Siegen. Digitale Vermittlung soll der künftige Markenkern des Siegerlandmuseums werden. Die Verwaltung arbeitet mit Experten der Uni an einem Konzept.
Zukunftsweisende Technik soll die regionale Geschichte im Siegerlandmuseum auf ganz neue Weise erfahr- und erlebbar machen. Die Stadt Siegen nimmt die geplante Erweiterung des Museums um die beiden Bunker an der Burgstraße zum Anlass, um in Kooperation mit der Universität Siegen – und weiteren Akteuren – das Museumskonzept insgesamt zu überarbeiten. Die Arbeitshypothese, so Astrid Schneider, Leiterin der städtischen Kulturabteilung: „Digitale Vermittlung wird zum Markenkern des Museums.“
Digitale Technik ist im Siegerlandmuseum bereits im Einsatz. Seit April vergangenen Jahres ist das 3D-Stadtmodell in der ehemaligen Kutschenhalle im Oberen Schloss in Betrieb. Auf eine Nachbildung des Siegbergs im Maßstab 1:850 wird ein Stadtplan projiziert. Berührt ein Nutzer eines der Miniaturgebäude, erscheinen auf Bildschirmen Informationen dazu.
Das interaktive Stadtmodell ist ein zentraler Baustein des Projekts „Zeit. Raum Siegen“, in dem Stadt, Museum, Förderverein und Fachleute mehrerer Fakultäten der Uni zusammenarbeiten und zu dem unter anderem noch ein Stadt-Wiki gehört – eine Online-Datenbank zur regionalen Geschichte und wichtigen Orten. „Das 3D-Modell, das hören wir von allen Seiten, ist ein absoluter Gewinn“, sagt Schneider. „Alle Stadtführungen beginnen mittlerweile dort: Es bietet eine gute Übersicht
und ist ideal zur Veranschaulichung von Zusammenhängen.“
Wege zu entwickeln, wie sich digitale Technik noch auf andere Art zur plastischen – und faszinierenden und unterhaltsamen – Darstellung der Historie nutzen lässt, ist nun das Ziel des weiteren Vorgehens. Mit der nun in Aussicht stehenden Erweiterung des Museums böte sich eine Neukonzeption an, betont Schneider – unterstreicht gleichzeitig aber, dass es sich um ein Gesamtkonzept handeln wird, das Schloss und Bunker gleichermaßen einschließt: „Wir haben hinterher nicht Museum 1 und Museum 2. Die Erweiterung ist ein neuer Gebäudekomplex des bestehenden Museums.“
In einer Runde, die sich jüngst zum Austausch traf, saßen außer Vertretern der Stadt, der Museumsleitung, des Fördervereins sowie des Stadt- und des Kreisarchivs auch ein Archäologe des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und mehrere Wissenschaftler der Uni Siegen. Als Teilnehmer des Projekts, erläutert Schneider, seien nach momentanem Stand die Lehrstühle von Professor Volkmar Pipek (Computerunterstützte Gruppenarbeit und Soziale Medien) und Professorin Monika Jarosch (Geodäsie) gesetzt, die beide bereits entscheidend an der Entwicklung des 3D-Stadtmodells beteiligt waren.
Weitere Fachgebiete, etwa aus den Medienwissenschaften, könnten hinzukommen, da das Vorhaben interdisziplinär angelegt ist. „Die Universität ist interessant für das Museum. Das Museum ist umgekehrt auch interessant für die Wissenschaft“, sagt die Kulturamtsleiterin. Es gebe zwar Vorbesprechungen, „aber keine Vorgaben unsererseits, wie die Fachleute ihre Forschung betreiben sollen.“ Entsprechend können die Akademiker eigene Schwerpunkte setzen. Was im gegenseitigen Befruchtungsprozesse herauskommt – nun, „das ist das Spannende“, sagt Schneider. „Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
Orte mit besonderer Bedeutung
Für die Fortführung des Stadt-Wikis hat die Stadt einen Förderantrag bei der Kulturregion Südwestfalen gestellt. Ende 2017 ist der Vertrag mit der Universität Siegen ausgelaufen: Das Team von Prof. Bärbel Kuhn, Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte, entwickelte das Stadt-Wiki.
Über historische Fakten hinaus spielte dabei das Konzept der „Erinnerungsorte“ eine wesentliche Rolle. Dabei fließt ein, welche kollektive Bedeutung Orte, Personen oder Ereignisse für eine Gesellschaft haben. Die Plattform soll dank der Fördermittel auch in Zukunft gepflegt und ausgebaut werden können.
Das Stadt-Wiki gibt es online.
Eine Begebenheit aus der Vergangenheit illustriert, was erste Impulse in Gang bringen können. Die Verwaltung habe sich seinerzeit mit der ursprünglichen Idee an Prof. Pipek gewandt, ein Stadtmodell aus dem 3D-Drucker zu bekommen, erzählt Schneider. Herausgekommen ist schließlich das interaktive Modell, dass nun in der Kutschenhalle steht.
Klar sei bisher nur, dass das Digitale das Physische nicht verdrängen werde: „Das Museum wird weiter Originalwerke zeigen – ein Original ist durch keine digitale Reproduktion zu ersetzen.“ In vielen Fällen werde die Technik Ergänzungen und Mehrwert liefern – und in manchen Bereichen Lücken schließen und völlig neue Perspektiven eröffnen.
Lange schon wünscht sich das Museumsteam mehr Platz für den Sonderausstellungsbereich, außerdem für die Stadt- und die Wirtschaftsgeschichte. In den Bunkern wird diese Fläche verfügbar sein, wobei gerade die Abteilung Wirtschaftsgeschichte von den neuen technischen Möglichkeiten profitieren könnte.
Das Siegerland sei von Bergbau geprägt, große Teile unterhöhlt und untertunnelt; aber „Fördertürme und Anlagen wurden oft abgeräumt, Gruben verfüllt“, sagt Schneider. Was weg ist, ist zwar weg, aber „unser Wunsch ist, es mittels digitaler Technik wieder erfahrbar und erlebbar zu machen.“ Es gehe nicht nur um Örtlichkeiten, sondern auch um das, „was sich damit historisch und gesellschaftlich verbindet“, etwa am Beispiel einer konkreten Arbeitsstätte: „Wie haben die Menschen dort gearbeitet? Wie haben sie gelebt, woran haben sie geglaubt? Welche Kleidung haben sie getragen, welche Lieder haben sie gesungen?“
Geschichte soll so auch in Zukunft ein Thema sein, dass viele Menschen erreicht. Innerhalb der Arbeitsgruppe „wollen wir bis September geklärt haben, ob wir gemeinsam ein solides Konzept für das künftige Siegerlandmuseum auf die Beine gestellt bekommen“.
Finanzielle Mittel für das Projekt soll das Programm „Rund um den Siegberg“ liefern: Da die darin ursprünglich inbegriffene Sanierung des Löhrtorhallenbads nicht erfolgen wird, stünden rund 3,4 Millionen Euro zur Verfügung. Der Antrag für diese Umverteilung soll noch in diesem Jahr herausgehen. Die Erweiterung in den Bunkern, so der bisherige Fahrplan, könne im Jahr 2024 in Betrieb gehen.