Siegen. . Im Wilnsdorfer Mordprozess verhängt Landgericht Siegen Höchststrafe – aber keine Sicherheitsverwahrung. Verurteilter unvermindert schuldfähig.
Am Ende steht im Urteil, was auch angeklagt war: Mord und Totschlag. Das Siegener Schwurgericht verhängt am Donnerstag, 21. Juni, eine lebenslange Freiheitsstrafe gegen den 63-Jährigen, der an einem Samstagmittag im November 2017 seinen Bruder und dessen Frau auf offener Straße in Oberdielfen mit einem Messer tötete.
Im Gegensatz zu Staatsanwältin Bettina Dickel hat die Kammer unter Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach die zweite Tat nicht als Mord eingestuft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Schwägerin des Angeklagten von ihrem Küchenfenster aus einen Teil des vorherigen Geschehens beobachtete. Damit fehle es am für einen Mord notwendigen Merkmal der Heimtücke, „weil sie dann nicht argwöhnisch war“, begründet die Vorsitzende eine juristische Definition, die den Sohn des getöteten Ehepaares zu einem verzweifelten Kopfschütteln veranlasst. Die außerdem von Anklageseite als Mordmerkmal angenommenen niedrigen Beweggründe verneint das Gericht in beiden Fällen. Der Täter habe sich betrogen gefühlt und seine Rache als berechtigt angesehen. Daher fielen die niedrigen Beweggründe weg. Die Schwägerin „war allerdings nicht Teil seiner Gewaltfantasien“, betont Dreisbach.
Messer nicht zufällig im Auto
Für die erste Tat gibt es diese Bedenken nicht. Der Siegener sei nach Dielfen gefahren, um sich an seinem 13 Jahre älteren Bruder zu rächen und bereit gewesen, diesen zu schädigen, ihn schwer zu verletzen und „in den Rollstuhl zu bringen“. Das Messer habe nicht nur im Auto gelegen, um damit gelegentlich zu picknicken, ist die Richterin überzeugt. Zwischenzeitlich hatte der Mann sogar einmal überlegt, sich einen Revolver zu kaufen.
Als der Angeklagte „auf seinen fast 80-jährigen, ungeschützt dastehenden Bruder zufuhr, mit dem Fuß auf dem Gas“, da müsse er zumindest einen bedingten Tötungsvorsatz gehabt haben. Niemand könne einen solchen Unfall und dessen Folgen planen. Für die Stiche in Bauch, Hals und Rücken hinterher nimmt die Kammer einen unbedingten Vorsatz an.
Immer Herr des Geschehens
Spuren von Alkohol seien kaum, von Drogen geringfügig gefunden worden. „Wir billigen dem Angeklagten keine verminderte Schuldfähigkeit zu“, stellt Elfriede Dreisbach fest. Der Täter sei zu jedem Zeitpunkt Herr des Geschehens gewesen. Wohl gebe es Hinweise auf gewisse Affekt-Elemente, wie das völlige Fehlen von Sicherungstendenzen und ganz allgemein „das nichtnachvollziehbare Verhalten eines 63-jähigen Mannes ohne Vorstrafen. Insgesamt aber überwögen die Hinweise auf ein durchgehend geplantes Handeln. „Ein Blutrausch war das nicht“, weist die Vorsitzende ein Argument des Angeklagten zurück.
Für den Mord gibt es lebenslänglich, für den Totschlag zwölf Jahre, die darin aufgehen. Die für eine Sicherungsverwahrung nötige besondere Schwere der Schuld stellt die Kammer nicht fest.