Werthenbach. . Gedenkstein im Werthenbacher Unterdorf erinnert an das Schicksal einer Zigeunerfamilie. Elisabeth wird 1944 in Auschwitz ermordet.

Die Darstellung liest sich wie die Weihnachtsgeschichte im Sommer: „Jedes Jahr zogen Zigeuner durch Werthenbach. Sie übernachteten im kalten Spritzenhaus. Im Mai 1935 brachte einer von ihnen, August Wagner, seine junge Frau mit. Wagner, in Amsterdam geboren, war deutscher Staatsbürger, ebenso seine Frau Else geb. Kreuzer, geboren in Düsseldorf. Frau Wagner war schwanger und so durften sie und ihr Mann im warmen Backhaus übernachten. Am 17. Mai 1935 wurde dort ihre Tochter geboren.“

Das Backhaus steht nicht mehr. An seiner Stelle befindet sich nun eine Sitzgruppe — und seit einiger Zeit ein Gedenkstein, zu dem die Dorfwerkstatt um Ortsbürgermeister Rainer Berlet gehört. Zwei Backhäuser hatte das Dorf, eins im Ober- und eins im Unterdorf. Durch gemeinsames Backen wurde Holz gespart, durch das Backen außerhalb des Wohnhauses die Brandgefahr abgewendet. Zwischen 1930 und 1940 wurden auch in Werthenbach die ersten Backöfen in Wohnhäusern eingebaut. In den 1960er Jahren wurden die Werthenbacher Backhäuser abgerissen. Auch der Unterdorfer Backes, in dem am 17. Mai 1935 ein Mädchen geboren wurde.

August Wagner meldet seine Tochter Elisabeth am selben Tag beim Standesbeamten in Irmgarteichen an, von Pfarrer Schimmelfeder wird sie am Tag darauf katholisch getauft. Im Taufregister ist der Beruf des Vaters eingetragen: „Vagabund.“ Und der Wohnort: „Überall und nirgends.“ Patin ist Maria Katharina Groos, Haushälterin im Jagdhaus. Nach ihr erhält Elisabeth ihren zweiten Vornamen, Katharina.

„Die Eltern sollen mit dem Kind noch häufiger in Werthenbach zu Besuch gewesen sein“, heißt es weiter in der Dorfchronik, die 2011 zur 675-Jahrfeier Werthenbachs erschienen ist. „Als die Lage für Zigeuner in Deutschland immer gefährlicher wurde, zog die Familie kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in die Niederlande.“

Zuflucht in den Niederlanden

Das Schicksal des Mädchens, das im Unterdorfer Backes zur Welt kam, wird erst lange nach dem Krieg bekannt, als ab 1949 die Lagerbücher des Konzentrationslagers Auschwitz ausgewertet werden können: August und Emilie Wagner müssen 1943 bereits mit den ersten Transporten nach Auschwitz-Birkenau verschleppt worden sein. Elisabeth scheint in Holland bei Verwandten oder Freunden untergekommen zu sein. Im Mai 1944 trifft auch sie in Auschwitz ein. Zur gleichen Zeit geht der Leidensweg für ihre Mutter weiter: Ravensbrück, Schlieben, Altenburg. „Durch Hunger, schwere Arbeit und Krankheit soll sie gestorben sein.“ Elisabeths Vater wird weiter verschleppt nach Flossenbürg. „Sein Todesdatum ist unbekannt.“

Auswanderung  nach Kriegsende

Überlebt haben den NS-Terror Ludwig Rosenstein, als Jude geboren und mit seiner Heirat konvertiert, und sein Sohn Rolf. Der Vater kehrte aus Theresienstadt zurück, der Sohn schwer verletzt aus Elbern. In Deutschland blieb die Familie nicht. „Abgemeldet nach New York“, trägt der Standesbeamte am 15. November 1949 ein.

Elisabeth gehört zu den letzten 3000 Gefangenen des KZ Auschwitz, in dem Kranke, Kinder und Alte übrig geblieben sind. Sie alle werden in der Nacht auf den 3. August 1944 vergast, ihre Leichen verstreut, die Asche verbrannt. „Elisabeth Wagner, am 15. Mai 1935 in Werthenbach geboren, wurde nur neun Jahre alt.“ An das Patenkind von Katharina Groos erinnert ein Eintrag in der Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Und nun auch der Gedenkstein in Werthenbach. da, wo der Unterdorfer Backes stand.

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