Müsen. . MoMu wird 30. Am Anfang steht die Idee, Rock und Pop mit sozialer Arbeit zu verbinden. Heute ist das Projekt noch eine etwas andere Musikschule.

Ohne ihn gäbe es MoMu nicht: Der Lehrer, der dem neunjährigen Hans-Dieter Klug das Akkordeonspiel beibringen sollte, bewirkt, dass sein schon sehr bald ehemaliger Schüler alles anders machen will. „Ich hatte eine ganze Weile die Nase voll.“ Aber dann, mit 13, 14 Jahren: Pop und Rock, die Bassgitarre, die erste Band zusammen mit Klassenkameraden. Und schließlich: die eigene Musikschule. In diesem Jahr wird MoMu, der Mobile Musiktreff, 30, gefeiert wird Pfingstsonntag, 17.30 Uhr, mit einem Konzert bei KulturPur.

Wie alles begann

Geplant war das alles nicht. „Ich wollte irgendwas selbstständig machen“, erzählt Hans-Dieter Klug — und etwas Mobiles: Betreuung für Menschen mit Behinderung. Oder Jugendarbeit. Der frisch gebackene Diplom-Pädagoge konnte sich so einiges vorstellen. Denn das war die Zeit, in der Werkbusse, Kino-, Spiel- und sogar Museumsmobile auf die Strecke gingen. „Das Unwahrscheinlichste war das Rockmobil.“ Doch das wurde es dann.

Mobiler Musiktreff in Zahlen

1000 Kinder und Jugendliche sind jährlich bei den offenen Angeboten von MoMu dabei, noch einmal so viele bei den Kursen der Musikschule, die in Hilchenbach seit 2007 auch die Arbeit der städtischen Musikschule macht und sich inzwischen auch als Partner für den offenen Ganztag empfiehlt.

10.000 Dollar hat Phil Collins im Jahr 1997 über seine Stiftung „Youth Action Europe“ dem MoMu zugedacht – die zweite große Auszeichnung nach dem NRW-Inititativenpreis 1995. In der Planung stecken geblieben ist das große Projekt im Rahmen des europäischen Freiwilligendienstes: Vier Bands wollten im Jahr 2000 mit 20 Jugendlichen durch vier Länder touren und im Rahmen von Workcamps auftreten. Die Fördermittel der EU blieben aus.

15 Musikerinnen und Musiker bilden das Team des Rockmobils, etwa 50 unterrichten in der Musikschule, die sogar Dependancen in Bonn, Bremen und Recklinghausen hat. Fest angestellt seit dem ersten Tag ist nur Hans-Dieter Klug als Geschäftsführer, hinzu kommen mit Wolfgang Armbrust ein weiterer pädagogischer Mitarbeiter sowie eine Verwaltungskraft.

3 Gelenkbusse sind als Rockmobile auf die Strecke gegangen; 1990, 1998 und 2006. den vierten Bus gab Hans-Dieter Klug zurück, weil der Umbau nicht finanzierbar war. Seit 2016 ist das Rockmobil ein Truck mit Kabinenaufbau.

Mit Karl Parchow, Ulrich van der Schoor und Oliver Kranz – man würde sie wohl heute „Urgesteine“ nennen – stand Hans-Dieter Klugs erste Band. Fehlte der Probenraum: kein Truck-Aufbau wie heute, kein einfacher Stadtbus, sondern ein stattlicher Gelenkbus. „Die waren damals deutlich billiger.“ Damals, das waren die späten 1980er Jahre, als die langen Busse noch nicht wieder in den öffentlichen Nahverkehr zurückgekehrt waren. Ende 1987 macht Klug seine Idee in dieser Zeitung zum ersten Mal publik, 1988 gründete er den MoMu-Verein, 1990 ging der erste Bus auf Tour, wie die beiden Nachfolge-Modelle in Eigenleistung umgebaut und mit schallgedämmter Schlagzeugkabine versehen.

Wie eine Idee groß wird

Die Haltestellen sind an Jugendtreffs und Schulen und an öffentliche Plätzen, zum Beispiel am Hilchenbacher Markt. Die Musik kommt zu denen, die sonst nicht zur Musik kämen: sehr gern von Anfang an auch in die Band AG an der Dahlbrucher Hauptschule, wo der Pädagoge und Musiker auf dem Umweg zum Abi selbst einmal ein paar Jahre Schulzeit verbracht hat. Später, Ende der 1990er Jahre, dann zum Beispiel auch im Rahmen von sozialpädagogischer Gruppenarbeit, mit Punks in Birkelbach. „Wir haben mit denen gesprochen, ein bisschen gejammt“, erzählt Hans-Dieter Klug, „am Ende haben die sogar eigene Auftritte gehabt“.

2008:Bandworkshop in Dahlbruch. Zum 20-Jährigen gibt es das Rockmobil noch als Gelenkbus.
2008:Bandworkshop in Dahlbruch. Zum 20-Jährigen gibt es das Rockmobil noch als Gelenkbus. © Steffen Schwab

Das Rockmobil steht eher an der Flüchtlingsunterkunft als auf dem Schulhof eines Gymnasiums. Natürlich mischen sich auch Mädchen und Jungen mit Handicaps in die Bands und Gruppen – ohne dass die Projekte dann gleich das Inklusions-Etikett bekommen: „Wenn, dann ist das Teil der alltäglichen Arbeit. Ich habe mich immer dagegen gesträubt, auf Förderprogramme für spezielle Zielgruppen aufzuspringen.“ Was dem MoMu das Leben nicht leichter macht.

Viele waren sie noch nie. Schon beim Start nicht. Um Kollegen mit ähnlichen Projekten ausfindig zu machen, musste Hans-Dieter Klug schon damals lange suchen: „Ohne Internet war das verdammt schwer.“ Richtige Busse gab es nur noch in Saarbrücken, Hamburg und Essen, die anderen nutzten von vornherein Trucks. Alle profitierten damals von der Förderung mobiler Arbeit, berichtet Klug. „So wirklich durchgesetzt hat sich das nie.“ Auch MoMu legte sich ein Standbein auf festem Boden zu: seit 1994 gibt es die Musikschule neben dem Rockmobil, in der die Kleinsten als „Musikflöhe“ und „Rasselbande“ starten. Mit „Young Stage“ in Hilchenbach, seit 2013 vom Bund im Rahmen von „Kultur macht stark“ gefördert, ist MoMu immer noch bei seinen Wurzeln: ein sparten- und trägerübergreifendes Integrationsprojekt.

Wie die Zukunft aussieht

Im Jubiläumsjahr blickt Hans-Dieter Klug in die Zukunft: „Ich weiß nicht, wie das wird, wenn ich mal draußen bin.“ Nicht, dass MoMu und Rockmobil keine Talente hervorgebracht hätten, die inzwischen selbst auf der Bühne stehen. Rar machen sich aber die Multi-Talente, die Organisation und Finanzen genauso gut beherrschen wie Musik. „Da gibt’s wenige“, sagt Klug, „ich konnte das am Anfang ja auch noch nicht.“ Andererseits finde er „immer noch Sachen, die mir Spaß machen und den Jugendlichen auch“. Und das, obwohl er gerade 60 geworden ist. „Das war damals bei meinem Akkordeonlehrer anders.“

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