhe des Parks um die Martinikirche, dem ältesten Gotteshaus Siegens. Dort hat Kirchenmusikdirektor (KMD) Ulrich Stötzel seit 1980 seinen Arbeitsplatz als Organist und Kantor. Bei einem Spaziergang um die Kirche erzählt er von seinem Beruf, der seine Berufung wurde.

Nicht weit von seiner Kirche, am Löhrtor-Gymnasium, machte Stötzel 1971 Abitur. Auch den Zivildienst leistete er in seiner Heimatstadt. Als Krankenpfleger am Jung-Stilling-Krankenhaus: „Für mich eine wichtige, prägende Zeit.“ Doch sein weiteres Leben sollte durch die Musik bestimmt werden.

Sonntäglicher Orgeldienst mit 16

Vor allem die Orgel, die „Königin der Instrumente“, war es, die ihn schon als Kind faszinierte. Während seiner Zeit als Schüler des Löhrtor-Gymnasiums erkannte Musiklehrer KMD Hans Königsfeld sehr früh die Musikalität seines Schülers und holte Uli Stötzel aus dem Schul- in seinen Kirchenchor. Als Sopran. Da Königsfeld auch Organist in der Nikolaikirche war, durfte Stötzel schon früh bei Gottesdiensten neben seinem Lehrer sitzen und dessen Spiel- und Improvisationskunst unmittelbar erleben. Stötzel: „Hans Königsfeld war Mentor und Vorbild für mich. Als er gestorben ist, war ich 16. Damals ein unglaublicher Verlust für mich.“

Nach Königsfelds Tod wurde er gefragt, ob er den sonntäglichen Orgeldienst übernehmen könnte. Stötzel sah darin Ansporn und Herausforderung zugleich und sagte zu. Auch heute, fast 50 Jahre später, ist die Orgel „sein Instrument“, das er mit Freude und virtuosem Können spielt, besonders gern bei Gottesdiensten. Inzwischen ist Uli Stötzel selbst Lehrmeister und viele seiner Schüler sind renommierte Kollegen geworden. Etwa Peter Scholl in Frankfurt oder Tobias Gravenhorst, Domkantor in Bremen, Sebastian Klein, Kantor der Neanderkirche Düsseldorf.

Nach seiner Zeit im Zivildienst studierte Uli Stötzel an der Musikhochschule in Frankfurt. Dort prägten ihn Prof. Helmut Rilling, damals ein aufgehender Stern am chorischen Schallplattenhimmel; und Kurt Hessenberg, bei dem er Tonsatz und Kompositions-Unterricht hatte. In der Orgel-Meisterklasse von Prof. Edgar Knapp erhielt er 1979 sein Konzertdiplom.

Seine musikalische Heimat blieb aber immer Siegen. Die Ev. Singgemeinde, Vorgänger des Bach-Chors, lag, als Uli Stötzel sie Anfang 1973 übernahm, ziemlich am Boden: „Sie bestand noch aus zwölf Leuten. Ich musste eine Männerstimme übernehmen, damit wir vierstimmig singen konnten.“ Doch das änderte sich schnell. Schon am Totensonntag 1973 waren beim ersten Konzert 40 Aktive dabei, davon einige aus Stötzels ehemaligem Krankenhaus-Projektchor.

Kantaten-Gottesdienst zur Stadtfest-Eröffnung

Das nächste Konzert mit Ulrich Stötzel ist ein Kantaten-Gottesdienst zur Eröffnung des Siegener Stadtfestes: Samstag, 1. September, um 11 Uhr in der Martinikirche. Aufgeführt wird die Bach-Kantate „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“ (BWV 7).

An den ersten Titel des Programms kann er sich noch genau erinnern. Die Bach-Kantate „Ich steh mit einem Fuß im Grabe.“ Dass dies nicht für seinen Chor zutraf, machen die heutigen Zahlen deutlich: Etwa 120 Sängerinnen und Sänger sind dabei, darunter viele junge Stimmen und – darauf ist er besonders stolz – 27 Bässe. Stötzel: „Diese Frauen-/Männerstimmen-Ausgewogenheit ist besonders vorteilhaft für romantische Werke.“ Übrigens blieb der Kontakt zu Kurt Hessenberg lange bestehen: „Der hat Werke für den Bach-Chor komponiert und war oft in Siegen, um den Chor bei Rundfunkproduktionen zu begleiten. Seine moderne, atonale Musik, besonders in seiner Lukas-Passion, hat mich so gepackt wie eine Bach-Passion.“

Der Bach-Chor gehört schon lange zu den renommiertesten und gefragtesten Klangkörpern des Landes, der neben Konzerten im Siegerland auch regelmäßig in der Frauenkirche in Dresden, der Thomaskirche in Leipzig und auch beim Rheingau-Festival in der Basilika Eberbach auftritt. Uli Stötzel weiß aber auch um den „Leistungsanspruch des brutalen Musikbusiness: Wenn du dort eine Pleite machst, bist du weg.“ Doch die ist bisher noch nie vorgekommen. Auch bei der Tournee durch Japan, unter anderem auch in Hiroshima, wurden die Konzerte des Chors umjubelt.

Ein Stück Wegstrecke endet

Die Grundlage solcher Erfolge sieht Uli Stötzel vor allem in einer Stimmbildung, die sich nicht nur auf das Einsingen beschränken darf, sondern die ganze Chorprobe begleiten muss. Er hört mit „Diagnose-Ohren“ immer wieder in den Chorklang hinein. „Wichtig ist mir der mündige Chorsänger, der aktiv in die Musik-Interpretation mitgenommen wird. Daher sage ich in den Chorproben vieles über die Hintergründe der Werke.“

Diese besondere Zusammenarbeit des Bach-Chors mit seinem Leiter endet im nächsten Jahr: Uli Stötzel hat das Pensionsalter erreicht, die Chorleiterstelle ist neu ausgeschrieben. Er sieht das ganz realistisch: „Man geht und gestaltet eine Wegstrecke des Lebens gemeinsam mit anderen. Und dann muss man bereit sein, die Aufgabe weiterzugeben.“ Doch eins ist ganz sicher: Die Musik wird Uli Stötzel auch weiterhin begleiten.

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