Siegen. . Digitalisierung und Bildung sind für den NRW-Wirtschaftsminister zentrale Punkte für die Zukunftsfähigkeit der Region Siegen-Wittgenstein.
Andreas Pinkwart leitet seit einem knappen Jahr eine Art „Zukunftsministerium“: Der Hochschullehrer, dessen Professur an der Uni Siegen derzeit ruht, ist im schwarz-gelben Kabinett von Armin Laschet zuständig für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie. Hendrik Schulz sprach mit dem FDP-Mann bei seinem Besuch der Siegener Firma Datasec an der Welterstraße.
Ihre Ressorts sind für die Region Themen von Bedeutung – wo sehen Sie da Siegen-Wittgenstein?
Pinkwart: Wir haben hier eine starke Wirtschaftsregion mit starkem Mittelstand, wir haben auch im Bereich Digitalisierung hier spannende Unternehmen, die sich hier in den vergangenen 25 Jahren gegründet und am Markt etabliert haben. Viele sind Ausgründungen aus der Uni, etwa im Bereich Sensortechnik. Das sind sehr schöne Beispiele für die Digitalisierung. Und es ist gelungen, durch die Informatik und Wirtschaftsinformatik der Uni Siegen durch Transfers auch der Ingenieure, dass die mittelständische Wirtschaft, besonders der Maschinenbau und die Metallverarbeitung mithilfe der Hochschule auch ihre Prozesse stärker digitalisiert hat – Factory 4.0. Wir haben also beide Welten hier: Den Mittelstand, der durch Digitalisierung seine Arbeit stärker digitalbasiert weiterentwickelt und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit steigert und auf der anderen Seite die reinen Digitalunternehmen, die die Digitalisierung vorantreiben.
Wie bewerten Sie das?
Neben der „traditionelleren“ Ökonomie, die sich seit Jahrzehnten weiterentwickelt – Mechanisierung, Automatisierung, jetzt Digitalisierung – haben wir eben sehr viele Digitalunternehmen. Das ist etwas sehr Positives: Ein solches Unternehmen habe ich noch als Hochschullehrer hier betreut – Uwe Latsch und Invers, die Carsharing-Systeme anbieten. Latsch hat damals seine Diplomarbeit bei mir geschrieben. Da wollte noch kein deutsches Unternehmen, keine Kommune ein Carsharing-System. Er hat dann nach Asien verkauft, in die Niederlande. Hier hat das noch keiner verstehen wollen. Aber wenn ich das richtig verfolgt habe hat sich das toll weiterentwickelt.
Wie steht NRW da?
NRW hat es schwer, Schritt zu halten, national und international. Wie schaffen wir es also, unsere Kompetenzen besser auszuspielen, dass wir mithalten können? Unser Wachstum ist unterdurchschnittlich, Bayern hat 390 000 Arbeitslose weniger. Hinter jedem steckt ein Schicksal.
Wie wollen Sie das angehen?
Wir bauen auf die jungen Leute, das Bildungssystem, die berufliche Bildung, die Verbindung zu den Hochschulen im dualen System. Wir müssen investieren, es braucht gute Rahmenbedingungen, Unternehmen müssen Flächen bekommen, wenn sie sie benötigen.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Projekt „Medizin neu denken“?
Das neue Feld der Siegener Uni-Medizin, Thema Landarzt, hat sehr viel mit Digitalisierung zu tun, es geht ja auch um Telemedizin. Da kann die Uni einen ganz wichtigen Beitrag leisten, um einerseits Firmengründungen hier zu ermöglichen und andererseits die Herausforderungen des ländlichen Raums besser bewältigen zu können. Das erwarte ich auch im Bereich Mobilität: Wie die Sensortechnik die Mobilität weiterentwickelt hat, denke ich, dass es hier Beiträge zum autonomen Fahren gibt.
Auf der anderen Seite ist die Digitalisierung im ländlichen Raum ja auch eine der größten Baustellen.
Aber auch eine der größten Chancen, man darf das nicht verkennen. Es gibt tolle Beispiele – wo das richtig genutzt wird, kommt man auch richtig nach vorne. Sie können von Siegen aus europaweit tätig werden, das wäre ohne Digitalisierung nicht denkbar. Sonst hätten sie zum Beispiel riesige Reiseaktivitäten. Man muss natürlich die Netzausstattung dafür haben, man braucht neben Download- ja auch Uploadkapazitäten, zum Beispiel um Telekonferenzen mit weltweiten Kunden durchführen zu können, bei denen die Produkte in 3D gezeigt werden können usw. Da müssen wir die Infrastruktur haben. Wir leben in einer fantastischen Zeit: Wir haben die Chance, Mobilität, Kommunikation, Arbeit, Freizeit und Gesundheit, die sich spürbar verändern, mitzugestalten. Die Tragweite dieser Veränderungen ist mindestens so wichtig, wie die Industrialisierung. Die Gesellschaft wird sich mit Wucht weiterentwickeln.
Was benötigt es außerdem?
Die Qualifizierung der Mitarbeiter ist zentral und dass die Mitarbeiter sich hier wohlfühlen, das ist entscheidend. Man muss eben investieren in die Ausbildung – nicht nur die klassische Ausbildung, sondern den Menschen als Ganzes begreifen. Die „Generation Y“ und die „Generation Z“ ticken anders. Das muss man berücksichtigen: Sie wollen individuell angesprochen und begeistert werden. Darin liegt aber auch eine riesige Kraft.
Was muss auf dem Bildungssektor passieren?
Wir müssen pragmatischer werden, Geräte zur digitalen Kommunikation zur Verfügung stellen etwa und für Lehrer Bürokratie abbauen. Wir verspielen da viele Chancen. Ein Stück weit müssen wir fehlerbereit sein – ganz ohne Risiko geht manches nicht. Einfach anfangen und experimentieren, sonst dauert es zu lange.
Siegen hat sich gut entwickelt – Siegen zu neuen Ufern, Rund um den Siegberg, Mittel für die Uni. Offenbar hat man hier einen guten Draht nach Düsseldorf. Wird das unter Schwarz-Gelb so bleiben?
Das wird noch besser werden, hoffe ich doch! Ich habe mich in den Koalitionsverhandlungen persönlich dafür eingesetzt, dass das Thema Medizin in Siegen in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird – die Kollegen von der CDU natürlich auch. Ich bin sehr eng verbunden mit der Region und wir werden alles tun, was sinnvoll ist und hilft, diese Region weiter nach vorne zu bringen.
Inwiefern?
In der nächsten Regionalen ist Südwestfalen und damit Siegen ja auch schon wieder drin – und dann mit Schwerpunkt Digitalisierung. Wir haben laufende Projekte, sei es digitaler Handel, sei es Innovationsfabrik, dazu das riesige Thema Medizin, und wir werden ganz sicher noch weitere Themen zur Digitalisierung hier weiter bearbeiten und fördern.