Netphen. . Sechs Wochen Betreuungsprogramm für Kinder. Auch die Lehrerinnen sind schon wieder an Bord
Am Ende sind die Verhältnisse klar. Die Mädchen studieren mit Emily Jaschke die getanzte Performance ein, die Jungs übernehmen die Rolle der kritischen Zaungäste. Ein Ferientag auf dem Schulhof in Niedernetphen. Ferien? „Wir betreuen ganzjährig“, sagt Rektorin Annette Kramps, „außer in den Weihnachtsferien.“ Der Parkplatz der Lehrerinnen — zum 18-köpfigen Kollegium gehört eine männliche Lehrkraft — ist voll.
Die Ferien
89 Kinder aus den verschiedenen Netphener Grundschulen sind in diesem Sommer angemeldet, manche für eine Woche, manche aber auch für die kompletten sechseinhalb Ferienwochen. „Für manches Kind ist das angenehmer als das Herumsitzen zu Hause“, weiß die Schulleiterin. Das leckere Mittagessen sei das Schönste am Tag, hat ein Kind einmal gesagt. Die Pädagogin schließt auf das, was es in der eigenen Familie nicht bekommt: „Das gibt einem schon zu denken.“
Irene Barbioch hat die Tische gedeckt. Es gibt Kohlrouladen, Nudeln, Möhren und hinterher ein Eis, sagt die Mitarbeiterin des offenen Ganztags. Die Acht aus dem Betreuungsteam wechseln sich ab, während des Schuljahrs betreuen sie in Niedernetphen um die 60, ihre Kolleginnen in Obernetphen weitere 30 Kinder, die — von insgesamt 276 — die Betreuungsangebote wahrnehmen. Zwei Bundesfreiwillige — eine von ihnen ist Emily Jaschke — verstärken das Team. Unter den Kindern, die Betreuerin Inge Ivanauskas gerade zusammenruft, sind auch welche, die noch gar nicht zur Schule gehen. Sie haben noch eine Woche bis zu ihrem ersten Schultag.
Vor den Ferien
61 werden es sein für die drei ersten Klassen in Netphen. Das steht seit Januar fest, nachdem stadtweit alle im Herbst angemeldeten Lernanfänger ihre Schule gefunden haben. Ostern, nachdem die Stadt ihre Finanzen für das laufende Jahr geklärt hat, beraten die Konferenzen und beschließen über Anschaffungen. „Spätestens zur Versetzungskonferenz weiß ich, wie groß die Klassen werden“, sagt Annette Kramps. Dann können noch die Räume verteilt werden. Und dann — Ferien? „Die Schule hat Nachsitzen“, berichtet die Rektorin. Da ist noch eine Menge zu klären, schließlich wollen jetzt andere arbeiten: Obernetphen bekommt neue Toiletten, Niedernetphen neue Fenster. „Bis man das Gefühl hat, der Schreibtisch ist aufgeräumt“, geht es noch weiter. Etwa zwei Wochen.
Der Countdown
Dienstag. Annette Kramps hat noch das „Ferien Buh“ im Ohr. „Die kommen echt gern hier hin.“ Auch Paul kann es gar nicht abwarten. Der große Plüschbär sitzt im Sessel auf dem Flur. Der war schon bei ihrer Tochter ein Klassentier, berichtet Annette Kramps. Und die hat gerade schon Abi gemacht. Die Tiere könnten ihre eigene Konferenz machen. Und unheimlich viel erzählen. Fuchs und Zebra. Pinguin Pepe und Affe Charly. Vor allem Charly, denn der hat sein Tagebuch in der Klasse 2 liegen lassen. Besonders aufregend für Charly sind die Wochenenden, die er bei immer anderen Kindern zu Hause verbringt und die von zauberhafter Hand direkt am Montag in Bild und Schreibschrift dokumentiert sind. „Die Eltern unternehmen dann natürlich immer etwas Besonderes“, sagt Kirsten Wüst. Auch die Konrektorin ist da.
