Littfeld. . Sauerländerin trifft auf Siegerländer Platt und versteht nur Bahnhof. Pflege von Tradition und Sprache steht im Fokus und begeistert Gäste.
„Schur“, ruft jemand durch den Raum und ich bin verwirrt. Was soll das heißen? Mundart ist zwar eine spannende Sache – aber als gebürtige Sauerländerin ist Siegerländer Platt für mich doch eher einer Fremdsprache gleich. Aber das soll sich ändern. Schließlich wohne ich schon eine Weile hier. Deshalb sitze ich in der Mundartwerkstatt und unterhalte mich mit Bruno Steuber vom Heimatverein Littfeld-Burgholdinghausen – auf Hochdeutsch natürlich. Ich will es ja nicht direkt zu Beginn vergeigen.
Rund zwanzig Menschen sammeln sich in dem Raum. Sie alle beherrschen den Dialekt und kommen monatlich zusammen, um miteinander zu schwätzen. Neben mir sitzen Ingrid und Wilhelm Linde. Beide freuen sich. Ihr Ziel: Die Mundart erhalten. Und das möglichst „locker vom Hocker“, sagt Kursleiter Bruno Steuber. Er ist begeistert von der „Uswärdijen“ und eröffnet den Kurs zur Feier des Tages mit dem „Lettfer Platt för Uswärdije“. Ich bin gespannt.
„Gälhor heißt die Rindfleischsehne, Füeröjjel sagt man zur Sirene, Strichschböahnche man ein Streichholz nennt, ein Gaardeschöjsel jeder kennt“, sagt Steuber. Ich muss lachen, als er fortfährt. „Beim Aschmeerschbörschdche wird es schwer, denn Schuhe schmiert heut keiner mehr.“ Aschmeerschbörschdche?! Ich lasse mir das Wort auf der Zunge zergehen und frage mich, wie es Bruno Steuber schafft, das Wort unfallfrei auszusprechen. Beeindruckend. Weiter geht’s mit Truweln, Riesenbäsem und dem Duffelnhoach. Duffeln! Endlich ein Wort, dass ich kenne. Schließlich beendet Bruno Steuber die Einführung in die Mundart mit den Worten Nodda – na das ist schüer.
Die Sache mit dem rollenden R
Es wird miteinander gelacht und geschnackt. Ingrid Linde hat sichtlich Spaß und trägt immer wieder kurze Geschichten oder Witze vor. Die Stimmung ist ausgelassen. „Wir betonen das R nicht so ausdrücklich“, erklärt mir Bruno Steuber. Wieder muss ich lachen, als einer der Teilnehmer daraufhin losgeht und so sehr das R rollt, dass ich völlig aufgeschmissen bin.
Das Siegerländer Grundgesetz
Der Verein hat das Siegerländer Grundgesetzt verfasst:
1. Artikel: „Et es, wiet es.“
2. Artikel: „Es kömmt, wiet kömmt.“
3. Artikel: „Et es noch emmer good gegange.“
4. Artikel: „Wat weg es, es weg.“
5. Artikel: Wat soll dä Quatsch!
Die Mundartwerkstatt vom Heimatverein Littfeld-Burgholdighausen findet monatlich statt und ist für die Besucher kostenlos. Treffpunkt ist der Bürgertreff in der ehemaligen Kappellenschule in Littfeld. Los geht es zur nächsten Runde am Donnerstag, 17. Mai, um 16 Uhr. Ende ist um 17.30 Uhr.
Manchmal gibt Steuber den Teilnehmern Hausaufgaben auf – meist Übersetzungsarbeit. Diese bringen sie dann zur nächsten Stunde mit. So trägt Rentnerin Rita Stötzel selbstbewusst ihre eigene Kindheitserinnerung vom Bauernhof vor – zumindest ist es das, was ich daraus verstanden habe. es geht um Padde und einen Zeijebock, glaube ich.
Und Friedrich Hahn hat die Siegerländer Nationalhymne vorbereitet. Ja genau – eine eigene, selbstgetextete Version der Hymne, die mir seitdem nicht mehr aus dem Ohr geht. „Brooooooatworscht, Bier, de Pann voll Duffeln; on en Dung bet Lääääwerworscht“, singen plötzlich alle lautstark. Herrlich, so macht Mundart Spaß. Dieses Mal verstehe ich sogar etwas. Denn Wilhelm Linde war so lieb, den Text vorab für mich zu übersetzen. „Ein Dung, das ist ein Butterbrot“, sagt er freundlich. „Und giert de Sonn da unger: Das heißt, dort geht die Sonne unter.“ Ich sehe klarer und versuche langsam aber sicher ein Sprachgefühl für den Dialekt zu entwickeln.
Zum Abschied ein „Nodda“
„Ich muss mal wieder üben. Ich habe doch keinen, mit dem ich sprechen kann“, sagt eine Teilnehmerin, die versucht einen Text aus einem alten Buch vorzutragen. „Hier werden auch einzelne Wörter erklärt und es wird gesagt, woher diese stammen“, sagt Wilhelm Linde. Er und seine Frau kommen regelmäßig vorbei und schätzen das Engagement von Kursleiter Bruno Steuber. Wilhelm Linde kommt ursprünglich aus Wittgenstein und ist mit dem Dialekt großgeworden; seine Frau musste ihn sich erst aneignen. „Ich hab’ das im Ohr. Dann lernt man das“, sagt Ingrid Linde und grinst. Als sie Wilhelm kennenlernte, sei es nicht so leicht gewesen, seine Familie zu verstehen. Ich kann das gut nachvollziehen.
Nach rund eineinhalb Stunden ist der Kurs vorbei und ich zaubere mein Ass aus dem Ärmel. „Auf Wiedersehen“, sagt einer der Teilnehmer. „Nodda“ rufe ich fröhlich durch den Raum.
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch auf Facebook.