Dreis-Tiefenbach. . Beratungsstelle besteht aus zwei Sozialpädagoginnen. Oft sind es ratlose Eltern, die Sibylle Menzel-Brügger und Christiane Guttbier aufsuchen.
Wie mit der Lernschwäche des Kindes umgehen oder was tun, wenn ein Jugendlicher ein auffälliges Verhalten zeigt – in solchen Fragen beraten die Sozialpädagoginnen Christiane Gutbier und Sibylle Menzel-Brügger von „Kompass“ Familien, Kinder und Jugendliche aus Netphen.
Die Beratungsstelle
Die Beratungsstelle Kompass wird von der Gesellschaft für Erziehung und Beratung geführt und aus Mitteln des Netphener Familienfonds finanziert. Seit 2007 helfen Menzel-Brügger und Gutbier Familien in schwierigen Lebenssituationen. „Die Beratungsstelle ist weiterhin ein Projekt und eine freiwillige Sache der Stadt Netphen“, erklärt Gutbier. Deswegen muss die Finanzierung immer wieder neu bewilligt werden, ergänzt Menzel-Brügger. In der Dreisbachhalle ist das Büro der beiden Sozialpädagoginnen untergebracht.
Die Konditionen
Wer in die Beratungsstelle kommt, ist erstmal anonym dort. „Von manchen Klienten kennen wir auf ihren Wunsch nicht mal ihren Namen, sondern haben nur eine Telefonnummer“, erklärt Gutbier. Ihre Kollegin erklärt, dass die Beratung ein „geschützter Raum“ sei. Genauso wie bei einem Arzt oder Psychologen dürfen auch die Sozialpädagoginnen nicht darüber sprechen, was Menschen ihnen im Gespräch anvertraut haben.
„Es gibt keine Verpflichtungen“, schildert Menzel-Brügger. Menschen, die sich von den Sozialpädagoginnen unterstützen lassen möchten, müssen weder wiederkommen noch Tipps der beiden Frauen beherzigen – „dies hat keine Folgen“. Ganz wichtig sei auch einfach die zwischenmenschliche Ebene: „Bei einer psychosozialen Beratung müssen sich die Menschen vorstellen können, mit dem Berater zu arbeiten.“ Eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Zusammenarbeit sei, dass die Menschen „freiwillig kommen“, erklärt die Beraterin Menzel-Brügger. Auch würden in einer Beratung keine „unabgesprochenen Schritte eingeleitet“.
Die Probleme
Die meisten Fragen, die Eltern an die beiden Sozialpädagoginnen herantragen, drehen sich um Erziehungsfragen oder schulische Probleme. Lernschwierigkeiten seien dabei ein Punkt. Teilweise würden auch Erzieher und Lehrer auf den „Kompass“ zukommen, wegen Kindern mit „Verhaltensauffälligkeiten oder emotionaler Instabilität“. Auch Jugendliche selbst, deren Eltern beispielsweise Suchtprobleme haben, suchen Hilfe in Dreis-Tiefenbach.
Die Begleitung
Christiane Gutbier erklärt, dass sie den Menschen dort Hilfestellungen geben, wo sie diese benötigen. „Wir helfen den Menschen, ihre Wege zu gehen.“Bei der Beratung von Eltern in Erziehungsfragen würden sie mit den Müttern oder Vätern zusammen erarbeiten, wie sie ihre Probleme am besten lösen können und an wen sie sich wenden können.
Bilanz der Beratungsstelle
69 Personen wurden im Rahmen von 34 Fällen in der Beratungsstelle „Kompass“ von Januar 2016 bis Dezember 2017 betreut.
Für die Beratungsstelle sind jährlich 225 Soll-Stunden festgelegt. 24 Mal ging es bei den Beratungen um Kinder und Erziehungsfragen.
Gutbier schildert ihr Vorgehen: „Wir schaffen uns ein Gesamtbild der Problemlage.“ Dazu schauen wir die ganze Lebenssituation einer Familie an. Dabei nehmen die Sozialpädagoginnen auch Schule und Kindertagesstätte oder auch das persönliche Umfeld in den Blick. Die beiden Frauen bauen Kontakte zu Fachleuten auf wie Logopäden, Kinder- und Jugendpsychiatern, der Kinderklinik oder auch Fachärzten.
In Fällen einer möglichen „Kindeswohlgefährdung“ arbeiten die beiden Frauen auch mit dem Jugendamt zusammen.
„Die Lösung liegt oft in den Betroffenen selbst“, sagt Menzel-Brügger über die Beratungsarbeit. Eine Beratung sei kein „Wundermittel“, der Erfolg hänge immer auch von der Person selbst ab. Was „Kompass“ allerdings nicht anbiete sei Hilfe bei Rechtsfragen. „Wir sind nicht Fachfrauen für alles“, sagt Menzel-Brügger. Sie müssten darauf achten, was sie leisten können und was nicht. Sie schildert, dass sie Menschen auf eine Psycho-therapie vorbereiten, aber die Beratung keine Therapie als solche sei. Gutbier ergänzt: „Wir sind keine Psychologen, auch wenn es dem manchmal sehr nahe kommt.“
Die Entwicklung
Das Konzept der Beratungsstelle habe sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt. Vor zehn Jahren war das Angebot so konzipiert, dass die Sozialpädagoginnen Menschen in fünf Gesprächen geholfen haben. Schnell sei deutlich geworden, dass diese begrenzte Zahl nicht immer sinnvoll sei.
In den Anfängen sei die Beratung stark auf den Bereich Familie und Erziehungsfragen fokussiert gewesen, berichtet Menzel-Brügger. Mittlerweile habe sich das Aufgabenfeld vergrößert, auch Einzelpersonen kommen zu Gutbier und Menzel-Brügger – in Lebenskrisen, nach Schicksalsschlägen, Trennungen, partnerschaftlichen Problemen, Suchtproblemen oder Depressionen. Bei psychischen Problemen leistet „Kompass“ eine „Krisenintervention“. Das heißt, bis die Betroffenen einen Termin bei einem Psychotherapeuten bekommen, arbeiten die Frauen schon mit ihm und unterstützen die hilfesuchende Person.
Die Sozialpädagoginnen
Mit ihrer Arbeit übernehmen die beiden Sozialpädagoginnen eine hohe Verantwortung. Wichtig sei es deshalb auch, dass sie „Grenzen erkennen“ und „das etwas, was ich nicht mehr auffangen kann“ an andere Experten vermittelt wird, sagt Menzel-Brügger. Wichtig sei die Teamarbeit. Über ihren Arbeitgeber hätten sie die Möglichkeit von Supervisionen, um ihre Arbeit zu besprechen, sagt Gutbier. Menzel-Brügger ergänzt, dass Selbstreflexion sehr wichtig sei. Es gebe bestimmte Grundsätze, die eine Beraterin benötige – wie „gut für sich sorgen“ oder im Abstand zu den Problemen bleiben.
„Wir haben unsere Schatzkiste, die wir mitbringen“, meint Gutbier über ihre Fähigkeiten. Christiane Gutbier hat in der Suchtberatung und beim Jugendamt Erfahrungen gesammelt. Menzel-Brügger sieht ihre Stärke in der psychosozialen Beratung. Sie hat bereits in anderen Familienberatungen und Frauenberatungsstellen gearbeitet. Sie hat eine Ausbildung als systemischer Coach.