Siegen. . Etwa 16 000 Anrufe nahm das Team der Telefonseelsorge Siegen im Jahr 2017 entgegen. Die Nachtschicht ist mittlerweile doppelt besetzt.

Rund 16 000 Anrufe gingen im Jahr 2017 bei der Telefonseelsorge Siegen ein. Im Schnitt der vergangenen Jahren waren es 13 000 bis 15 000, die Nachtschicht ist mittlerweile doppelt besetzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten „zunehmend Menschen, die beziehungs- und kontaktunfähig geworden oder psychisch krank sind“, heißt es in einer Mitteilung des Kirchenkreises Siegen. Dieser trägt das Angebot gemeinsam mit dem Kirchenkreis Wittgenstein und dem katholischen Gemeindeverband Siegerland-Südsauerland. Derzeit läuft ein Aufruf, um weitere Ehrenamtliche für die Aufgabe zu gewinnen.

Wer ruft an?

Grundsätzlich nehmen Menschen jeden Alters das Angebot in Anspruch. Sie melden sich mit der gesamten Bandbreite von Sorgen: Trauer und Tod, Krankheit, psychische Probleme, Beziehungskrisen. „Viele sind betroffen von Einsamkeit, von fehlenden sozialen Netzwerken“, sagt Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Kirchenkreises Siegen. Die Themen seien „ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit“ – und ihrer Veränderungen: Familiäre Strukturen verlören mitunter an Tragfähigkeit. Dies hänge oft damit zusammen, dass Lebenssituationen anders seien als noch vor einigen Jahren. Eltern und Kinder leben aus beruflichen Gründen heute oft weit voneinander entfernt. Der Kontakt ist weniger eng.

Wer geht ran?

Nicht nur Dienst am Telefon

Wer bei der Telefonseelsorge mitarbeiten möchte, kann sich unter 0271/5 60 33 oder per E-Mail an ts-siegen@kka-siegen.de informieren.

Eine größere Rolle spielt neben den Anrufen die Beratung via E-Mail oder Chat. Gerade in diesem Bereich sind viele jüngere Ehrenamtliche aktiv.

Das Team hat rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Oft sind es Leute in der dritten Lebensphase, die sagen: ,Ich möchte ehrenamtlich etwas Relevantes und Sinnvolles machen und mich dafür auch ausbilden lassen’“, erläutert der Superintendent. Die Aufgabe sei anspruchsvoll und erfordere besondere Fähigkeiten, die während einer anderthalbjährigen Ausbildung vermittelt werden. Die Mitarbeitenden – etwa 80 Prozent sind Frauen – brauchen einen hohen Grad an Empathie, ein Gespür für Zwischentöne. Und sie müssen professionelle Gesprächsführung beherrschen. „Es sind klientenzentrierte Telefonate“, betont Stuberg. Der Fokus liegt auf den Themen der Anrufer. Die Mitarbeiter lernen, ihre eigenen Themen nicht einzubringen. Diese Konzentration auf eine Seite weicht von alltäglicher Kommunikation ab und muss deshalb trainiert werden.

Wie läuft’s ab?

„Es geht nicht um Plausch, nicht um Familien- oder Freundesersatz“, macht Stuberg deutlich. Die Telefonseelsorge ist ein fundiertes, professionelles Angebot. Die Anrufer schildern ihre Situation, die Mitarbeiter versuchen, im Gespräch die Ressourcen der Menschen zu entdecken und ihnen wieder ins Bewusstsein zu bringen, sie zu ermutigen und zu aktivieren. „Das ersetzt keine Therapie“, sagt Stuberg. Aber es könne ein erster Schritt sein, um einen Ansatz zur Lösung zu finden. Das Team weist auch auf andere Anlaufstellen und Möglichkeiten hin.

Für wen ist es geeignet?

Anrufen kann jeder. Das Angebot wird von den Kirchen getragen, und ist im Grundsatz „ein christlicher Raum“, wie der Superintendent sagt. Dies liege aber in der Natur der Sache, denn „Seelsorge ist die Muttersprache der Kirche“ und Teil des christlichen Selbstverständnisses. In den Gesprächen spielt das aber keine Rolle – es sei denn, der Anrufer greift es auf. Für die Mitarbeiter ist Religiosität ebenfalls keine Vorgabe. Entscheidend ist die persönliche Eignung. Nicht jeder Mensch komme für die Aufgabe infrage, da sie besondere Formen der Kommunikationsfähigkeit erfordere. Außerdem gehe es oft um belastende Inhalte, nicht selten um Menschen, die sich mit Suizidgedanken tragen. Damit müssen die Helfer umgehen können, wobei Supervision und Rückzugsmöglichkeiten helfen. Stuberg: „Auch der Zuhörende steht für uns im Mittelpunkt.“

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