Wilnsdorf/Siegen. . Zweimal Mord oder zweimal Totschlag? Die Staatsanwaltschaft fordert vor Landgericht Siegen die Höchststrafe: „Von Hass zerfressenes Verhalten“.
Zweimal Mord oder zweimal Totschlag, das ist der Unterschied in den Plädoyers gegen den 63-jährigen Siegener, der am 11. November 2017 in Oberdielfen seinen Bruder und dessen Frau getötet hat. „Abgeschlachtet“, wie es Nebenklagevertreter Dr. Thomas Kahl am Dienstag, 19. Juni, formuliert, als er noch einmal zusammenfasst, wie der Mann mit einem Küchenmesser über seine Verwandten herfiel.
War ursprünglich nur die Tötung des Bruders als Mord aus niedrigen Beweggründen angeklagt, sieht Staatsanwältin Bettina Dickel inzwischen auch den Tod der Schwägerin als Mord – und in beiden Fällen zusätzlich ein heimtückisches Handeln. Der Angeklagte habe im Lauf der Hauptverhandlung gezeigt, dass er sich für andere Menschen überhaupt nicht interessiere und nur die eigenen Belange in den Vordergrund stelle. Er habe sich von den Verwandten übervorteilt gefühlt und Rachegedanken gehegt, die sich in der Tat am 11. November entladen hätten. Nur das eigene, übersteigerte Gerechtigkeitsgefühl sei dabei für den Täter von Bedeutung gewesen.
Unsägliche Beschimpfungen und Drohungen
Es sei um Geld, Besitz und den eigenen Vorteil gegangen. „Andere Menschen sind dabei scheinbar für ihn nur Figuren“, stellt die Staatsanwältin fest und erinnert an die Rechtfertigungen, die der Angeklagte für die unsäglichen Beschimpfungen und Drohungen geäußert habe, die es schon vorher gegen den Bruder und auch andere Geschwister im Iran gegeben hatte. Eine Einschränkung der Schuldfähigkeit sieht Dickel nicht und beantragt lebenslange Haft wegen zweifachen Mordes sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die eine spätere Sicherheitsverwahrung möglich macht.
Angeklagter weiterhin auf Immobilie fixiert
Hintergrund der Bluttat ist ein Erbschaftsstreit über eine Wohnung in Teheran, der den Angeklagten offenbar seit Jahren beschäftigt und der ihn in eine depressive psychiatrische Episode geführt hat. Er will darüber auch im letzten Wort noch einmal sprechen, bricht aber ab: „Ich bin nicht mehr in der Lage, etwas zu sagen.“
Das Urteil wird Donnerstag, 21. Juni, um 13 Uhr verkündet.
Im Namen der Tochter der Opfer schließt sich Anwalt Dr. Thorsten Kahl dem Antrag an und verweist auch noch einmal auf die Drohungen, die der Angeklagte gegen die gesamte Familie ausgestoßen habe. Seine Mandantin und sämtliche anderen Verwandten hätten Angst und müssten diese weiter empfinden, „wenn er nicht in Haft ist“. Für den Juristen stehen die Drohungen, die bereits in den 90er Jahren begonnen hätten, im engen Zusammenhang zur jetzigen Tragödie, bildeten eine einzige Gewaltspirale, die der psychiatrische Sachverständige am Vortag allerdings nicht bestätigen wollte.
Plumpe Lügen im Gerichtssaal
„Jetzt lächeln Sie auch noch. Halten Sie sich doch mal zurück mit Ihren Reaktionen“, wirft der zweite Nebenkläger Michael Euler dem Angeklagten vor und findet auch sonst klare Worte für dessen „von Hass zerfressenes“ Verhalten. Er habe die Taten lange vorher geplant, auf die „Gelegenheit zum Attentat gewartet“ und danach eindeutige Angaben gemacht: „Das musste sein“ oder „Ich habe Selbstjustiz gemacht“. Alle Versuche im Gerichtssaal, die Dinge zu relativieren, seien plumpe Lügen. Keine Reue, kein Bedauern, „das habe ich in 38 Jahren als Anwalt noch nicht erlebt!“
Verteidiger Björn Lange hält betont ruhig dagegen, erkennt für sich das Schreckliche am Geschehen an, verweist dann auf die subjektive Seite der genannten Mordmerkmale, die er bei seinem Mandanten nicht erfüllt sehe. Eine Affekttat und damit eingeschränkte Schuldfähigkeit sei „nicht so weit entfernt, dass sie mit Gewissheit verneint werden“ könne.
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