Allenbach. . Im Sommer werden die ersten Viertklässler entlassen. Platz reicht nicht für alle Neuanmeldungen

Der Gag sind die Tische. Einmal hereinrollen. Aufklappen. Und schon können zwölf Kinder auf den Hockern, die mit der Konstruktion verbunden sind, zum Essen Platz nehmen. Zwei Tische — eine Klasse. „Wir legen Wert auf eine gute Atmosphäre“, sagt Yvonne Melsheimer. In der b school essen die Klassengemeinschaften gemeinsam, nicht die ganze Schule.

In den Klassen steht auf Pinnwänden, wer für welchen Dienst zuständig ist: Kitchen, Flower, Board... Oder: Küchendienst, Pflanzendienst, Tafeldienst. Man spricht Deutsch und Englisch. Die Klassenräume heißen North America, Australia und Europe. In allen werden alle bisher drei Jahrgänge unterrichtet — der vierte und ein vierter Kontinent kommen nach den Sommerferien dazu. „Science Raum“ steht an einer Tür, das ist bilingual fast in einem Wort. Die b school, die am 12. August 2015 im Gebäude der ehemaligen städtischen Grundschule gestartet ist, erreicht das Ziel ihrer Aufbauphase.

A wie anders: Darauf reagiert Yvonne Melsheimer, mit Katy Novara Geschäftsführerin der b school gGmbH, fast allergisch: „Wir sind eine ganz normale Schule, mit ganz normalen Kindern und ganz normalen Eltern.“ Die Gründerinnen — eine war vorher Schulpflegschafts-, die andere Fördervereinsvorsitzende der städtischen Grundschule — reden Klartext: Wer „etwas Besseres“ für seine Kinder sucht, ist hier falsch. „Wir haben die gleichen Themen und Probleme wie andere Schulen auch. Nur andere Rahmenbedingungen.“ Zum einen der individuelle Freiraum beim Lernen, die Montessori-Pädagogik, die jahrgangsübergreifenden Klassen. Zum anderen das ständige Sprachbad, in der Fachsprache „immersiver Unterricht“: In jeder Klasse sind zwei Lehrerinnen, eine ist deutsche, die andere englische Muttersprachlerin. Und beide sprechen ihre Sprachen.

B wie Betreuung in den Ferien: 30 Kinder nehmen an der Sommerferienbetreuung der b school teil, die über drei Wochen angeboten wird. Ferienbetreuung gibt es auch in je einer Woche Oster- und Herbstferien.

C wie Chefs: Ulrich Kretzer, früher Rektor der Hauptschule, ist der Schulleiter im Nebenamt. Auf dem Posten, den von der Schulgründung an seine im vorigen Jahr verstorbene Ehefrau bekleidet hatte. Siggi Kretzer war Rektorin der städtischen Grundschule im selben Gebäude. Als die Stadt die Schule dicht machte, brachte sie ihr eigenes Schulmodell an den Start — die heutige b school. Yvonne Melsheimer und Katy Novara sind als Geschäftsführerinnen des Schulträgers fast noch jeden tag da. „Wir wollen uns ein bisschen zurückziehen, in dem Maße, in dem die Mannschaft in die Verantwortung hineinwächst.“ Mit Maria Fotiadis, selbst Mutter einer Drittklässlerin, ist schon eine Geschäftsführungsassistentin ins Büro eingezogen. Nächster Schritt wird die Wahl einer Vollzeit-Schulleitung. Damit Uli Kretzer endlich wieder Pensionär sein darf.

