Siegen-Wittgenstein. . Die Mehrheit armer Kinder hat eines gemeinsam: arbeitslose Eltern. DGB-Chef Ingo Degenhardt sieht die Lösung in einem konkreten Ansatzpunkt.
Kinderarmut hat in den vergangenen sieben Jahren in Siegen-Wittgenstein deutlich zugenommen. Das zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit:
5984 Kinder und Jugendliche sind kreisweit von Armut betroffen (13,4 Prozent). Das ist eine Zunahme von einem Prozent seit Oktober 2017.
9,4 Prozent im Jahr 2011 zeigen gegenüber 2018 eine deutliche Steigerung von vier Prozent. Der Sprung von einem Prozent von 2017 auf 2018 wirkt dadurch noch stärker.
Zuwanderung macht sich bemerkbar
Ausgelöst worden ist die aktuelle Debatte durch den Deutschen Gewerkschaftsbund. Der hatte moniert: Zwar seien in Südwestfalen die Zahlen nicht ganz so dramatisch wie im Ruhrgebiet, wo in neun Ruhrgebietsstädten mehr als ein Viertel der unter 18-Jährigen in Armut lebe.
Doch nehme der heimische DGB die aktuellen Zahlen zum Anlass für die Forderung nach einem sozialen Arbeitsmarkt: „Die Langzeitarbeitslosigkeit der Eltern ist eine Hauptursache von Kinderarmut. Es ist von zentraler Bedeutung, arbeitslosen Eltern einen Arbeitsplatz anzubieten – eine dauerhafte Beschäftigung zu fairen Bedingungen“, schreibt der südwestfälische DGB-Chef Ingo Degenhardt.
Die Definition: Wer ist arm?
Als arm gelten Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, die in Familien beziehungsweise Bedarfsgemeinschaften leben, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II („Hartz IV“) beziehen.
Das ist die Definition, die Basis für die Untersuchung durch die Hans-Böckler-Stiftung war.
Der enorme Anstieg der Hartz-IV-Quote unter den Minderjährigen sei eine Folge der Einwanderungswelle seit dem Jahre 2012, heißt es in einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Zunächst habe sich die Zuwanderung in einem Anstieg der Fallzahlen beim Asylbewerberleistungsgesetz bemerkbar gemacht, da Flüchtlinge in der Regel in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik keinen Anspruch auf das Arbeitslosengeld II beim Jobcenter geltend machen könnten. Für die Flüchtlinge sei es – im Unterschied zu vielen Deutschen – jedoch von Vorteil, in das Hartz-System zu wechseln, weil das mit einer Leistungsverbesserung verbunden ist, schreibt das WSI.
Hohe Zahlen in Siegen und Kreuztal
Schaut man sich die Zahlen für die Kommunen im Kreisgebiet an, so wird deutlich, dass die großen Kommunen Siegen und Kreuztal erheblich über dem Durchschnitt von Kinderarmut betroffen sind, dicht gefolgt von Neunkirchen und Hilchenbach, die allerdings schon unterdurchschnittliche Werte aufweisen. In Wittgenstein liegen die Werte weit unter dem Durchschnitt. Bad Laasphe hat mit 5,8 Prozent sogar den zweitniedrigsten Wert hinter Burbach und Wilnsdorf.
In den beiden Landkreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe hat es laut Zahlen der Arbeitsagentur, die der DGB ausgewertet hat, einen leichten Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit im „Rechtskreis SGB II“ (Arbeitslosengeld II) gegeben. Sie sei im Juli 2018 im Vergleich zum Vormonat um 71 Personen gesunken und liege nunmehr bei 2731. Im Juli 2017 lag die Zahl noch bei 3227.