Siegen. . Das Familienbüro der Stadt Siegen kennt sich damit aus, was Kinder im Vorschulalter brauchen. Immer mehr Plätze für U3-Betreuung nachgefragt.
In den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage nach Betreuungsplätzen auch für unter dreijährige Kinder nach Angaben des Jugendamtes der Stadt Siegen stark gestiegen. Die Mitarbeiterinnen des Familienbüros wissen, welche Betreuungsformen zu wem passen und welche Angebot es in der Stadt gibt.
Was ist das Besondere an der Tagespflege?
Im Vergleich zur Kindertagesstätte sei es die Gruppengröße und der familiäre Charakter, erklärt Brigitte Hennemann vom Familienbüro Siegen. „Kindertagespflege wird in Siegen in verschiedenen Modellen angeboten.“ Zum einen die selbstständige Tagesmutter, die in eigenen Räumen bis zu fünf Kinder betreuen kann, daneben auch Kindertagespflege in eigens hergerichteten Räumen mit Gruppen von bis zu fünf Kindern und die Großtagespflege mit bis zu neun Kindern. Das ist das ganze Spektrum. In Siegen sei besonders, dass es in der Großtagespflege die KITS-Standorte gebe.
Was unterscheidet die Tagespflege noch von einer Kita?
Die Art der Betreuung sei eine andere als in der Kita, doch „pädagogisch“ sei die Tagespflege gleichwertig, weil die Betreuer in der Tagespflege auch qualifiziert für diese Tätigkeit seien, weiß Hennemann. „Die Kita ist institutioneller und die Tagespflege ist familiennäher – das ist der größte Unterschied.“ Der Kostenbeitrag sei für beide Formen gleich. Wie auch bei einer Kindertagesstätte können die Kleinen ab einem Alter von vier Monaten betreut werden. Die Tagespflege geht allerdings nur bis zum Alter von drei Jahren – danach müssen die Kinder in eine Kita wechseln.
Für wen eignet sich die Tagespflege als Betreuungsform?
Judith Wagener, Fachberatung Kindertagesstätten, sagt: „Es ist immer eine individuelle Sache.“ Tagespflege eigne sich vor allem für alle Eltern, die nicht jeden Tag die gleichen Betreuungszeiten benötigen. In der Kindertagesstätte könnten Eltern ihren Nachwuchs 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche zu festen Öffnungszeiten betreuen lassen. „Es gibt aber junge Mütter, die an zwei Nachmittagen die Woche arbeiten – zu ganz ungewöhnlichen Uhrzeiten.“ In diesen Fällen sei die Kindertagespflege eine gute Alternative. Brigitte Hennemann ergänzt, dass Eltern für die Betreuung von unter Dreijährigen die Wunsch- und Wahlfreiheit hätten und selbst entscheiden könnten, was am besten passe.
Was ist für wen die richtige Betreuungsform? Gibt es sowas?
„Da gibt es kein falsch oder richtig“, sagt Brigitte Hennemann. Die Eltern müssten für sich und das Kind entscheiden, welche Betreuungsform für ihre Familie die richtige sei. Das liege in der Verantwortung der Eltern.
Gibt es eine falsche Entscheidung bei der Wahl der Betreuung? Können Kinder auch „zu früh“ in eine Einrichtung gegeben werden?
Das könne nicht allgemein gesagt werden, sagt Wagener. Das sei sehr individuell. Je nachdem für welche Betreuungsform sich Familien entscheiden, werde in einer Eingewöhnungsphase geschaut, ob das Kind dazu in der Lage ist und wie es die Trennung von der Mutter oder dem Vater verkraftet. Zum Beispiel erstmal eine Stunde mit dem Elternteil und dann geht die Mutter kurz raus. In der Tagespflege und in den Kindertagesstätten werde nach dem „Berliner Modell“ gearbeitet. Judith Wagener erklärt, dass die Kinder dabei langsam Schritt für Schritt an die Trennung von den Eltern gewöhnt werden. „In der Einrichtung hat das Kind eine Bezugsperson, bis es in die Gruppe integriert ist.“ Wie lange die Eingewöhnung dauere, sei vom Kind abhängig, ergänzt Hennemann. „Da wird individuell geguckt, was gut für das Kind und die Eltern gut ist.“ Diese müssten sich genauso an den Prozess gewöhnen. Da könne man auch kein Alter festlegen, ob es die Einjährigen besser können als Dreijährige. Judith Wagener empfiehlt deshalb genügend Zeit einzuplanen und nicht ab Tag eins der Betreuung Vollzeit arbeiten zu gehen.
Was sind die größten Herausforderungen der Kinderbetreuung im Vorschulalter in der Stadt?
Die Vorausplanung sei schwieriger als bei Schulen. „Es gibt einen Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Geburtstag, aber es ist nie ganz klar, wie viele Eltern diesen Anspruch tatsächlich geltend machen“, erklärt Hennemann. „Tatsächlich ist die Zahl derzeit höher als ursprünglich gedacht.“ Es sei nicht sicher, wie viele Eltern sich für eine Betreuung ab einem Jahr oder ab drei Jahren entscheiden.
Die Leiterin des Familienbüros Susanne Wüst-Dahlhausen erklärt, die „schöne Entwicklung“, dass sich wieder mehr Familien für Kinder entscheiden, große Herausforderungen mit sich bringe. Denn junge Familien sehen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als selbstverständlich an. Durch den Rechtsanspruch für einen Betreuungsplatz ab einem Jahr müssten diese Plätze geschaffen werden. „Der Bund und das Land müssten für Bildung und Betreuung mehr Geld bereit stellen. Die finanzielle Belastung liegt, besonders in der Kindertagespflege, sehr stark bei den Kommunen. Bildung und Betreuung der ganz Kleinen ist eine wichtige Aufgabe, die von Fachkräften geleistet wird. Um diese Fachkräfte gewinnen zu können und auch zu halten, ist eine gute Bezahlung erforderlich. Hier gibt es noch viel zu tun. Tagespflegepersonen haben in dem Kinderbetreuungssystem längst ihren festen Platz. Das muss auch in den Rahmenbedingungen für die Tätigkeit Berücksichtigung finden.“
Wie nachgefragt sind Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren?
Die Nachfrage ist seit 2008 in Siegen immens gestiegen.
In 2008 waren es 282 Plätze für Kinder unter drei Jahren in Kitas. Und 200 in der Tagespflege – insgesamt um die 480 Plätze.
2011 waren es 400 Plätze für Kinder unter drei in Kitas und 200 in der Tagespflege – insgesamt rund 600 Plätze.
2015/16 waren es insgesamt 900 Plätze.
Im Jahr 2018/2019 werden es 786 in Tageseinrichtungen und 290 in der Tagespflege sein. Die meisten Kinder sind zwischen zwei und drei Jahre alt, sagt Judith Wagener.