E wie Eltern: Für die b-school-Kinder gelten dieselben Anforderungen wie für Kinder an staatlichen Schulen. Und die erfüllen sie auch, weiß Yvonne Melsheimer, wenn jetzt die ersten fünf zu weiterführenden Schulen wechseln. „Durch Vertrauen, nicht durch Pauken.“ An dem ganzen Szenario an Lernstandskontrollen kommt auch die b school, einst als „Freie Schule“ initiiert, nicht vorbei. Mit dem Unterschied, dass die Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Themen über den Aufgaben brüten — eben dann, wenn sie so weit sind. Die Nervosität von Eltern, die mit der Nähe zur nächsten für die Schullaufbahn wichtigen Marke wächst, ist auch in Allenbach nicht unbekannt. „Kritische Eltern sind das Beste, was einer Schule passieren kann.“ Man spricht, man erklärt – für Unterrichtsbesuche sind die Türen immer offen. „Dann kommt auch die Sicherheit wieder.“

F wie Förderung: Kinder mit Beeinträchtigungen, bei denen später der sonderpädagogische Förderbedarf festgestellt wird, besuchen auch die b school. Ebenso Kinder aus Flüchtlingsfamilien. „Die nehmen wir gern auf“, sagt Yvonne Melsheimer. Denn das Sprachkonzept ist wie für sie gemacht. Um in die fremde Sprache einzuführen, arbeiten die Lehrkräfte nicht nur mit Worten, sondern auch mit Bildern. Nach und nach tauchen die deutschen Kinder buchstäblich in die englische Sprache ein, „genau so wie Flüchtlingskinder alle nach einem Jahr Deutsch können.“ Und Kinder mit einer Lernbeeinträchtigung haben über die verschiedenen Zugänge gleich mehrfache Chancen, den Schulstoff zu verstehen.

G wie Geld: Finanziert wird die Schule wie eine private Ersatzschule vom Land. Dazu wird ein Elternbeitrag erhoben, gestaffelt nach Einkommen zwischen 90 und 350 Euro pro Monat zuzüglich Mittagessen. Die Christian Goswin Stiftung des Hilchenbacher Unternehmer-Ehepaars Erika und Friedrich Goswin, die eng mit der Schule verbunden sind, ermöglicht Stipendien. Yvonne Melsheimer: „Bisher hat hier jeder angefangen, der hierhin wollte.“

H wie Haus: Vom nächsten Schuljahr an mietet die b school gGmbH das Gebäude komplett, in allen Räumen ist dann wieder Schule. Bis auf die Jugendkunstschule im Kunstraum und den Joga-Kurs im Bereich der Ganztagsbetreuung sind die bisherigen Mitnutzer ausgezogen: die Volkshochschule mit ihren Sprachkursen sowie die Schattenspielgruppe des Café International, die ein neues Zuhause in einem anderen Schulgebäude gefunden hat: bei den Klimawelten in der alten Stadtschule am Kirchweg.

K wie Klassen: Zum letzten Mal werden nach den Sommerferien die Klassen neu gemischt, dann kommt die vierte dazu. In den Jahren danach werden nur noch die Lernanfänger auf die vier Klassen aufgeteilt. Die Wechsel waren kein Problem, berichtet Maria Fotiadis: „Die Kinder kamen ganz gut damit zurecht.“ Jeder kennt sowieso jeden, denn wenn neuer Lehrstoff eingeführt wird, werden aus allen Klassen die Kinder des selben Jahrgangs zusammengeholt. Und natürlich sind die Älteren nicht Jahr für Jahr dabei, wenn die Erstklässler Bekanntschaft mit den Buchstaben machen. „Die Kinder dürfen sich auch aussuchen, mit wem sie zusammen sein wollen“, sagt Katy Novara. Was allerdings nur funktioniert, wenn die Vorlieben auf Gegenseitigkeit beruhen.

L wie Lernbegleiter: Das sind Lehramtsstudenten, die Kinder in den Klassen begleiten und fördern, oft auch bei den Betreuungsangeboten außerhalb des Unterrichts dabei sind oder auch noch die Schulwegbegleitung übernehmen — sie bringen übrigens in Allenbach die männliche Farbe in das, bis auf den Musiklehrer, weibliche Lehrerkollegium.

