Siegen. . Zwei Brüder aus Siegen haben heftig um eine geerbte Eigentumswohnung in Teheran gestritten. Am Ende stand dann eine grausame Bluttat.

Dienstag ab 12 Uhr haben Anklägerin, Nebenklagevertreter und Verteidiger Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge über den 11. November 2017 darzulegen.

Dass der 63-jährige Angeklagte seinen Bruder und seine Schwägerin mit diversen Messerstichen getötet hat, steht außer Frage. Offen ist aber noch, ob es Mord oder Totschlag war, ob der Siegener mit iranischen Wurzeln bei klarem Bewusstsein war oder zur Tatzeit unter einer schweren Bewusstseinsstörung litt, mithin möglicherweise nur bedingt schuldfähig war.

Mordprozesse von Siegen: Gutachter kann nur Anhaltspunkte liefern

Das sollte Montag im Rahmen des Gutachtens von Psychiater Dr. Michael Mattes geklärt werden. Der Sachverständige ließ die Prozessbeteiligten aber mit reichlich Raum zur eig enen Bewertung zurück. Er könne nur Anhaltspunkte liefern, keinesfalls aber entscheiden, betonte Dr. Mattes mehrfach.

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Er schilderte zunächst die jüngeren Jahre des Angeklagten, der im vorrevolutionären Iran als Sohn einer begüterten Familie aufwuchs, erfolgreich ein Studium absolvierte und als Mathematiklehrer arbeitete.

Angeklagter brach sein Studium ab

Nach dem Umsturz geriet er mit dem neuen Regime in Konflikt, verließ das Land und versuchte, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen. Wobei er zunächst davon ausging, bald wieder in seine Heimat zurückkehren zu können, fügte Mattes an.

Der Mann habe das deutsche Abitur nachgeholt und ein weiteres Studium begonnen, aufgrund zunehmender gesundheitlicher Probleme aber abbrechen müssen. Trotz starker Beschwerden orthopädischer Art schloss der Angeklagte noch eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur ab, konnte aber nie in dem Beruf arbeiten und lebte danach überwiegend von staatlichen Hilfen.

Erbschaftsstreit beschäftigt die Familei

Der Mann habe ein mehr als bescheidenes Leben geführt, sei von seinen Freunden dennoch als zufrieden, ausgeglichen und ruhig geschildert worden.

Auf der anderen Seite stehe ein starkes und unnachgiebiges Gerechtigkeitsempfinden und damit verbundene heftige Ausbrüche innerhalb seiner Familie.

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Spätestens ab Anfang 2017 habe ihn der Erbschaftsstreit mit dem älteren Bruder ständig beschäftigt. Selbst einen schweren Sturz im Januar 17 habe er dem Bruder zugeschrieben, weil er wegen des Dauerproblems unkonzentriert gewesen sei.

Gewaltfantasien vor der Tat

Ab dieser Zeit attestierte der Sachverständige dem Angeklagten „eine schwere depressive Episode“ pathologischer Art, vermischt mit chronischen Schmerzen und heftigen Rachegedanken, in der es auch erstmals Fantasien gab, den Bruder gewaltsam zur Rechenschaft zu ziehen, auch mit Schnitten ins Gesicht. Dies lasse nur bedingt Schlüsse auf den Zustand am 11. November zu, dürfe aber auch nicht außer Acht gelassen werden, sagte Dr. Mattes. Für den Tattag gebe es einige Anhaltspunkte für ein Affekthandeln und damit eine eingeschränkte Schuldfähigkeit.

Beim Durchgehen der einschlägigen Kriterien ließen sich aber umgekehrt auch viele Argumente für ein logisches und unbeeinträchtigtes Agieren finden. Dazu komme die Frage, ob nicht mögliche Vorbereitungshandlungen, wie Drohungen oder das Mitnehmen des Messers eine Schuldverschiebung auslösten.