Kreuztal. . Für den Verein „Auszeit Kreuztal“ führte das Junge Theater Siegen in der Kreuzkirche das Stück „Goldmenschen“ auf. Es ging um das Thema Demenz.

Sie stehen wie erstarrt und blicken ins Leere. Zwei Frauen und ein Mann. Abwechselnd gehen sechs Schauspieler nach vorne und lösen dieses Standbild auf. Eine Frau bleibt übrig und lächelt. Sie heißt Frau Fries und hat Demenz.

Persönliche Erfahrungen eingearbeitet

Lars Dettmer, Theaterpädagoge und Regisseur von „Goldmenschen“, hat eigene Erfahrungen mit dieser Krankheit: „Meine Oma ist vor zwei Jahren gestorben und sie war sehr dement.“ Auch die 15 jungen Schauspieler haben in Begegnungen und Interviews mit Betroffenen vieles über Demenz erfahren und in die Szenen eingearbeitet.

„Auszeit Kreuztal“, vor zehn Jahren gegründet, hat 65 Mitglieder. Darunter ist ein Helferkreis, der pflegenden Angehörigen von Dementen eine Auszeit verschaffen möchte.

Vor allem seit dem Film „Honig im Kopf“ von Till Schweiger mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle sind Demenz und Alzheimer in den medialen Fokus gerückt worden. Früher hieß es oft: „Oma ist vergesslich“ oder auch „Opa ist verworren.“ In kleinen Szenen beschreiben zwölf Schauspielerinnen und drei Schauspieler vom jungen Theater Siegen im Stück „Goldmenschen“ in der Kreuzkirche diese Krankheit, die nicht heilbar ist und höchstens verlangsamt werden kann.

Zuschauer in das Theaterspiel einbezogen

Frau Fries, deren neues Zuhause ein Heim ist, sagt sich: „Ich will hier und jetzt leben.“ Mitbewohner Sonnemann, ein Kavalier der alten Schule, lädt sie zum „Mensch ärgere dich nicht“ ein. Doch das klappt nicht mehr. Herr Sonnemann hat die Spielregeln vergessen.

Die Zuschauer werden ins Theaterspiel einbezogen und Demenz damit anschaulich erklärt. Sie sollen eine Tasse malen. Jede sieht anders aus, doch alle wissen, dass es eine Tasse ist. Und genau diese Verbindung zwischen dem Bild und dem dazugehörigen Begriff ist bei dementen Menschen unterbrochen. Und so deckt Frau Fries für den Kaffeetisch statt Tassen Teller.

Licht in einer Welt voll Dunkelheit

Frau Wagenknecht, eine ehemalige Juristin und auch Heimbewohnerin, ist ungehalten. Sie sitzt, wie gewohnt, um Punkt 12 im Speisesaal und wartet auf das Essen. Eine junge Praktikantin weist sie darauf hin, dass das Mittagsmahl seit kurzem erst um 12.30 serviert wird – und bekommt die volle Breitseite von Frau Wagenknechts Ärger mit. Viel Geduld ist nötig im Umgang mit dementen Menschen, muss die Praktikantin schon am ersten Tag erfahren.

Einige der Kranken wissen aber auch: „Wir leben hier, weil wir allein zu Hause nicht mehr überleben können. Wir sind Goldmenschen. Behütet wie Goldfische im Goldfischglas.“ Und sie freuen sich über Besuch. Auch Frau Fries. Ihre Tochter bedauert: „Ich erkenne dich nicht mehr wieder. Du warst eine so starke Frau.“ Tiefe Traurigkeit über die verlorene Vergangenheit wird bei Mutter und Tochter spürbar.

Vielleicht die eindrucksvollste Szene des Theaterstücks, das die 14- bis 25-jährigen Darsteller des Jungen Theaters Siegen im Laufe von etwas mehr als einem halben Jahr entwickelt haben. Doch am Ende dringt ein helles Licht in eine Welt ein, in der Dunkelheit vorherrscht: Die Musiktherapie, die den kranken Menschen angeboten wird und an der alle teilnehmen. Über einen Adele-Song geht der wilde A-cappella-Ritt bis Lady Gaga. Und vielleicht werden sich die jungen Darsteller genau an diese Hits ihrer Jugend erinnern, wenn sie selbst einmal 80 sind.