R wie Rothaarbahn: Die Bahnstrecke spielt für die b school eine wichtige Rolle. Mit der Rothaarbahn wird die Schule für alle erreichbar, die an der Strecke wohnen. Vier „Zugwegbegleiter“ fahren mit und sammeln morgens 25 Kinder an den Bahnstationen ein. Außerdem ist ein kleiner Schulbus im Einsatz; den Neunsitzer hat eine Familie aus Eiserfeld spendiert.

S wie School Day: Das ist der Tag, an dem alle bis 15 Uhr für gemeinsame Projekte bleiben. Ansonsten ist für die erste und zweite Klasse um 12.30 Uhr Unterrichtsschluss, für die dritte und vierte an zwei Tagen um 15 Uhr.

Z wie Zahlen: 76 Kinder besuchen die drei Klassen, 104 im nächsten Jahr die vier Klassen. 45 Kinder kommen derzeit aus Hilchenbach, die meisten anderen aus Siegen oder Kreuztal. Bei den Anmeldungen für das nächste Schuljahr „haben wir leider einigen Eltern absagen müssen“, bedauert Yvonne Melsheimer. Für Hilchenbacher Kinder sollen in Zukunft auf alle Fälle die Hälfte der Plätze reserviert werden. 90 Prozent der Kinder nehmen am offenen Ganztag teil. Auf der Erwachsenenseite ab 2018/19: Acht Klassen- und zwei Fachlehrerinnen, Lernbegleiter, Busfahrer, Küchen- und Putzkräfte. Katy Novara: „Im nächsten Jahr sind wir über 30.“

Wunsch: Fortsetzung in Hilchenbach

Die ersten fünf Viertklässler, die bei der Eröffnung der b school ins 2. Schuljahr eingestiegen sind, werden jetzt entlassen. Das Gymnasium Stift Keppel, die Realschule und die Gesamtschule sind ihre nächsten Stationen. „Der Wunsch, mit Freunden auf eine weiterführende Schule zu gehen, ist groß“, sagt Yvonne Melsheimer. Und diese Fortsetzung könnte in Hilchenbach stattfinden, „wenn unsere Schulen es schaffen, ein bisschen mehr Gewicht auf Englisch zu legen. Damit könnten wir hier wirklich Schüler ziehen.“ Yvonne Melsheimer nennt das Beispiel einer Familie aus Siegen, deren Kind die b school besucht: „Die suchen jetzt eine Wohnung in Hilchenbach.“

Die Zielgruppe ist groß. Für Kinder von Gastprofessoren der Uni wird muttersprachlicher Unterricht in Englisch ebenso gesucht wie für den Nachwuchs von Mitarbeitern von internationalen Unternehmen. „Aber es sind nicht nur internationale Familien“, betont Yvonne Melsheimer. Sondern auch deutsche Eltern, die sich zum Beispiel auf berufliche Auslandsaufenthalte einstellen. Oder die einfach unter ihrem eigenen schlechten Englisch leiden.

Dr. Dietrich: „Wir sind auf dem Wege“

Stift Keppel ist direkter Nachbar der b school. „Wir sind auf dem Wege“, sagt Schulleiter Dr. Jochen Dietrich. Bereits seit zwei Jahren gibt es im Rahmen der Ergänzungsstunden in den 5. Klassen ein zusätzliches Angebot auf Englisch. Mal war das ein Figurentheaterprojekt, mal ein Spiele-Kurs „English Round The World“. Im Wahlpflichtbereich der Mittelstufe werden wechselnde Fächer — mal Erdkunde, mal Sowi und Politik – auf Englisch unterrichtet. Ein — englischer – Fremdsprachenassistent kommt im September für ein Jahr nach Keppel. Wünschen würde sich Dr. Dietrich internationale Betriebspraktika. Weil die teuer sind, braucht es Stipendien: „Da muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.“ Wie angesagt Englisch ist, zeigt die Resonanz auf ein Ferienangebot: „English in Action“, ein Programm eines Sprachreisenanbieters aus Canterbury, mit einem Englisch-Intensivkurs über eine Sommerferienwoche läuft erstmals auch in Stift Keppel.

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