Mittwoch, Donnerstag... Die erste Konferenz. Jetzt geht es noch um den Stundenplan. Kommen neue Kolleginnen dazu, muss Netphen woanders aushelfen? Ganz schnell kann sich ganz viel ändern — eine Schwangerschaft mit Röteln reicht, um schöne Pläne zunichte zu machen. Einräumen ist angesagt. Auch Kirsten Wüst stattet die Regale in ihrer zweiten Klasse mit all den Arbeitsmaterialien aus, die die Kinder im nächsten Schuljahr benötigen werden. Selbstständiges Vertiefen und Wiederholen ist ebenso wichtig wie das Aufpassen im Stuhlkreis, wenn die Lehrerin etwas Neues erklärt. „Das Erste, was wir machen, ist die 100er Tafel.“ Ein Riesensprung für die frisch gebackenen Zweitklässler, die vor den Ferien bei 20 aufgehört haben. Die meisten jedenfalls.
Freitag, Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag... Nicht nur die Kleinen haben Lampenfieber, sondern auch ihre Lehrerinnen. „Ich kenne keine, die die Nacht davor durchschläft“, weiß Annette Kramps. Alles soll passen, nichts darf fehlen. Der Entspannteste von allen wird Alan sein. Für den Labradoodle beginnt sein viertes Schuljahr, seine Ausbildung zum Schulhund ist nun abgeschlossen. Ansonsten bleibt er immer sitzen und der Grundschule Netphen somit noch lange erhalten. „Am liebsten geht er mit den Kindern spazieren.“ Und die Kinder lesen am liebsten ihm vor, wenn sie schon vorlesen müssen. „Denn der verbessert sie ja nicht“, sagt Annette Kramps, die Schulhundehalterin. Vor Alan ist nichts peinlich. Er verzieht keine Miene, „dass ich ihm das befohlen habe, wissen die Kinder ja nicht.“
Mittwoch. Erster Schultag. „Dann müssen wir natürlich noch für die Einschulungsfeier am Donnerstag üben.“ Für ihre 61 neuen Mitschüler machen die anderen Klassen nach dem Gottesdienst Programm, in Niedernetphen auf dem Schulhof, in Obernetphen in der Aula.
Donnerstag. Das 1. Schuljahr für die Lernanfänger beginnt. Die Schule ist für niemanden mehr neu. Beim Kennenlerntag vor den Ferien haben sie sogar schon ihr Klassenzimmer gesehen. Jetzt wird der Schulsong gesungen: „Wir lernen, wir woll’n lachen, wir woll’n Freunde seh’n, wir woll’n spielen, wir woll’n denken und die Welt versteh’n.“ Und schon ist die erste Stunde vorbei. „Ohne Hausaufgaben“, verspricht Annette Kramps.
Jeden Mittwoch geht es mit der Ferienbetreuung auf Tour
Die Grundschule Netphen, ein Verbund aus den Standorten Ober- und Niedernetphen, ist die erste offene Ganztagsgrundschule in Siegen-Wittgenstein. Seit 20 Jahren gibt es dort auch die Ferienbetreuung. Träger der Betreuungsangebote ist der Verein BANS („Betreuung an Netphener Schulen“), dessen Vorsitz der jeweilige städtische Schulamtsleiter, seit diesem Jahr Thorsten Vitt, hat. Die Betreuungsräume umfassen eine komplette Etage im Altbau, in der Schulküche wird gerade Brot gebacken, und der Werkraum hätte auch nicht leer gestanden, „wenn wir einen schlechten Sommer gehabt hätten“, sagt Rektorin Annette Kramps. Immerhin: Die Flamingos aus Styropor sind hier entstanden — damit diese Sommerferien rosarot werden.
Jeden Mittwoch werden Ausflüge unternommen: einmal geht es zur Attahöhle, einmal ins Wilnsdorfer Museum , wo es gerade um die USA geht — das inspiriert zu den Indianerzelten, die jetzt auf dem Schulhof stehen. Stadtführerin Katrin Bückmann zeigt den Netphener Kindern Siegen. Auf ihren Besuch in der Fürstengruft mit dem leeren Sarg im Unteren Schloss haben sie sich vorbereitet, indem sie Sargnägel aus Blätterteig gebacken haben. Ein Höhepunkt ist der Besuch auf dem Bauernhof von Friedhelm Klein und bei Schäfer Karsten Barghorn in Herzhausen. Heute geht es noch einmal, wie schon in der zweiten Woche, nach Freudenberg zum Indoor-Spielplatz McPlay