Deuz. . Bernhard Ott aus Deuz hat Lust auf Küsten: Einmal am Atlantik entlang durch Portugal und zwischendurch ein Pilger-Gastspiel.
Bernhard Ott entdeckt das Meer. England, sagt er, hat ihn auf den Geschmack gebracht. Da ging es, über gut 2000 Kilometer, an der englischen Südküste entlang um Cornwall herum bis an die Grenze zu Wales. Küste also, noch einmal: am Atlantik entlang durch Portugal. Und weil der Deuzer, der in diesem Jahr immerhin seinen 75. Geburtstag feiern kann, dem Frühling entgegen wandern will, muss er früh los. Von Süden und Norden.
An einem Donnerstagabend steigt er in Siegen in den Zug, kommt Samstag Mittag in Vila Real de Santo Antonio an. Die ersten Etappen führen, an Faro vorbei, erst einmal nach Sagres, ans westlichste Ende von Europa. Und dann nur noch hoch: „Eine wunderschöne Küste.“
Planen
So früh bin ich noch nie gelaufen, sagt Bernhard Ott. Tatsächlich: Um für einen Start Ende März in Form zu sein, muss er früh mit dem Training beginnen — Ziel ist, die geplanten Tagesetappen von 30 Kilometern zu schaffen. „Ich habe im November angefangen.“ Bis Februar ist er drei Mal nach Marburg gelaufen, „im Schnee habe ich dann neun statt acht Stunden gebraucht.“ Ott, im früheren Erwerbsleben Personalleiter bei Thyssen Krupp, ist kein Abenteurer: Die Route ist exakt geplant, die Übernachtungen im Hotel sind gebucht, Bahnfahrkarten für Hin- und Rückeise natürlich auch. Hält er mit seinem Plan nicht Schritt, wie zum Beispiel in diesem Jahr, bezahlt er das mit Geld für Bus oder Taxi, um die Etappe zu verkürzen: „Ich hatte Knieprobleme.“ Möchte er irgendwo länger bleiben, bezahlt er das auch — mit Verzicht. „In Porto hätte ich gern einen Tag mehr gehabt.“
Allein sein
Das ist immer geladen. Bernhard Ott fotografiert mit dem Handy. Etwa zwei Mal pro Tag spricht er am Telefon Deutsch in diesen Wochen, in Lissabon gibt es deutsche Zeitungen tagesaktuell. Auf dem Hotelzimmer hat er die Wahl zwischen spanischen und portugiesischem Fernsehprogramm. Mit Englisch, hat Ott erfahren, kommt man gut durchs Land. Wobei die Gelegenheiten zur Konversation begrenzt sind. Unten im Süden war es im Frühjahr noch ziemlich leer, oft hatte er die Strecken zwischen Korkeichen und Orangenhainen für sich allein. „Ab Porto wurde es langsam voller.“ Voller? „Zehn bis 20 Leute am Tag.“
Erleben
I ch hatte es mir wärmer vorgestellt. Details beim Blättern durch die dicken Fotostapel, von denen es übrigens die meisten nur in den Karton und die wenigsten in ein Album schaffen. Die Regenpfützen sind nicht alle harmlos, „einmal stand ich knietief im Wasser.“ Die Hunde, anders als bei den Briten an der ganz langen oder gar keiner Leine, manchmal verwildert, sind für Bernhard Ott ein Thema: „Ich habe Angst vor Hunden.“ Mit den Schlangen geht er entspannter um. „Die sind eigentlich auch scheu.“ Zur Sicherheit einmal auf den Stein klopfen, bevor man sich draufsetzt. Das genügt.
Beweisen
Als Pilger würde ich mich nicht bezeichnen. Weil Bernhard Ott nicht eitel ist, hat er die Urkunden, die er bei diversen Wanderungen bekommen hat, nicht hinter Glas gerahmt, sondern einfach an die Wand gepinnt. Im Leporello-Format die Pilgerpässe, die auf den Jakobswegen nach Santiago de Compostela abgestempelt werden. Die Urkunde dort gibt es, wer nachweist, dass er die letzten hundert Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Ott muss dann immer ein bisschen argumentieren, „nicht zum ersten Mal“: „Die glauben mir das nicht. Das liegt daran, dass ich zu schnell gehe.“ Auf seinen insgesamt nun schon 13 Fernwanderungen über gut 23 000 Kilometer war der Deuzer schon sechs Mal in dem Wallfahrtsort. Auch diesmal hält ihn dort nicht viel. 20 Kilometer wären eine zu kurze Tagesetappe gewesen. „Da bin ich lieber noch 20 Kilometer weitergegangen.“
Stranden
Der Zug hatte zwei Stunden Verspätung. Dass die einigermaßen minutiöse Planung der Wanderung über eine Distanz von immerhin rund 1500 Kilometern am Ende nach gut fünf Wochen nicht aufgeht, liegt nicht an Bernhard Ott. Weil der erste Zug in Spanien auf dem Weg nach Hause zu spät losfährt, gehen alle folgenden Anschlüsse verloren, die Fahrscheine verfallen natürlich auch. Bis ins belgische Welkenraedt arbeitet er sich noch mit dem Bummelzug vor, dann ist am Morgen um drei Uhr endgültig Endstation. „Mein Sohn hat mich dann von dort abgeholt.“ Großes Gepäck? Eher weniger als beim Aufbruch. Unterwegs wirft Bernhard Ott Ballast ab, abgewanderte Landkarten zum Beispiel. Wenige Mitbringsel kommen dazu. „Ein bisschen Käse, ein bisschen Wein.“
Weitergehen
Das Jahr hat ja noch sieben Monate. Zu Hause in Deuz wächst auf der Terrasse seit gut zehn Jahren ein Kaktus, den er einst als kleine Pflanze aus Porto mitgebracht hat. Schon wieder Wanderlust? Na ja, sagt Bernhard Ott: Die 1000 Kilometer, die er gerade in Portugal und Spanien selbst gelaufen ist, seien ihm „irgendwie zu wenig.“ Die Bretagne könnte es werden. Ganz demnächst.
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