Siegen-Wittgenstein/Olpe. . Fachkräfte für Psychosoziale Prozessbegleitung helfen im Landgerichtsbezirk Siegen-Wittgenstein/Olpe Opfern schwerer Straftaten durchs Verfahren.
Es ist eine Ausnahmesituation, ungewohnt, belastend. Um Opfern schwerer Straftaten ihre Aussage vor Gericht und die Zeit davor und danach zu erleichtern, stehen im Landgerichtsbezirk Siegen-Wittgenstein und Olpe fünf Fachkräfte für Psychosoziale Prozessbegleitung (PSPB) zur Verfügung. „Wir helfen, dass die so genannten Opferzeugen zu Experten der Verfahren werden und dass sie stabil sind“, sagt Ingrid Kurzeja von der Frauenberatungsstelle Siegen. „Es geht um die Gleichberechtigung aller Verfahrensbeteiligten.“
Der Hintergrund
Seit 1. Januar 2017 haben Kinder und Jugendliche, die Opfer schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten geworden sind, rechtlichen Anspruch auf PSPB. Diese muss allerdings beantragt werden. Erwachsene – auch Hinterbliebene von Opfern – können in bestimmten Fällen ebenfalls die Begleitung beantragen, über die dann das Gericht zu entscheiden hat. „Jahrelang wurde unterschätzt, was für eine Belastung ein Verfahren für Beteiligte bedeutet, was es mit den Menschen macht“, erläutert Silke Menn-Quast vom Verein „Brücke Siegen“. Mit der Gesetzesänderung, die die PSPB festlegt, sei eine Lücke geschlossen worden.
Das Siegener Modell
Im hiesigen Landgerichtsbezirk gibt es die Besonderheit, dass die vier Begleiterinnen und ein Begleiter zwar bei verschiedenen Trägern beschäftigt sind, das Angebot aber in einem gemeinsamen Flyer vorstellen und eng kooperieren, um Betroffenen die Orientierung und den Zugang zu erleichtern. Bisher haben die Fachkräfte, die neben der Prozessbegleitung bei ihren jeweiligen Arbeitgebern auch noch andere Aufgaben übernehmen, 22 Fälle betreut. Das klingt zwar nicht viel, „aber wir haben mehr Fälle als andere im Land“, sagt Menn-Quast. Der Grund sei schlicht, dass das Angebot noch nicht so bekannt ist. Die Rückmeldungen aller bisher betreuten Menschen seien durchweg positiv.
Die Arbeit
Ein Angebot, mehrere Träger
Zertifizierte Psychosoziale Prozessbegleiterinnen und -begleiter gibt es bei der Frauenberatungsstelle Siegen, beim Verein „Brücke Siegen“, bei der Reselve gGmbH und beim Ambulanten Sozialen Dienst der Justiz NRW beim Landgericht Siegen. Kontakt unter anderem unter 0271/2 09 44 (Brücke).
„Wir sind im Prinzip für das Drumherum da“, erklärt Menn-Quast. Die Begleiter erläutern den so genannten Opferzeugen im Vorfeld, wie das Verfahren abläuft, zeigen gerade Kindern und Jugendlichen vorher vielleicht auch schon den Gerichtssaal, sind während der Aussage und in Pausen dabei, helfen, Zeit zu überbrücken, und kümmern sich um An- und Heimfahrt. Sie sorgen auch dafür, dass die Begegnung mit den Tätern auszuhalten ist. „Viele sind sehr dankbar, dass jemand neben ihnen sitzt, dass sie nicht alleine vor dem Richterstuhl sitzen müssen.“ Über die Taten dürfen die Begleiter mit den Opferzeugen allerdings nicht sprechen. Dafür erlernen sie während einer mindestens einjährigen, umfangreichen Weiterbildung extra Kommunikationstechniken, um niemandem vor den Kopf zu stoßen. „Das kriegt man schon gut hin – mit viel Empathie“, sagt Menn-Quast. Die Begleiter sollen ihre Neutralität wahren, nicht zur Klärung des Sachverhalts beitragen. Oft erfahren sie dann erst während der Aussage, was ihre Klienten erlitten haben: „Das kann menschlich belastend sein. Aber auch dafür sind wir ausgebildet.“
Der Nutzen
Für das Gericht bedeuten stabile Zeugen, die sich in der Situation sicher fühlen, bessere Voraussetzungen für die Entscheidungsfindung; außerdem werden die Abläufe beschleunigt. Für die Opfer sind die Verhandlung und ihre eigenen Aussagen besser durchzustehen, wenn eine fachlich qualifizierte Vertrauensperson an ihrer Seite ist. Wie weit diese Hilfe geht, bestimmen die Betroffenen individuell selbst je nach ihren Bedürfnissen – das kann beispielsweise auch die Vermittlung zu Beratungsstellen und in Therapien umfassen.
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