Feudingen. . Scheu und auf den Beinen noch recht unsicher stolpert das wenige Stunden alte Kälbchen im Artenschutzgehege hinter seiner Mutter her. Die hat sich wie die drei anderen Wisente auch von Achim Wickels Rufen „Kohomm! Weiter! Weiter! Kohomm!“ anlocken lassen. Auf der Dernbacher Seite kommen die schwergewichtigen Tier aus der Dickung, nehmen frische Birkenäste auf.
Scheu und auf den Beinen noch recht unsicher stolpert das wenige Stunden alte Kälbchen im Artenschutzgehege hinter seiner Mutter her. Die hat sich wie die drei anderen Wisente auch von Achim Wickels Rufen „Kohomm! Weiter! Weiter! Kohomm!“ anlocken lassen. Auf der Dernbacher Seite kommen die schwergewichtigen Tier aus der Dickung, nehmen frische Birkenäste auf.
Der pure Zufall
Nicht weit von dieser Stelle oben am Lahn-Wanderweg hat am Sonntagabend Agnes Hoffmann, ehemalige Autschbach-Wirtin aus Bermershausen, das einmalige Natur-Schauspiel verfolgen dürfen. Sie hatte mit ihrem Ehemann Hermann sowie den Freunden Brigitte und Gerhard aus Thüringen gegen 18 Uhr einen Spaziergang im Dernbach unternommen.
„Wenn wir Besuch haben, drehen wir gemeinsam immer mal unsere Bison-Wisent-Runde hier oben; aber was am Sonntag geschah... – da läuft mir jetzt noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich's erzähle: Ich hörte lautes Schlecken und dann sah ich es auch schon. Hier war gerade ein Wisentkälbchen zur Welt gekommen. Unmittelbar nach der Geburt war ich da. Das kleine Ding lag noch silbrig glänzend in der Fruchtblase und wurde von seiner Mutter laut grunzend geleckt. Wackelnd kamen dann die Öhrchen zum Vorschein. Es war wunderbar.“ Die Wanderer haben schnell Rücksicht auf die Situation genommen, sich langsam zurückgezogen und Familie Wickel informiert.
Einmaliges Erlebnis
Achim Wickel, Betreiber der Artenschutz-Station im Dernbach ist sicher: „Hier hat Agnes Hoffmann etwas ganz, ganz Außergewöhnliches beobachten können. Wir haben hier früher 22 Galloway-Rinder gehalten, aber nie eine Geburt mitbekommen“, betont Wickel die absolute Seltenheit.
Er und sein Projektpartner, der Biologe Uwe Lindner, haben bereits vor vier Monaten, als die vier Tiere nach Feudingen gekommen sind gewusst, dass zwei von ihnen tragend sind. „Denen wollten wir in dem Zustand eine 2500 Kilometer lange Fahrt nach Rumänien ersparen und haben sie dann aus Mecklenburg-Vorpommern und als der „Alte Fasanerie“ in Hanau an die Lahn bringen lassen. Dort war Mitte Mai – wie berichtet – pünktlich zum Jubiläum in Feudingen das erste Kalb geboren worden.
Frisches Futter
Exakt dieselbe Kuhle in einer Birkendickung hat sich nun auch die zweite Wisentkuh für die Geburt ausgesucht. Sie beschützt ihr Junges, lässt es nicht aus den Augen. Insbesondere in jenem Moment, als Achim Wickel vom oberen Weg aus mit seiner Nahrungs-Zuteilung beginnt. „Täglich verfüttere ich hier im Gatter drei Raummeter frische, junge Ahorn-Äste oder Birken- und Ebereschenzweige. Die sind ruck, zuck aufgefressen,“ freut sich der Naturfreund. Er verrät, dass ihm die behördliche Genehmigung für die Erweiterung seines Wisent-Areals vorliege. So könne die bislang sieben Hektar große Fläche auf elf erweitert werden. Vorarbeiten im neuen Gelände sind bereits angelaufen: kleinere Hügel und Mulden werden für die Tiere angelegt. Mehr als 20 sollen es keinesfalls werden; dann sei die Fläche ausgereizt. „Ein Überbesatz ist schlecht“, weiß Wickel.
Unterdessen haben sich nach Angaben Wickels die russischen Vertragspartner gemeldet, die an den in Feudingen aufwachsenden Tieren Interesse für Wiederansiedlungsprojekte in ihrem Land haben. „Die Hürden liegen nicht gerade niedrig“, räumt Wickel ein und berichtet von geforderten „Nachweisen über den absolut gesunden und genetisch lupenreinen Zustand der Tiere.“ Anhand der aus Feudingen zugesandten Proben werde Moskau entscheiden, welche Tiere für sie in Betracht kommen könnten.
Das gerade geborene Kalb könnte aber womöglich in Hofheim/Taunus eine neue Heimat finden.