Oberdresselndorf. . Organisierte Diebesbande gräbt hunderte geschützte Pflanzen gezielt aus einer Wildblumenwiese aus und fügt Ökosystem schweren Schaden zu.
Hunderte wilde Orchideen haben unbekannte Täter von einer Wildblumenwiese bei Oberdresselndorf gezielt mitsamt der Knollen ausgegraben und damit dem Ökosystem schwere Schäden zugefügt. Die etwa zwei Hektar große Fläche sei einzigartig im Siegerland, sagt Michael Gertz, stellvertretender Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises – und die Schäden seien so groß, dass fraglich ist, ob sich die jahrzehntelang entwickelte Natur dort wieder erholen kann. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Schaden
100 Steckstäbe markieren die Stellen, an denen jetzt keine Orchideen mehr wachsen, breitblättriges Knabenkraut vor allem, auch Trollblumen. Es sind nur deshalb nicht mehr, weil Gertz die Steckstäbe ausgegangen sind: Hunderte Löcher sind unmarkiert, die Behörde geht davon aus, dass es sich um rund 1000 Pflanzen handeln dürfte. Karl Heinrich Ortelbach, der die Fläche bewirtschaftet, biegt das Gras beiseite: Saubere, quadratische Löcher, mit dem Spaten exakt ausgestochen.
„Das ist ein Desaster“, sagt Gertz: Seit Jahrzehnten wird die Fläche im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bewirtschaftet, schonend gemäht und beweidet, um den seltenen Orchideen Gelegenheit zu Wachstum und Ausbreitung zu geben. „Das wirft uns um Jahrzehnte zurück“, sagt er. Es sei nicht klar, ob überhaupt noch Orchideen auf der Wiese übrig sind, ob es eine Chance gibt, dass sich die Blumen wieder ausbreiten. Selbst wenn: „In meinem Berufsleben werde ich so eine Blüte hier nicht mehr erleben.“ Von den Orchideen abhängig sind weitere Lebensformen, sie leben zum Beispiel in enger Symbiose mit Pilzen, dienen als Nahrung oder Versteck.
Auch privatwirtschaftlich ist Schaden entstanden: Das Ehepaar Ortelbach erhält Geld dafür, die Wiese schonend zu pflegen – wegen der Orchideen. Die sind nun unwiederbringlich dahin. Vom gesellschaftlichen Schaden ganz zu schweigen: Solche Flächen stehen auch für die Naherholung der Bürger und wegen des touristischen Werts unter Naturschutz, es fließen dafür Mittel der öffentlichen Hand.
Bis zu drei Jahre Haft: Kein Kavaliersdelikt
„Das ist kein Kavaliersdelikt“, betont Michael Gertz: Mit dem Diebstahl verstießen die Täter gegen die Bundesartenschutzverordnung, das Bundesnaturschutzgesetz und das Washingtoner Artenabkommen. Weil es sich um gewerbsmäßigen Diebstahl und damit eine Straftat handeln dürfte, könnten die Diebe mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.
Je seltener etwas ist, desto mehr steigt es im Wert. In einigen Regionen wird aus jungen Orchideenknollen Tee gebrüht, in der Lebensmittelbranche werden die Blumen als Geliermittel verwendet.
Die Täter
Angesichts des Ausmaßes und des strukturierten Vorgehens dürfte es sich mit großer Sicherheit um eine gewerbliche Bande handeln. Wie die Täter vorgegangen sind, ist unklar. Gut einsehbar ist die Wiese nicht: Das nächste Gebäude ist der Hof Ortelbach, die Straße führt hinter Bäumen und Sträuchern oben am Hang entlang. Die Diebe gingen systematisch vor, wussten genau, wonach sie suchten und wann sie zuschlagen mussten. „Das war keine Nacht- und Nebel-Aktion“, sagt Burbachs Bürgermeister Christoph Ewers.
Wann genau die Pflanzen gestohlen wurden, ist ebenfalls unklar – vor gut zwei Wochen meldete sich ein Burbacher, dem der Verlust aufgefallen war, bei den Behörden. Renate Ortelbach war fassungslos, als sie das Ausmaß des Schadens das erste Mal sah: „Ich konnte es nicht glauben“, sagt sie.
Die Wiese
Die Wiese ist bekannt in der Region, viele Naturfreunde bewundern vor allem während der Blüte im Mai die Orchideen. „Die Ortelbach’sche Wiese sucht im Kreisgebiet ihresgleichen“, sagt Gertz. An anderen Stellen blühten vielleicht fünf oder zehn Orchideen – hier waren es hunderte. „Wir sind seit Jahrzehnten stolz auf diese Fläche“, sagt Bürgermeister Ewers. Burbach hat mit 16 Prozent der Fläche den höchsten Anteil an Naturschutzgebieten im Kreis und bemüht sich entsprechend um den Schutz von Fauna und Flora.
Als Renate und Karl Heinrich Ortelbach mit der Bewirtschaftung der Wiese anfingen, waren es noch wenige Orchideen im unteren Bereich. „Die haben sich mit der Zeit nach oben hin ausgebreitet und wurden immer dichter“, sagt Renate Ortelbach. Jetzt sind sie froh, wenn überhaupt noch Orchideen da sind.
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.