Siegen-Wittgenstein. . Menschen mit Behinderung gewinnen durch das Bundesteilhabegesetz mehr Entscheidungsfreiheit, sie bestimmen selbst über ihr Leben.

Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Wohnen, Arbeiten, Teilhabe am Alltag. Mit dem Bundesteilhabegesetz sollen Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit erhalten, am Leben so weit wie möglich selbstbestimmt teilzunehmen. Ein Ort, wo an diesem Thema gearbeitet wird, ist das AWO-Bildungszentrum in Deuz.

Das Bildungszentrum

In den AWO-Werkstätten in Deuz arbeiten seit über 40 Jahren Menschen mit Behinderung. Michael Blachut und Dagmar Graf haben das noch recht junge Bildungszentrum und wie sich die Einrichtung aufstellt, um die Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes zu erfüllen, jetzt im Kreissozialausschuss vorgestellt.

In den Räumen der ehemaligen Förderschule in Deuz bietet die AWO ein inklusives Kursangebot – behinderte und nicht behinderte Menschen können dort zusammen lernen. Insgesamt 16 Helferberufe bietet die Einrichtung an, sagt Dagmar Graf. Behinderte Menschen können in Garten- und Landschaftsbau, in der Metall- und Holzverarbeitung, in der Hauswirtschaft und der Gastronomie ausgebildet werden. Es finde eine enge Zusammenarbeit mit den Werkstätten statt, sagt Graf.

Doch nicht nur berufsspezifische Fähigkeiten lernen die Teilnehmer in den Räumen der AWO, sondern auch „Arbeitstugenden“ wie pünktlich zum Arbeitsort kommen oder lernen, dass es bestimmte Pausenzeiten gebe. Das Ziel sei eine bessere Inklusion der Menschen möglich zu machen, sagt Graf. „Je behinderter unsere Sprache, desto weniger kann Inklusion funktionieren“, merkt sie an. Mit den Kursen würden die Menschen stärker nach ihren Fähigkeiten und Neigungen gefördert.

Arbeitsmarkt

Die Frage sei eben, wie Inklusion funktionieren könne: Es stelle die Gesellschaft vor vielschichtige Aufgaben, so Michael Blachut. Das erklärt er an folgendem Beispiel: ein abgesenkter Bürgersteig erleichtert einem Rollstuhlfahrer das Vorankommen, doch ein blinder Mensch brauche die Kante, um mit dem Stock das Ende des Bordsteins zu erfühlen. „Maßnahmen müssen also unterschiedlich sein.“

Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz

Das Bundesteilhabegesetz soll in vier Stufen von 2017 bis 2023 die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen verbessern.

Mit dem Gesetz soll die von Deutschland bereits im Jahr 2009 unterzeichnete Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen umgesetzt werden.

Für Menschen mit Behinderung ändert sich zum Beispiel, dass sie bei der Wohnform mitbestimmen können sollen oder das die Hilfe-Arten getrennt werden. Es gibt Fachleistungen beispielsweise für eine persönliche Assistenz sowie Leistungen für Wohnen und Essen

In den Werkstätten der AWO haben viele Behinderte eine Arbeitsstelle. Doch das Neue sei, dass Bildung über die Werkstätten hinaus angeboten werde. „Wir schauen, welche Fähigkeiten ein Mensch hat und fördern diese.“ Die Person stehe stärker im Fokus und die Beschäftigung soll den Stärken einer Person entsprechen.

Auch eine Qualifikation für den ersten Arbeitsmarkt ist möglich. In den letzten zwei Jahren sind 15 Personen auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden. Die AWO werde die Qualifizierungsmaßnahmen noch weiter ausbauen, um Behinderten eine bessere Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein Knackpunkt sind laut Blachut dabei anerkannte Nachweise für die Qualifizierungen. Durch die einzelnen Lernmodule sei es möglich, dass eine Berufsausbildung, die normal drei Jahre dauert, je nach Lerntempo auch in vier oder sieben Jahren absolviert werden kann.

Wohnen

Durch das personenzentrierte Teilhabesystem stünden die Personen mehr im Fokus. „Die Träger haben nichts mehr zu sagen“, beschreibt Dagmar Graf. Durch das Bundesteilhabegesetz sollen Behinderte mehr Entscheidungsfreiheit gewinnen und nicht die Träger suchen das passende für die Menschen aus, sondern sie selbst sollen bestimmen können. Für das Wohnen bedeute dies zum Beispiel, dass die AWO als Wohneinrichtung das Geld nicht mehr vom Kostenträger erhalte, sondern von den Bewohnern direkt. Deshalb müsse sich die AWO in diesem Bereich auch neu aufstellen und wie ein „Vermieter agieren“, erklärt Graf.

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